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Hanns Heinz Ewers - Der Mann aus Düsseldorf (1922)

Liebe Leserinnen, Liebe Leser, 

Josef Stalin wird der Satz "Ein Toter ist eine Tragödie, eine Millionen Tote sind eine Statistik" zugeschrieben und so ungerne man es auch zugeben will: Er hat dabei leider Recht. Die großen Zahlen mit den Millionen Toten und die Statistiken zu den Verwundeten und Vermissten schaffen es selten das Grauen eines Krieges begreifbar zu machen. Oder kann von euch jemand die Zahlen aus dem Ukraine-Krieg wirklich begreifen? Sie sind zu abstrakt. Was ist schon der Unterschied zwischen 1.000 und 10.000 und 100.000 Toten? Eine oder zwei Nullen auf dem Papier. Große Zahlen kann man so schwer mit dem Gehirn verstehen. 

Die großen Zahlen verdecken auch alles Leid im Kleinen. Die individuelle Trauer und Verzweiflung. Der Geist schützt sich bei großen Zahlen instinktiv auch davor sie wirklich in ihrer Grauenhaftigkeit zu erfassen. In der heutigen Reportage berichtet Hanns Heinz Ewers über einen Mann, der im Nachgang des Ersten Weltkrieges vom Leid anderer profitieren zu versucht. Und gerade das zeigt die menschliche Tragödie, die hinter der amtlichen Statistik "Vermisst im Felde" steht. 

Lodz, 17. XI. 1922

Welch trostlose, jämmerliche Dreckstadt; selbst Pittsburgs ist nicht  schlimmer, Herrn Carnegies Paradies! Gestern hatte ich einen Vortrag,  den andern habe ich übermorgen – zwei Tage erzwungener Ferien in diesem  Pfuhl! Morgen fidelt der Kubelik, übermorgen singt Battistini – so bin  ich für die Abende versorgt. Aber tagsüber?

– – – Ich wurde unterbrochen; ein junger Mann war bei mir, der klagte  mir sein Leid. Natürlich waren neun Zehntel erlogen von dem, was er mir  vorjammerte; aber das stimmte sicher: er hatte keinen Heller, und er  wollte nach Hause, nach Düsseldorf. Und da ich auch aus dieser schönen  Stadt sei, so meinte er –

Na und so weiter. Also ich gab ihm das Geld. Und jetzt weiß ich auch, was ich Ihnen heute schreiben soll, lieber Herr v. S.

Äußerst unbeliebt bin ich in meiner Vaterstadt; kein Mensch bekümmert  sich da um meine Kunst und mich und hat's nie getan – es sei denn  gelegentlich ein Steuerbeamter. Nie hat je ein Düsseldorfer Theater ein  Stück von mir gegeben – die doch sonst in manchen Städten gespielt  wurden; nie hat ein Verein mich zu Vorlesungen aufgefordert. Tagtäglich  bringt mir die Post ein paar Schreiben, die um ein Autogramm bitten; nie  hab ich eine solche Bitte aus Düsseldorf bekommen. Ich weiß nicht,  warum; aber die Düsseldorfer sind eben dauernd bös mit mir – sie  können's nicht gut vertragen, daß einer der Ihren über ihre Stadt und  über Deutschland hinaus in der ganzen Welt »berühmt« sei – oder  berüchtigt, wie sie es gewiß nennen! Gott, diese Berühmtheit! Ist nicht  jeder lausige Politiker mehr bekannt? Und was hat man davon, daß man in  einem Dutzend Sprachen und mehr gelesen wird – zum Butterbrot langt's ja  noch grade, aber zum Kaviar nimmer!

Das will nun durchaus nicht sagen, daß mich die Düsseldorfer nicht  kennen. Sie kennen mich vielmehr recht gut: wo immer ich in der Welt  bin, findet gewiß ein Düsseldorfer den Weg zu mir. Dann – da draußen  irgendwo – erinnert er sich sehr gern an mich und sucht mich auf; da bin  ich sein geliebter und verehrter Landsmann und gut genug dazu, dies  oder jenes für ihn tun zu dürfen.

Das alles wäre niederzuschreiben nicht der Mühe wert, wenn's nicht so  außerordentlich bezeichnend für das Gemüt meiner lieben engern  Landsleute wäre. Es ist durchaus keine böse Absicht dabei; es ist  vielmehr die breite Indolenz des niederrheinischen Menschen, die bis zum  heutigen Tage selbst für Heine, den größten Sohn der Stadt, noch nicht  ein Fleckchen Erde zu einem Denkmal übrig hatte! Es gibt keinen  Düsseldorfer, der nicht draußen in der Welt – und die Düsseldorfer  kommen sehr weit herum, in allen fünf Erdteilen begegnet man ihnen –  sich mit stolzer Freude daran erinnern läßt, daß er ein Landsmann Heines  sei – nur durch diese eine kleine Tatsache ist ja Düsseldorf in der  Welt bekannt. Aber daheim denkt er nicht daran; eine innere Hochachtung  oder gar Ehrfurcht vor der Kunst, die dem Süddeutschen und besonders dem  Österreicher so eigen ist, ist dem Rheinländer vollständig fremd. Nicht  Düsseldorf muß dankbar sein, denkt er, daß Heine in der Bolkerstraße  geboren wurde – o nein. Heine soll vielmehr noch im Himmel dem lieben  Herrgott auf den Knien danken, daß ihn der in einer so wunderschönen  Stadt zur Welt kommen ließ.

So hat denn nie einer der Düsseldorfer, die in Amerika oder China, in  Rußland oder Indien den Weg zu mir fanden, je auch nur eine Sekunde  damit verschwendet, ein Wort mit mir zu sprechen – über mich.

Nun, ich muß gestehn, daß mir das stets sehr sympathisch war! Sie sprachen immer nur – von Düsseldorf.

** *

Von einem dieser Menschen will ich heute erzählen. Er war ein Metzger. Außerdem ein Mörder.

Ich war auf Porquerolles, einer der kleinen Inseln bei Hyères in  Südfrankreich. Die Heeresverwaltung der französischen Regierung benutzt  diese sehr hübsche Insel mit ihrem fast subtropischen Klima dazu, um die  Fremdenlegionäre, die in Tongking, Algier oder Marokko ihre Dienstjahre  beendet haben, in den letzten zwei Monaten wieder an das europäische  Klima zu gewöhnen. Von Dienst ist da natürlich nicht mehr die Rede;  außer dem abendlichen Appell wird kaum mehr etwas von den Leuten  verlangt. Die Legionäre träumen davon, wie sie nun wieder in die Heimat  zurückkehren wollen: man zahlt ihnen die Fahrt zu jeder gewünschten  Grenzstation und dazu die vertraglich ausgemachte Belohnung. Sie träumen  davon – in der Tat wird kaum einer von zehn wieder nach Deutschland  zurückkehren; Deutschland ist ja die Heimat der meisten. Denn fast jeder  der Legionäre hat irgendwas auf dem Kerbholz, wird von Gericht und  Polizei gesucht: da ist der Willkomm zu Hause nicht allzu freundlich.

Ich war noch nicht einen Tag auf der Insel, als schon ein Legionär ankam  und sich erbot, meine Stiefel zu putzen. Am nächsten Tage kam einer,  der meine Wäsche waschen wollte; dann ein dritter, der mir Tabak und  Wein aus der Kantine anbot, welche Dinge erstaunlich billig und also  vermutlich geklaut waren. Im Klauen übertrifft der Legionär sogar den  Matrosen: ›dekorieren‹ nennt man das in der Legionssprache. Immer mehr  Legionäre kamen an, um ein paar Extragroschen bei mir zu verdienen. Alle  konnte ich beim besten Willen nicht anstellen; so blieben schließlich  ein Pfälzer, ein Elsässer und ein Sachse in meinem Dienst.

Da kam einmal, auf meinen einsamen Spaziergängen, ein Legionär zu mir,  den ich schon öfter gesehn hatte, der mich aber niemals angesprochen  hatte. Er war ein kurzer, untersetzter Kerl mit dunklem, pomadisiertem  Haar und schwarzen, sehr stechenden Augen. Er hatte einen mächtigen  Buschen Margariten in der Hand und reichte mir den. Er habe gesehn,  sagte er, daß ich immer Blumen pflücke, und da habe er sich erlaubt –

»Et is doch richtig, dat Sie aus Düsseldorf sind?« schloß er.

Ich nickte.

»Ich auch!« sagte er und ging, noch ehe ich ihm eine Zigarette gegeben hatte.

Am nächsten Tage warnte mich der Sachse, der mir die Stiefel putzte. Mit  dem Kerl, dem Simons, möge ich mich doch um Gottes willen nicht  einlassen. Und diese Warnungen gingen weiter; jeder einzelne Legionär  warnte mich vor ihm. Aber nur einzeln, nur unter vier Augen; es schien,  daß jeder vor dem schwarzen Düsseldorfer einen Höllenrespekt habe.

Allmählich erfuhr ich seine Geschichte mit immer neuen Einzelheiten. Er  hieß gar nicht Simons, führte diesen Namen vielmehr nur in der Legion  und hatte auch Papiere auf diesen Namen. Er war Metzgergeselle; war als  solcher mit einem Kameraden, eben dem wirklichen Simons, auf  Wanderschaft gezogen. Hatte dann eines Abends im Ardenner Wald seinen  Freund totgeschlagen und ihn seiner Barschaft sowie seiner Papiere  beraubt. Die Gendarmen waren hinter ihm her; er entkam ihnen, rettete  sich in die Legion, die grundsätzlich keinen Reisläufer nach seinem  Vorleben fragt. Der Ermordete war längst, als ein völlig Unbekannter,  aufgefunden und von den Behörden begraben worden – so nahm der Mörder,  aus gottweiß welchen Zwangsvorstellungen heraus, des Ermordeten Namen an  und diente mit diesem Namen in Algier und Tongking.

Woher sie das alles wüßten, fragte ich meine Legionäre. Sehr einfach:  der falsche Simons hatte es in der Betrunkenheit selbst Dutzende von  Malen, und bis in die kleinste Einzelheit, erzählt. Mächtig noch damit  geprahlt, was er für ein Kerl sei!

Denn er war ein Kerl! Seinen Kameraden morden – das haben gewiß manche  Lumpen vor ihm getan. Aber dann als der Ermordete weiterzuleben und als  solcher von dessen Familie als Sohn und Bruder und Neffe anerkannt zu  werden, das soll einer diesem Manne aus Düsseldorf mal nachmachen! Und  grade das hatte er in unglaublich raffinierter Weise getan.

Eines schönen Tages hatte er, irgendwo aus der Sahara, an den Vater  Simons, der in einem kleinen Orte bei Köln eine gutgehende Metzgerei und  Gastwirtschaft hatte, dazu noch Landwirtschaft betrieb, einen Brief  geschrieben. Oft genug mochte ihm der totgeschlagene Freund auf der  langen Wanderschaft von seiner Familie erzählt haben; so wußte er, daß  es da eine Tante Sybilla, einen Onkel Josef gab und noch alle möglichen  Familienmitglieder, die er grüßen lassen konnte. Er erzählte in diesem  Briefe, daß er sich in der Trunkenheit für die Legion habe anwerben  lassen, daß er nun seine fünf Jahre herunterreißen müsse. Und er bat um  die elterliche Verzeihung.

Das alles malte er mühsam mit der linken Hand aufs Papier; schrieb, daß  er sich die Rechte verletzt habe und im Verband trage. Er gab seinen – o  nein, des Ermordeten! – alten deutschen Militärpaß bei und tat noch ein  paar Blümchen in den Brief.

Die Eltern Simons, die seit zwei Jahren von ihrem Sohne nichts gehört  hatten, waren überglücklich über diesen Brief des Verschollenen. Sie  antworteten sofort und legten ihrem armen Jungen fünfzig Mark bei, um  sich eine Freude zu machen. Daraus nun entspann sich ein regelmäßiger  Briefwechsel. Bald schrieb ›Simons‹ wieder mit der rechten Hand, aber  mühsam und hinmalend; er machte die Erklärung, daß er mit dem lahmen  Finger ganz neu wieder schreiben lernen müsse. Kein Legionär hat je so  treu mit seiner Familie korrespondiert wie er; die Sache lohnte sich:  nicht eine seiner Bitten um Geld blieb vergeblich. Ich habe eine Reihe  der Antwortbriefe gelesen; es ist kaum zu sagen, mit welch rührender  Liebe die Eltern an diesem ›Sohne‹ hingen. Noch mehr aber war dies der  Fall bei einem Bruder der Mutter, einem alten Junggesellen, der  ebenfalls Metzger und Landwirt war, und bei dem der Ermordete in die  Lehre gegangen war. Dieser Onkel Josef hatte längst sein Testament  gemacht: sowie der Neffe zurück sei aus der Legion, solle er alles  übernehmen.

Von dieser wilden Schwindelgeschichte wußten alle Legionäre. Alle haßten  ihn darum: manche mögen ihn nebenher auch beneidet haben über die  vielen Geldsendungen, die er aus der Heimat erhielt. Hundertmal wurde  dem Düsseldorfer gedroht, daß man den Schwindel aufdecken, den Eltern  Simons schreiben würde – aber nie wurde diese Drohung in die Tat  umgesetzt. Man bestiehlt sich gegenseitig in der Legion, man haßt sich,  schlägt sich – man verrät sich nicht. So ist der Geist der Legion.

Noch heute ist mir's ein Rätsel, wie der Düsseldorfer es fertigbrachte,  sich durch fast vier Jahre den Pseudoverwandten gegenüber nicht zu  verraten. Durch die Gespräche mit dem Ermordeten, noch mehr durch die  Briefe der Familie, hatte er Kenntnis der intimsten Familienverhältnisse  und spielte meisterlich sein Instrument.

Natürlich traf ich ihn oft. Nie lange, immer nur fünf Minuten. Er kam zu  mir; tauchte auch auf meinen Spaziergängen im Walde oder hinter einem  Felsen am Meere auf. Stets brachte er mir etwas, meist Blumen; zuweilen  auch eine Muschel oder einen komisch geformten Stein. Dann auch Futter  für meine Hunde – allgemach hatten alle die herrenlosen und  halbverhungerten Fixköter der Insel mich zu ihrem Patron erkoren, und  ich hatte eine Höllenarbeit, Fraß für sie zu besorgen. Eine Zigarette  nahm er wohl an von mir, sonst nichts – nun, er war ja der Krösus der  Legionäre, hatte grade wieder eine tüchtige Geldsendung erhalten – von  »zu Hause«.

Er sprach zu mir ebenso offen über diese Geschichte wie zu seinen  Kameraden. Er erzählte mir, daß er verabredet habe, sich mit dem Onkel  Josef in Luxemburg zu treffen; der würde ihm dahin entgegenfahren, ihn  dort neu einkleiden. Er zeigte mir diesen letzten Brief des Oheims, der  vor Freude zitterte, den geliebten Neffen in die Arme zu schließen, um  ihn dann den überglücklichen Eltern zuzuführen.

Ja, um aller lieben Heiligen willen, fragte ich, ob er sich denn  einbilde, daß der Onkel Josef und die Simons-Eltern ihn auch selbst als  ebenso echten Sohn annehmen würden, wie sie seine Briefe als echt  nahmen?

Der Mann aus Düsseldorf lachte. Nein, nein, natürlich nicht! Aber er  habe schon seinen Plan gemacht: von Paris aus würde er an den Onkel in  Luxemburg telegraphieren, daß ihm seine Barschaft und alle Sachen  gestohlen seien; er brauche sofort fünfhundert Mark, um sich auszulösen  und weiterzukommen. Der Onkel Josef würde ihm die ganz sicher  telegraphisch schicken: das sei dann sein letzter Schlag. Dann würde  Peter Simons, der Sohn, zum zweiten Male sterben oder verschellen. Wenn  er ihn nicht – und er lachte wieder sein kurzes, häßliches Lachen – nach  Jahren noch einmal wiederaufleben lassen könne – vielleicht von Amerika  aus!

Wer das liest, wird diesen Mann aus Düsseldorf, den ich wie alle  ›Simons‹ nannte, gewiß nicht sehr sympathisch finden. Und dennoch, ich  kann es nicht leugnen, mir war er – manchmal! – sympathisch, trotz  allem! Zu mir kam er – der einzige Düsseldorfer, den ich je kennenlernte  – um mir zu geben, nicht um von mir zu nehmen. Alle diese Einzelheiten  holte ich aus ihm heraus; er erzählte sie offen und schamlos genug –  doch kam er nicht deshalbzu mir. Er kam zu mir nur – um von Düsseldorf  zu sprechen.

»Waren Sie schon mal im ›Ürigen Willem‹?« fragte er. Und er strahlte,  als ich ihm sagte, daß ich manches Glas Bier da getrunken habe.

»Wo kauft denn Ihre Mutter das Fleisch?« erkundigte er sich.

»Auf der Marienstraße«, antwortete ich; »ich weiß nicht mehr, wie der Metzger heißt.«

Er besann sich nicht lange: »Heinrichs«, rief er sachverständig: »Heinrichs heißt der! Da wird sie gut bedient!«

Alles, was Düsseldorf war, hatte etwas Mystisch-Heiliges für ihn – mich  liebte er, nur weil ich Düsseldorfer war. Daß meiner Mutter Garten an  den Garten des Franziskanerklosters stieß, erschien ihm ungeheuer  wichtig und merkwürdig. So weit ging diese seltsame Liebe, daß er sich  in meine lächerlichsten Sonderlichkeiten wie in etwas ganz  Selbstverständliches einfühlte. Er hatte bemerkt, daß ich, wie die  Blumen, so auch alle Tiere gern hatte, daß es mir ein sehr zuwideres  Gefühl war, irgend etwas Lebendiges totzutreten.

»Nehmen Sie sich in acht!« rief er einmal auf einem Waldweg und stieß  mich zur Seite. Bückte sich, hob eine Raupe auf, die ich nicht gesehn  und beinahe zertreten hatte, trug sie sorgsam vom Wege in den Wald.

Dieser selbe gottverdammte Kerl, der seinen besten Freund auf solchem  Waldweg hinterrücks erschlagen hatte und nun sich selbst seit langen  Jahren den Eltern des Ermordeten als Sohn anlog!

Nie nannte er mir seinen Namen; nie sagte er mir, aus welcher Straße er  stamme, oder in welcher Düsseldorfer Metzgerei er gelernt habe.

»Leck' mich in de Täsch!« lachte er, wenn ich ihn danach fragte.

Eines Tages war er verschwunden. Abgereist, mit andern Legionären, ohne Abschied zu nehmen.

O ja, ich hab mir's oft überlegt, ob ich den Simons-Eltern und dem guten  Onkel Josef reinen Wein einschenken sollte. Ein paar schöne Briefe habe  ich ihnen geschrieben – und alle zerrissen. Wie es war, war ihr armer  Sohn zum zweitenmal verschollen. Und sie durften hoffen, immer noch!  Vielleicht lebt der abenteuernde Junge irgendwo in der Welt; vielleicht  wird er, nach Jahren, doch den Weg finden ins Heimathaus. Sollte ich  ihnen sagen: o nein, liebe Leute, ermordet ist er, vor manchen Jahren  schon!? Und ihr habt dem Mörder selber eure Geldbörse geöffnet, wie euer  Elternherz. Nein, nein, ich habe ihnen nicht geschrieben. Nun sind sie  lange schon tot – nun kann ich diese Geschichte erzählen.

Diese Geschichte von einem feigen, jämmerlichen Mörder. Von einem  abgefeimten Schwindler, der mit den heiligsten Empfindungen seinen  gotteslästerlichsten Spott trieb. Und der, dennoch, ein menschliches  Gefühl hatte – in der Sehnsucht und Heimatliebe zu seiner Vaterstadt:  Düsseldorf!