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tag eins: Defizitverfahren ante portas, Eastwood vs. Kurier

Hallo!

Heute ist wieder tag eins. Du liest deinen täglichen Nachrichtenüberblick.


Mit Nachrichtenüberblicken ist das so eine Sache – einmal gelesen sind sie schon wieder nicht mehr aktuell. Sogleich folgt dann der nächste. Längerfristig den Überblick zu behalten, ist für Leser*innen gar nicht so einfach. Umso schöner, dass es journalistische Projekte wie unser heutiges Fundstück gibt, die der Erinnerung daran, was eigentlich alles in der letzten Zeit passiert ist, auf die Sprünge helfen.

Außerdem geht es heute um das EU-Defizitverfahren gegen Österreich, Clint Eastwood vs. Kurier und einen Überblick über die Wahlen in Südkorea, Polen und den Niederlanden.

Hier nun der Newsletter:

THEMEN DES TAGES

EU-Kommission dürfte Defizitverfahren gegen Österreich empfehlen

Ein Defizitverfahren gegen Österreich rückt in Sichtweite. Die EU-Kommission spricht heute wohl eine Empfehlung für ein Defizitverfahren aus, da Österreich ein übermäßiges Defizit aufweisen dürfte. Dieses Defizit offiziell bestätigen und ein Verfahren einleiten könnten dann am 8. Juli die EU-Wirtschafts- und Finanzminister.

Ziel dieses Verfahrens ist es, Österreichs Budgetdefizit zu senken, damit es wieder innerhalb der EU-weit geltenden Regeln (Maastricht-Kriterien) liegt. Mit den aktuellen Sparmaßnahmen der Bundesregierung dürfte die Neuverschuldung 2025 bei 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen, vergangenes Jahr lag sie bei 4,7 Prozent, der EU-Zielwert liegt bei drei Prozent. 

Was bedeutet ein Defizitverfahren in der Praxis? 

Die österreichische Regierung muss dann für eine Dauer von voraussichtlich vier Jahren budgetäre Maßnahmen mit der EU-Kommission abstimmen bzw. regelmäßig nach Brüssel berichten, mit welchen Schritten der Schuldenstand gesenkt werden soll. Die Hoheit darüber, welche Maßnahmen umgesetzt werden, liegt weiterhin in der Hand der Bundesregierung. Sind diese Schritte allerdings nicht ausreichend, drohen Sanktionen und im schlimmsten Fall sogar Strafzahlungen. In der Praxis ist das aber noch bei keinem EU-Mitgliedsstaat vorgekommen.

Bereits nach der Finanzkrise 2008 war Österreich bis 2014 in einem Defizitverfahren. Auch andere EU-Mitgliedsstaaten befinden sich momentan in einem solchen Prozess, etwa Frankreich, Italien oder Rumänien. (eb)

Clint Eastwood bestreitet Interview mit Kurier, Zusammenarbeit mit Autorin beendet

Der US-amerikanische Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood bestreitet, dem Kurier ein Interview gegeben zu haben, das am Freitag vorige Woche erschienen ist. Seine Aussagen darin seien „frei erfunden“ und er habe „nie einer österreichischen Publikation namens Kurier ein Interview gegeben“, zitiert (Öffnet in neuem Fenster) zum Beispiel der Guardian ein Statement des 95-Jährigen. 

Ganz stimmen dürfte das nicht: Der Kurier hat die Zusammenarbeit mit der Autorin, die als sehr erfahren im Filmjournalismus gilt, zwar beendet. Doch in einem Statement in eigener Sache betont der Chefredakteur Martin Gebhart heute, dass die Autorin erwiesenermaßen 18 Mal mit Eastwood gesprochen habe – und zwar im Rahmen von Roundtable-Interviews, die im Filmjournalismus sehr üblich sind. Die Zitate, die da fallen, dürfen auch verwendet werden, zum Beispiel im Rahmen eines Porträts. Journalistisch nicht korrekt sei aber gewesen, die Zitate in Interviewform und so zu präsentieren, als habe ein tatsächliches Gespräch stattgefunden. Die Autorin weist diesen Vorwurf gegenüber dem Standard (Öffnet in neuem Fenster)und der ZIB1 zurück. Der Kurier sei über ihre Arbeitsweise informiert gewesen.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit aufsehenerregende Fälschungen im Journalismus. Einer der im deutschsprachigen Raum bekanntesten Fälle ist jener des deutschen Journalisten Tom Kummer, der in den 1990er-Jahren mehrere Interviews mit Stars fälschte und dafür geradezu berühmt wurde. Noch gar nicht so lange her ist auch der Skandal rund um den Spiegel-Journalisten Claas Relotius, der ebenfalls Reportagen und Interviews in Teilen oder ganz erfand.  

Mit solchen Fällen dürfte das Clint-Eastwood-Interview allerdings nicht so viel zu tun haben. Ein guter Anlass, über die Zustände und Bedingungen in der Medienbranche, gerade auch im Kulturjournalismus zu sprechen, wäre es dennoch. Einen Anfang macht die Filmjournalistin Julia Pühringer auf Bluesky:

https://bsky.app/profile/juliapuehringer.bsky.social/post/3lqpv5zwdds2l (Öffnet in neuem Fenster)

In gleich drei Ländern gibt es Neuigkeiten zu aktuellen Wahlen, hier ein kleiner Überblick

In Polen will Ministerpräsident Donald Tusk von der konservativ-liberalen Bürgerplattform die Vertrauensfrage stellen, weil am Wochenende der von der rechten PiS-Partei unterstützte Karol Nawrocki zum Präsidenten gewählt wurde. Es wird befürchtet, dass er die Regierungsarbeit mit Vetos behindern könnte. Tusk möchte sich deshalb vom Parlament seine Position stärken lassen. Planmäßig geht seine Amtszeit bis Ende 2027. Mehr bei der Deutschen Welle (Öffnet in neuem Fenster).

In den Niederlanden lässt der Rechte Geert Wilders die Vier-Parteien-Koalition platzen, weil ihm die Einwanderungspolitik seines Landes nicht radikal genug ist. Nun kommt es zu Neuwahlen, beim vergangenen Mal hat die Regierungsbildung danach sieben Monate gedauert, erklärt ZDF heute (Öffnet in neuem Fenster). Das RND (Öffnet in neuem Fenster) kommentiert, wie sehr die Entwicklung erneut zeige, dass rechte Parteien der Demokratie schaden, wenn die Mitte-Parteien einen Versuch zur Zusammenarbeit starten.

Und in Südkorea hat der oppositionelle Liberale Lee Jae Myung die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er muss nach monatelangen Protesten versuchen, ein gespaltenes Land zu einen und hat unter anderem eine Annäherung an Nordkorea und China angekündigt, schreibt der Tagesspiegel (Öffnet in neuem Fenster). (cfa)

Dieser Newsletter ist ein erster Versuch für ein neues journalistisches Angebot. Wir bitten dich deshalb um Feedback:

Was darf für dich in einem aufgeräumten täglichen Nachrichtenüberblick nicht fehlen? Was wünscht du dir von tag eins?

FUNDSTÜCK DES TAGES

Die Trump-Chronologie

Vom 20. Jänner bis zum 3. Juni dieses Jahres: Der Standard gibt einen detaillierten, chronologischen Überblick (Öffnet in neuem Fenster) über den Umbau der USA durch Donald Trump seit seiner Angelobung als Präsident bis heute. Dafür wurden akribisch seine politischen Handlungen etwa das Erlassen von Strafzöllen, Massenentlassungen und die Angriffe auf die US-Justiz dokumentiert. Die Chronologie liest sich – auch für eifrige Nachrichtenleser*innen, die das eigentlich alles schon mal gehört haben – sehr erschütternd und wird laufend ergänzt.

Hatte einiges aus Trumps noch gar nicht so langer Amtszeit schon wieder verdrängt:

 Anna Mayrhauser

Foto: Severin Wurnig


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