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Folge 28 

Etwas Altes: Stadterkundung

Vor zehn, fünfzehn Jahren habe ich ziemlich viel ehrenamtliche Arbeit in der Schule meiner Kinder geleistet, unter anderem ein Stadt(teil)projekt gemacht, in dem wir den Strukturen, die urbanes Leben zusammenhalten, nachgegangen sind. Das hat großen Spaß gemacht, den Kindern und mir auch. Ich überlege, die damalige Arbeit und die Erfahrungen daraus 2022 vielleicht mal zu einem Buch, einer Reihe oder – vermutlich am passendsten – zu einem kollaborativen Projekt zusammenzudenken. Ihr könnt mir gern eure Meinung dazu schreiben.  Man kann solche Erkundungen auch allein mit seinen Kindern machen, aber natürlich nur, wenn man noch ein paar Kräfte zur Verfügung hat; damit dürfte es bei den meisten Eltern aktuell nicht so gut aussehen. 

Etwas Neues: Jahreszeitenwiederkehr 

Es ist Herbst, das Laub des Wilden Weins hat sich rot verfärbt, die Katze trinkt indoor aus Blumenvase und Klo, die Wildgänse schreiben M wie Melancholie an den Himmel, auf Twitter fragt man einander Tiefsinniges über den Tod. Wo ist die elegische Spotify-Playlist, wo das Risottorezept, wo der Bücherstapel? Neu am Herbst in diesem Jahr ist, dass man wieder Jahreszeit spürt, die gute Nachricht dieser Ausgabe ist also, es ist nicht mehr ewiger März 2020. Hoffentlich auch nicht bald wieder. 

Wer Garten oder Balkon hat: Macht euch jetzt selbst eine Freude und verbuddelt noch ein paar neue Blumenzwiebeln, damit ihr gemeinsam mit ihnen im Frühling komplett ausrasten könnt vor Lebensentschlossenheit und Schönheit. Es gibt keine poetischeren Zeitkapseln als Blumenzwiebeln. 

Etwas Geborgtes: Ein Zitat 

»The Master’s Tools Will Never Dismantle the Master’s House.« – Audre Lorde

Ja, viele von euch kennen das Zitat, das ein Essaytitel ist, längst, aber man darf es einfach nicht vergessen, sonst fliegt einem die Erkenntnis, wie wahr es ist, immer wieder um die Ohren. 

Etwas Uncooles: Über Nacht Monster

Ich habe mich vor einer Woche so unprofessionell wie noch nie im Leben verhalten, eine Art Systemkollaps, in dem sich Corona-Weirdness (neu), Esallenrechtmachenwollen (alt) und märchenhafte Zeitplanung (schlimmer geworden) aufs Ungünstigste verbanden. Dies als Trost und Klarstellung für alle, die denken »Oh, die macht so viel, bekommt so viel hin – ich dagegen ...« und als Warnung für mich selbst, beim nächsten Mal Probleme, die man von Sekunde eins hat kommen sehen, nicht wegzudrücken und vor allem, sie auch später noch lieber zu kommunizieren als vor innerer Not fast zu sterben und unnötig Schaden anzurichten.

Aus der Geisterhaftigkeit zurück in eine schöne, dialogische Kommunikation zu finden, das ist ganz schön schwer, für euch gestestet.

Vieles rund um die Wahl war auch sehr uncool, aber damit halte ich euch und mich jetzt nicht länger auf.

Neues von der Verlagssanierung 

Im Verlagsshop gibt es den portofreien Buchversand innerhalb Deutschlands auch noch im Oktober, denn dann seid ihr weniger von comfy Monopolisten verführbar. Außerdem ist ja der Plan, dass Merchverkauf und Abos die Bücher subventionieren, und da gehört dieses Porto irgendwie dazu.

Die Zahl der Steady-Abonnent*innen ist sehr stark gestiegen, vielen, vielen Dank für euren Support, der auch meine Seele schon ein bisschen geheilt hat. Sobald die 2000-EUR-Marke überschritten ist, endet das mir etwas unangenehme »Mitleidsmarketing«, denn dann kann man von einem Verlagsgrundeinkommen sprechen, das die Arbeit weniger krisenanfällig macht. Alles darüber hinaus sollte als Investition in eine andere, partizipative Verlagskultur betrachtet werden: Mit mehr sicherem Geld kann mehr veröffentlicht werden, weil die Verlegerin auch mal ein externes Lektorat bezahlen kann, es können dann Texte von anderen, marginalisierteren Autor*innen veröffentlicht werden, weil Vorschüsse gezahlt werden, und die schönen kollaborativen Projekte können weiterentwickelt werden; in ihnen vor allem liegt meiner Einschätzung nach wirklich die Zukunft. 

In den nächsten Tagen werde ich mich den immateriellen Gegenleistungen für Abonnent*innen widmen. Grundsätzlich gilt: Wer im Abo etwas nicht drin hat, aber gern hätte, einfach sagen, das ist ja alles ziemlich willkürlich verteilt. Vermutlich werde ich einfach einen Sammelordner bauen, wo sich Abonnent*innen alles runterladen können, was sie individuell interessiert.

Wer wenig Geld hat und deshalb nur den Newsletter abonniert hat, wird davon ebenfalls nicht ausgeschlossen. Das ist ja gerade mein Ziel: möglichst allen Inhalte zugänglich machen zu können, ohne dabei selbst zu verhungern. 

Es gibt auch kein Extralob für Menschen, die teure Abos abgeschlossen haben, aber es ist natürlich wunderbar, dass sie es tun. »Mehr Geld ist mehr Geld«, lautet ein kapitalistisches Sprichwort. 

Das neue Buch von Gabriel Yoran, dieses Mal gemeinsam mit Christoph Rauscher, der Zeichnungen gemacht hat, Warum heißt es Traum und nicht Memoryschaum, ist zum Setzen bei Ursula Steinhoff, unserer Grafikerin, und geht vermutlich nächste Woche in Druck. Ich mache es dann gleich im Verlagsshop vorbestellbar und verschicke PDFs an Menschen, die es besprechen wollen. Wer ein Kleine-Formen-Abo (Öffnet in neuem Fenster) hat, bekommt das Buch im Oktober automatisch. 

Aktuell sitze ich arg verspätet am Lektorat von Doña Milagros, einem Roman der feministischen Autorin Emilia Pardo Bazán von 1899, den Birgit Kirberg aus dem Spanischen übersetzt hat. Zusammen mit dem von Magda Birkmann* herausgegebenen Roman Living Alone von Stella Benson aus dem Jahr 1919, den wir im englischen Original veröffentlichen, wird er den Auftakt der neuen Reihe regain bilden. Ich werde die Titel zur Buchmesse vorstellen, wo ich gar nicht hinfahre, aber es gibt ja das Internet. Beide Titel kommen, wenn nichts mehr schiefgeht, im November heraus. Im Dezember soll als Einzeltitel der Roman Fuck Forever von Sofie Lichtenstein erscheinen, das ist entsprechend mein nächstes Lektorat. Nächste Woche mehr dazu. 

Nächste Woche bringe ich auch Tausend Tode schreiben (Öffnet in neuem Fenster) wieder in Bewegung, der Gedanke macht mich zugleich ängstlich und glücklich. In der langen Pause gab es Krankheit und Tode – es ist und bleibt ein großes und schweres Projekt. 

*Abonniert, wenn ihr es noch nicht getan habt, unbedingt Magda Birkmanns tollen Literaturempfehlungs-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster)

Guerlica

Zurück in die Zukunft, zu den ewig Zukunftskonferenzen Abhaltenden. Wir sehen uns nächste Woche wieder. Seid lieb, nur nicht zu Nazis. 

XOXO,
FrauFrohmann

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