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Folge 29

Etwas Altes: #1000Tode als Lebenswerk

Wie letzte Woche angekündigt, geht Tausend Tode schreiben jetzt weiter. Nach Abschluss meiner Verlags-Excelbändigung und der Romanlektorate in den nächsten Tagen stelle ich mich dem nicht unbeträchtlichen Schrecken, auf mehreren Rechnern all die sehr vielen Menschen und Texte wieder zusammenzusuchen. Das Gute ist, ich weiß, es wird sich lohnen, in jeder Hinsicht; das Projekt war, ist und wird wunderschön. Neu wird sein, dass ich mir ein bisschen mehr Hilfe von anderen fest einbaue, damit #1000Tode nicht unnötig an meine persönliche Vitalität gebunden ist. Nicht neu, aber vielleicht bislang nirgendwo offen kommuniziert ist, dass ich nicht mehr davon ausgehe, nach dem 1000. Text aufzuhören. Vielleicht wird zu diesem Anlass ein Printbuch gemacht, das bei 1000. stehenbleibt, aber digital gibt es keinen Anlass, weitere Menschen, die vom Sterbenmüssen, Sterben, von Toden und Toten erzählen möchten, auszuschließen. Ein ewiges E-Book, wie schön.

Nächste Woche schreibe ich hier auf, wie es konkret weitergehen soll, in welche Richtungen sich das Projekt nun weiterbewegt und öffnet, welche Expert*innenhilfe nötig sein wird. 

Wichtig für unsere gemeinsame Arbeit: Bitte drängt unter keinen Umständen trauernde oder möglicherweise traumatisierte Menschen zur Mitwirkung. Erzählt anderen, dass es das Projekt und die Möglichkeit zur Teilnahme gibt, wer etwas erzählen möchte und kann, kommt dann von selbst. 

Wer neu mitmachen will, bitte noch kurz warten, ich muss erst den Bestand unter Kontrolle bringen. Ein neues Exposé wird Anfang November veröffentlicht. Jetzt schon freue ich mich aber über formlose Hello-again-Mails von Mitwirkenden an info@frohmannverlag.de mit  Betreff  1000Tode/eigene Textnummer, sie werden die Dinge einfacher machen. Wer schon abgegeben hatte, aber noch nicht veröffentlicht wurde, bitte 1000Tode/unveröffentlicht nehmen. Nach etwaigen Änderungen bei Namen oder in der Bio frage ich bald auch, so etwas kann aber jetzt gern schon dazugeschrieben werden.  Wer bereit ist, demnächst ehrenamtlich das Projektexposé in eine andere Sprache zu übersetzen und dann ggf. auch in dieser Sprache eingereichte Texte zu übersetzen und mit zu betreuen – die Texte sind ja immer relativ kurz –, bitte auch gern schon melden. Auch Hinweise auf schon veröffentlichte tolle Texte, die man zur Zweitverwertung anfragen könnte, sind sehr willkommen. <3

 

Etwas Neues: NEUjahr

Das Internet bzw. ein Teil des Internets, der gern das Internet genannt wird, war die Tage ein paar Stunden lang kaputt, was bei ziemlich vielen Menschen einen Schock ausgelöst hat. (Am nächsten Tag gab es im Frohmann-Verlagsshop zum ersten Mal gar keine Verkäufe, und mein Mann berichtete Ähnliches aus seiner Firma. – Da leckten wohl Menschen ganztägig ihre digitalen Wunden.) Ich habe das Mega-Ereignis komplett verpasst, weil ich Facebook nicht mehr, WhatsApp kaum, Instagram dosiert benutze und auch gerade nicht auf Twitter war, das wohl als digitales Auffanglager diente; hoffentlich schließt mich meine Nichterfahrung nicht für alle Zeiten vom kollektiven Empfinden aus. 

Davon zu lesen, hat aber trotzdem Gedanken in mir ausgelöst. Weil in den letzten zwei Jahren so viel kaputtgegangen oder als kaputt sichtbar geworden ist, wird es zunehmend plausibler, das System, die Systeme, was auch immer man darunter versteht, neu aufzusetzen.

Eigentlich müssten wir uns weltweit alle ein Jahr frei nehmen und partizipativ, unter Mitwirkung aller, global die Gesellschaft/en und das Internet, das auch Teil der Gesellschaft und von dem Gesellschaft ein Teil ist, neu entwickeln. Ja, natürlich müssten in der Zwischenzeit überlebensnotwendige Strukturen am Laufen gehalten werden, und manche Menschen haben gar keine bezahlte Arbeit, von der sie sich freinehmen könnten, aber ihr versteht schon, was ich meine: Es ist nicht genug, immer nur Kleinigkeiten zu korrigieren, wenn das System im Kern nicht mehr stimmt oder möglicherweise nie gestimmt hat und fortwährend unnötig Gewalt, Leiden und Tod produziert. Hier der Zeitplan:

1. Quartal: Bestandsaufnahme,
2. Quartal: Analyse
3. Quartal: Strategie und Konzept
4. Quartal: Umsetzung 

Wir haben gerade ein Jahr lang drinnen gehockt, also bitte erzählt nicht, dass man kein Jahr erübrigen könnte, wir wissen doch jetzt, dass so was geht. 

Fridays for Future nutzen ja auch schon das Hashtag #RebootTheSystem – also sagt schon, wann beginnt das NEUjahr?

Nach dem Schreiben, vor dem Korrekturlesen habe ich diese schöne Radiosendung (Öffnet in neuem Fenster) zu »Perspektiven des digitalen Kapitalismus. Algorithmen für das Allgemeinwohl« angehört, die irgendwie gut dazu passt – ich bin ohnehin ein sehr großer Fan von Eva von Redecker.  Meine eigenen Gedanken heute sind leider sehr viel hingehauener, als es sich gehört, aber ich muss zurück zum Lektorat. Ordentliches Denken und Schreiben demnächst wieder, hoffentlich. 

Etwas Geborgtes: Ein Zitat 

»90% der Realität spielt sich im Kopf ab, leider« (21) – Puneh Ansari, Hoffnun’ (Öffnet in neuem Fenster)

Etwas Uncooles: Mediengenervtheit

Es wird viel über Medienangst gesprochen, aber Mediengenervtheit ist auch ein Phänomen. Medienangst sorgt sich um untergehende Kulturtechniken und -medien, Mediengenervtheit ist eigentlich Genervtheit davon, dass temporär bestimmte Medien und Formate unabhängig von Inhalten sichtbar werden, einfach weil sie neu und ungewöhnlich aka noch ungewohnt sind. Diese Medien  haben dann einen Hype, sie werden vermehrt in Wissenschaft und Feuilleton thematisiert und sind auch Smalltalkthema. In den Nullerjahren wurden Blogs gehyped und nervten, dann waren es Audiobooks, dann Microblogs/Social Media, dann Serien, dann Podcasts, jetzt sind es gerade Newsletter. Newsletter nerven manche Leute anscheinend besonders schlimm, weil sie als Form ja ein uralter Hut sind, der jetzt gehyped wird, und weil man ja auch bloggen könnte oder tatsächlich auch bloggt und die Texte zusätzlich per Mail verschickt und Newsletter nennt. Stimmt alles, na und? Andere, nicht newslettergenervte Leute mögen es gern, mal etwas anderes als Pornspam und Rechnungen im Postfach zu finden und schätzen es, Sachen, die sie interessieren, in der Flut der Inhalte mal nicht zu übersehen. Für sie übernehmen Newsletter eine angenehme Filterfunktion.

Ich persönlich mag den Begriff Newsletter auch nicht, aber schätze die Regelmäßigkeit, die das Format Newsletter einem als Verfasserin abverlangt, und als Leserin mag ich, dass ich alle paar Wochen, wenn ich das Postfach durchgehe und Mails lösche, alle abonnierten Newsletter nachlese, und es dann fast wie ein Magazin mit vielen schönen Kolumnen ist. Was ich auch mag, ist, dass, außer ich empfehle konkret einen, nach außen unsichtbar bleibt, wessen Newsletter ich lese und mag, meine Lektüren sind nicht Teil der Lagerdynamiken in Sozialen Medien. Manchmal ist es wohltuend, einen geschützten digitalen Leseraum zu haben. Man kann nicht 24/7 nackt im Internet stehen, das hält man auf Dauer nicht aus.

Guerlica 

Auch ein Teil vom NEUjahr


Zurück zu den Vormunden, wir sehen uns nächste Woche wieder. Seid lieb, nur nicht zu Nazis. 

XOXO,
Frau Frohmann  

Sehr herzlichen Dank für freundlichen Kapitalismus in Gestalt von Steady-Abo (Öffnet in neuem Fenster)-Abschlüssen und -Nichtkündigungen sowie Einkäufen im Verlagsshop (Öffnet in neuem Fenster). Weiter so!

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