Parteien, ihre Mitglieder und ihre Probleme
Hallo,
diese Woche ist es unvermeidlich, dass ich hier noch ein paar Gedanken über Parteien mitteile. Waren doch sowohl die Linke, als auch die Grünen diese Woche mein Arbeitsschwerpunkt. Weil ich den Grünen-Parteitag eher spontan und nicht vor Ort verfolgt habe, hat der Newsletter diese Woche auch ein durchdachtes Bildkonzept. Ihr könnt sehen, wie ich den Parteitag verfolgt habe.
Aber der Reihe nach, fangen wir mit der Linken an, die hat sich in Augsburg zum Parteitag getroffen. Große Erneuerung, dies das, alle sind ganz froh, dass Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger*innen weg sind. Das konnte man in zahlreichen Artikeln (Öffnet in neuem Fenster) lesen. Dass die Partei noch zahlreiche Klärungsprozesse vor sich hat, konnte man ziemlich exemplarisch an der Nahost-Debatte (Öffnet in neuem Fenster) sehen, in der doch einige unsägliche Positionen vertreten wurden.
Mein Thema bei der Linken war allerdings ein anderes, ein Nebenaspekt, eine Kleinigkeit, wie ich dachte. Vor einigen Wochen war ich auf einen “linksradikalen, hedonistischen” Aufruf unter dem Titel “Wir/Jetzt/Hier (Öffnet in neuem Fenster)” gestoßen. Es wurde dazu aufgerufen, in die Linke einzutreten, massenhaft, gleichzeitig, die Linke sollte als Oppositionskraft gestärkt und damit gleichzeitig die AfD geschwächt werden. Der Kontakt zu den Initiator*innen war einfach, wir verabredeten uns, am Tag des Eintritts (Montag) ein Interview zu veröffentlichen.
500 Linksradikale treten in Die Linke ein (Öffnet in neuem Fenster)
Die Reaktionen darauf haben mich dann doch überrascht. Manche beschwerten sich über den Begriff “Linksradikale”, was ich damit meinte, “Chaoten” und “Steineschmeißer”? Andere fragten nach Namen, wer da denn jetzt genau eintritt. Zwei Reaktionen, die mir doch ein bisschen was verraten haben. “Linksradikal” ist offenbar ein Begriff, der nicht bei allen Menschen positiv besetzt ist, nicht einmal bei nd-Leser*innen. Ich werde mir das merken müssen.
Die andere Erkenntnis: ich muss weiter lernen zu verstehen, wie Menschen in Parteien ticken. Bei mir kam ganz gut an, dass die Koordinierungsgruppe des linksradikalen Masseneintritts sehr betont hat, dass die Menschen in den Basisgruppen aktiv werden wollen und erstmal keine Ämter anstreben. Nach Parteienlogik wäre es aber offenbar leichter, wenn man ein, zwei Gesichter hätte, denen man ein Amt versprechen kann. Ich kann mir jedenfalls vorstellen, dass die Neumitglieder die Linke bereichern können, so wie ich es mitbekommen habe, sind da einige dabei, die seit Jahren in Initiativen gute politische Arbeit machen. Solche kann die Linke bestimmt gebrauchen.
Über die Mitglieder der Grünen habe ich mir vor dem Parteitag auch einige Gedanken gemacht, es gab gute Anlässe dafür: ein offener Brief mit hunderten Unterschriften, der der Parteiführung vorwarf, beim gesellschaftlichen Rechtsruck mitzumachen, ein Antrag gegen Asylrechtsverschärfungen von der Parteijugend.
Stoppschilder für die Führung (Öffnet in neuem Fenster)
In einem Kommentar habe ich fast schon eine Rebellion der Basis herbeigeschrieben und vor einer dauerhaften, inneren Beschädigung der Partei gewarnt.
Verantwortung oder Prinzipien (Öffnet in neuem Fenster)
Tja, das Aufbegehren ist bislang ausgeblieben. So wie ich es gesehen habe, lag das maßgeblich an klugen Reden von Omid Nouripour und Robert Habeck. Der Parteivorsitzende hat die Mitglieder gegen den Feind nach außen eingeschworen, und Robert Habeck, in einer Mischung aus Instagram-Card und Fernsehphilosoph, dafür geworben, dass ohne die Grünen alles noch viel schlechter wäre. Das kam bei den Delegierten offenbar gut an.
Krise – nicht bei den Grünen (Öffnet in neuem Fenster)
Ein paar Beobachtungen, für die in meinen Texten kein Platz mehr war. Auffällig, wie wenig Platz der Osten eingenommen hat. Um 0 Uhr gabs auf der Parteitagsbühne mal ein Gruppenfoto von Delegierten, in deren Bundesländern nächstes Jahr Wahlen stattfinden. Die Ost-Grünen erklärten, dass es bei ihren Wahlen um nicht weniger als die Demokratie gehe. Ihnen wurde Unterstützung im Wahlkampf versprochen. Nach zehn Minuten war der Ausflug in den Osten vorbei. Interessant fand ich auch, wer nicht zu hören war. In den letzten Jahren sind viele, oft junge Grüne in den Bundestag und Landesparlamente eingezogen. Oft Menschen, die sich in ihrem Themenfeld stark mit einem rebellischen Gestus profiliert haben. Ich hätte aus diesem Spektrum schon mit deutlicher Kritik an ihren Parteikolleg*innen in Regierungsverantwortung gerechnet.
Zwischen diesen ganzen Parteien habe ich mich noch ein wenig mit dem Nahost-Konflikt und der außerparlamentarischen Linken beschäftigt. In Köln fand am Sonntag eine Friedensdemo statt. Die Veranstalter*innen haben sich, dass muss man, auch wenn man pazifistischen Positionen kritisch gegenüber steht, viel Mühe gegeben, mit ihrem Protest differenzierte Positionen zu vertreten. Kritik blieb trotzdem nicht aus. In Eisenach war die Sache ziemlich eindeutig. Linke Antisemit*innen wollten an einer Antifa-Demo teilnehmen. Sie wurden ausgeladen, haben das nicht akzeptiert, die Demo wurde abgesagt. Ich denke, die außerparlamentarische Linke muss in eine ernsthafte Debatte treten, wo Abgrenzung notwendig ist, wie die Abgrenzung aussehen kann und welche inhaltlichen Differenzen man bereit ist auszuhalten.
Mit wem sollst du gehen? (Öffnet in neuem Fenster)
Zum Schluss möchte ich euch noch auf zwei Meldungen aus dem, mittlerweile alltäglichen, Wahnsinn hinweisen:
In Bad Salzuflen wurde der Rohbau einer Kita angezündet (Öffnet in neuem Fenster). An der Fassade war eine antisemitische Parole zu lesen.
In Velbert gab es diese Woche einen SEK-Einsatz bei einer Abschiebung (Öffnet in neuem Fenster). Ein Mann aus Georgien wollte sich im Falle seiner Abschiebung selbst verletzen. Der Mann wurde mit einem Taser überwältigt, befindet sich jetzt im Krankenhaus.
Das war´s für diese Woche.
Beste Grüße
Sebastian