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Queerer Kanon #7: Strega, den Hund überleben und Neuerscheinungen

Liebe Leser*innen,

die Verleihung des Deutschen Buchpreises an Kim de l'Horizon vor zwei Wochen hat den Blick auf (deutschsprachige) queere Literatur gerichtet. Gut So!, möchten wir sagen. Und hoffen, dass es sich nicht nur um ein kurzfristiges Interesse handelt, sondern queere Literatur auch langfristig mehr Platz in Verlagsprogrammen und der öffentlichen Wahrnehmung findet.

Wobei der diesjährige Bücherherbst mit einer Vielzahl an diversen queeren Veröffentlichungen zu überzeigen weiß. Einige davon stellt euch Marlon in unserer Rubrik Out & Proud vor. 

Auch Johanne Lykke Holms Roman Strega (aus dem Schwedischen von Hanna Granz) ist in diesem Herbst erschienen. Tobi analysiert, was diesen Text queer macht und wie geschickt er patriarchale Erwartungen unterläuft.

Kim de l'Horizon hat in diesem Jahr den Literaturförderpreis der Jürgen Ponto-Stiftung erhalten, der in den letzten Jahren erfreulich oft an queere Autor*innen ging. So im letzten Jahr an Stefan Hornbach, dessen Debütroman Den Hund überleben Marlon ausführlich vorstellt.

Zum Schluss möchten wir euch noch auf die Buchpremiere von Rakel Haslund-Gjerrilds queeren Roman Adam im Paradies (aus dem Dänischen von Andreas Donat) aufmerksam machen, die von Tobi moderiert wird.

Wie immer freuen wir uns auf euer Feedback, eure Fragen, Vorschläge und Kommentare.

Tobi & Marlon

Dem Zugriff des Patriarchats entzogen: Queerness in Johanne Lykke Holms Strega

Queere Literatur zeichnet wohl am stärksten ihre Absage an, ihre Verweigerung von (hetero-)normativen Strukturen aus. Diese Verweigerung, das Schreiben gegen die Norm(en), kann auf unterschiedlichsten Ebenen und Weisen geschehen und entzieht sich häufig dem Zugriff, scheut eindeutige Zuschreibungen, deren Ziel es doch ist, Komplexitäten auf simple Antworten zu reduzieren, Widersprüche glattzubügeln und klare Dichotomien zu erzeugen. Entweder... oder. Ja oder nein. 0 oder 1. Denn das Patriarchat beruht auf einem binären Weltbild, um funktionieren zu können.

Entziehen sich Texte diesen Zuschreibungen, die letztendlich auch Zugriffe sind, die gesellschaftlich gelehrt und gelernt werden, entsteht Irritation. Erwartungen werden enttäuscht, in ihrer Vorhersehbarkeit entlarvt. Das Besteck der Literaturkritik, des heteronormativ-patriarchalen Blicks müht sich oft vergebens, diese Texte greifen zu können. Löffel und Gabel bleiben unverrichteter Dinge leer und erscheinen nutzlos.

Ein Text auf den dies zutrifft, ist Johanne Lykke Holms gerade in der deutschen Übersetzung von Hanna Granz erschienener Roman Strega. Auf den ersten Blick erscheint der Roman vertraut. Lykke Holm bewegt sich souverän und selbstbewusst innerhalb literarischer und filmischer Genres, die mit tradierten Bildern, Stereotypen, Charakteren, Themen und Szenerien operieren. Ihre Erzählung ist irgendwo zwischen der viktorianischen Gothic Novel, der deutschen Romantik und dem Coming-of-Age angesiedelt und spielt mit expliziten Referenzen und impliziten Verweisen.

Dies zeigt sich vor allem auf inhaltlicher Ebene: In Strega stehen Mädchen an der Schwelle zum gesellschaftlichen Frausein im Mittelpunkt. Genau genommen sind es neun, sich optisch gleichende, junge Frauen, die in einem abgelegenen Hotel namens Olymp zu treuen Haus- und potentiellen Ehefrauen erzogen werden sollen. Das Hotel befindet sich außerhalb des nächsten Ortes in einer verwunschen erscheinenden Natur. Der pubertäre Schwellenzustand zwischen Kindlichkeit, sexuellem Erwachen und den gesellschaftlichen Erwartungen an eine erwachsene Frau, wird an den Rand der Gesellschaft delegiert.

Dort soll der, wie der queere Theoretiker Jack Halberstam ihn in seinem Werk In a Queer Time and Place (2005) beschreibt, in westlichen Kulturen erwünschte Reifeprozess stattfinden, der aus dem Heraustreten des*der Erwachsenen aus der gefährlichen und widerspenstigen Zeit der Adoleszenz besteht. Gefährlich ist die Pubertät dabei vor allem für das heteronormative Machtgefüge. Mit der erwachenden Sexualität und dem damit einhergehenden Begehren, erwächst auch der Wunsch nach Selbstbestimmung.

Dementsprechend muss das Begehren streng überwacht und gelenkt werden, noch bevor es sich dem patriarchalen Zugriff entziehen kann. Orte wie das Olymp in Strega sind heteronormative Erziehungsanstalten, deren Zweck die Normierung ist. Das Begehren und der Fokus der jungen Frauen, die hier durchgeschleust werden, soll auf Ehemann und Reproduktion gerichtet werden, ehe es sein volles, geschlechter- und normenübergreifendes und damit gefährliches, Potenzial entwickeln kann.

Die Ähnlichkeit zwischen Rafa, Lykke Holms Protagonistin, und ihren Altersgenossinnen, ist kein Zufall. Sie sind Platzhalterinnen für Generationen von Frauen, die patriarchale (Hetero-)Normierungsprozesse durchlaufen haben.

Am offensichtlichsten wird dies vielleicht in den wie Trockenübungen anmutenden täglichen Aufgaben. Das Ein- und Abdecken, Saubermachen und Vorbereiten des Hotels, das seit Jahren keine Gäste mehr empfängt, dient einzig und allein der Internalisierung des patriarchalen Rollenbildes. Ganz im Sinne des Foucaultschen Panoptismus sollen die jungen Frauen die gesellschaftlichen Normen verinnerlichen und sich so selbst disziplinieren, ohne dass es einer sichtbaren äußeren Instanz bedarf.

Dieser Eindruck verstärkt sich nicht zuletzt durch Lykke Holms so behände Verwendung von Referenzen, Verweisen und Genre-Stereotypen. So reiht sich das Olymp ein in eine Reihe ähnlicher Anstalten. Etwa Appleyard College, dem abgeschiedenen Mädcheninternat aus Joan Lindsays neoviktorianischem Klassiker Picnic at Hanging Rock (1967) oder - in jüngerer Vergangenheit - dem Hospital in Yael Inokais Ein simpler Eingriff (2022).

Auch das Personal des Hotels erscheint vertraut. Die Damen erinnern an die Gouvernanten der viktorianischen Literatur, die mit strengem Blick ihre Zöglinge beäugen und meist als alte Jungfern dargestellt werden, welche der Sexualität abgeschworen haben. Sie agieren als Handlangerinnen des heteronormativen Patriarchats, als Ausnahmefrauen, deren Aufgabe es ist, das System am Leben zu erhalten.

Doch auch ihre Macht ist begrenzt, wie sich nach und nach herausstellt. Denn die räumliche Abgeschiedenheit, die für die Überwachung der Adoleszenz so wichtig ist, geht Hand in Hand mit einer zeitlichen Abgeschiedenheit. Das Olymp liegt nicht nur außerhalb des Ortes Strega, es ist auch - im wahrsten Sinne des Wortes - aus der Zeit gefallen. Dort herrscht, was Halberstam "Queere Zeit" nennt. Diese ist "losgelöst von der heteronormativen, reproduktiven Zeitlichkeit, die alle Vorstellungen des (Hetero-)Normalen und der Respektabilität aufrechterhält." (eigene Übersetzung)

Es mag im ersten Moment überraschen, dass gerade eine solche Konformitätsanstalt sich innerhalb eines queeren Zeitspektrums befinden soll. Schaut man genauer hin, ist es das aber keineswegs. Denn wo die jungen Frauen unter sich sind, können sich etwa homophile Bünde entspinnen, wie etwa zwischen Rafa und Alba. Ihre Sehnsüchte und ihr Begehren können nicht gänzlich kontrolliert werden. Sie brechen sich Bahn in surrealen Träumen und erotischen Fantasien.

Der gesellschaftliche Alltag, auf den sie vorbereitet werden sollen, ist fern; die Arbitrarität und Künstlichkeit ihrer Aufgaben kann jederzeit sichtbar werden. Alles ist in der Schwebe, noch vage und ungewiss. Genau darin liegt das queere Potenzial der Situation.

Dies verdeutlicht sich sowohl im Titel (Strega ist das italienische Wort für Hexe) als auch in einem Traum Rafas, der sich als die Anfagsszene von Dario Argentos Horrorklassiker Suspiria (1977) entpuppt. Denn Hexen leben losgelöst von Patriarchat und heteronormativen Strukturen. In ihrer selbstbestimmten Handlungsmacht und Sexualität können sie als queere Figuren außerhalb der Vorstellungen des Hetero-Normalen angesehen werden, was sie von jeher zu ultimativen Feindbildern patriarchaler Gesellschaften macht.

Dem Hexenmotiv stellt Lykke Holm das der Nonne gegenüber. Das einzige Haus in der Nähe des Olymp ist ein Kloster. Ein Ort der Keuschheit und Entsagung, dessen Zeitlichkeit auf das ewige Leben gerichtet ist. Der Austausch zwischen beiden Häusern ist spärlich, meist wird Abstand gehalten. Dabei spiegeln sie sich. An beiden Orten werden ritualisierte Routinen befolgt, der Alltag ist fremdbestimmt.

Doch scheint das Klosterleben auf die jungen Frauen eine gewisse Anziehung auszuüben. Offeriert es doch auf seine Weise einen Weg, sich und seinen Körper dem Zugriff des Patriarchats zu entziehen. Zum Preis der eigenen Sexualität. Wobei auch die katholische Kirche einer strengen, patriarchal geprägten Hierarchie unterworfen ist, die Flucht unter Umständen also keine ist.

Dass das Patriarchat jederzeit auf den eigenen Körper zugreifen, sich in diesen einschreiben kann, ist Rafa und den anderen stets bewusst. Schon am Anfang beschreibt sie den Körper einer Frau als Tatort eines Verbrechens, das schon stattgefunden hat. Sich aus dieser Fremdbestimmung zu befreien, vom Objekt der (hetero-)männlichen Sexualität zum selbstbestimmten Subjekt zu werden, scheint nur dadurch möglich, einen eigenen Tatort zu schaffen, wie Alba konstatiert. Also ein eigenes Begehren, eine eigene Sexualität zu entwickeln, losgelöst vom Reproduktionsfokus.

Genau dies scheint zu passieren, als Cassie, eine der neun jungen Frauen, verschwindet. Die umfassende Suche nach ihr befördert nur Kleidungsreste und Erinnerungsstücke herauf, die das Schlimmste vermuten lassen. Was genau geschehen ist, geschweige denn, ob Cassie noch lebt, lässt Lykke Holm effektvoll offen. 

Das Verschwinden muss indes nicht Resultat einer Gewalttat sein. Vielmehr kann sich Cassie dem Zugriff des Patriarchats entzogen, ihren eigenen Tatort geschaffen haben. Ähnlich wie die verschwundenen Mädchen in Lindsays Picnic at Hanging Rock, deren plötzliche Abwesenheit das heteronormative Gleichgewicht ins Wanken bringt. Sie muss die reale Welt nicht einmal verlassen haben. Als queere Figur, beziehungsweise als Frau, die ihr Begehren und ihre Sexualität selbst bestimmt, ist sie für den patriarchal-heteronormativ geschulten Blick der anderen schlicht nicht mehr sichtbar. Sie hat sich ihm und seinen Zwängen und Erwartungen entledigt.

Durch die intertextuellen Referenzen konfrontiert Lykke Holm die Lesenden auf der Metaebene darüber hinaus mit deren eigenen Blick und ihren Erwartungen. Sie erzeugt Spannung durch das Spiel mit den (Genre-)Versatzstücken, unterläuft sie aber gleichzeitig immer wieder. Der Wiedererkennungswert ähnelt dem Uncanny-Valley-Effekt und dem Freudschen Unheimlichen: Alles erscheint merkwürdig vertraut und gleichzeitig fremd. Als hätte eine kleine Verschiebung stattgefunden. Der Text entgleitet den Zuschreibungen und Erwartungen ebenso wie Cassie dem Patriarchat.

Wenn Rafa am Ende als Dreißigjährige mit ihrem Sohn dem Olymp einen Besuch abstattet, wirkt es auf sie, als sei die Zeit still gestanden. Sie kann nicht sehen, was sie nicht zu sehen gelernt hat. Doch lässt uns Lykke Holm mit einer Irritation zurück. Rafas Sohn gräbt am Springbrunnen des Hotels und scheint etwas zu finden, dass ihn kurz zum Schreien bringt. Etwas Glitzerndes, eventuell ein Überrest von Cassie, ein Gruß aus einer anderen Zeit. Ein Aufblitzen queeren Potenzials. (Tobi)

Johanne Lykke Holms Roman ist im AKI Verlag erschienen (Öffnet in neuem Fenster).

Stefan Hornbach: Den Hund überleben

Stefan Hornbachs Debütroman Den Hund überleben ist ein Coming-of-Age-Roman, der die Themen Queerness und Krankheit vereint. Dabei stellt der Autor gekonnt die Konventionen auf den Kopf, die Leser*innen aus vergleichbaren Romanen kennen könnten.

Die Diagnose stellt Sebastians Leben auf den Kopf: Krebs mit gerade einmal 24 Jahren. Sebastian, der gerade noch seine Freundin Su in Paris besucht hat und sein Leben als Student und Single genießt, muss für die Behandlung zurück zu seinen Eltern ziehen.

Stefan Hornbachs Roman zeigt eindringlich, wie schnell ein Mensch durch eine Krankheit zum*r Patient*in degradiert werden kann und in die Passivität gedrängt wird. Im Gegensatz zu anderen Romanen mit ähnlicher Ausrichtung verliert sich die Geschichte aber nicht im Pathos. Stattdessen besticht Den Hund überleben durch eine gewisse Leichtigkeit und auch durch Humor, ohne sich deswegen dem Ulk hinzugeben.

Vielleicht ja auch, weil Stefan Hornbach das Thema bereits in seinem Theaterstück Über meine Leicheverarbeitet hat. Ein Stück, das sich nicht davor scheut, sich dem Absurden hinzugeben. Womöglich liegt es aber auch daran, dass Hornbach in seinem Leben ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Das macht aus dem Text allerdings keinen autobiographischen Roman. Denn der Autor hat in Den Hund überleben nicht seine eigenen Erfahrungen verarbeitet, sie dienten ihm viel mehr als Wissensgrundlage.

Die Leichtigkeit des Romans findet sich auch im Umgang mit Queerness wieder. Kurz nach seiner Diagnose lernt Sebastian Linus kennen. Erstaunlicherweise – und das muss tatsächlich so gesagt werden – ist Den Hund überleben keine Coming-of-Age-Geschichte bezüglich Sebastians Sexualität. Es gibt kein Coming-Out, keine Selbstzweifel, die überwunden werden müssen. Die Liebesgeschichte ist vielmehr Beweis dafür, dass das Leben weitergeht – auch mit der Diagnose Krebs.

Den Hund überleben ist ein herrlich unprätentiöser Roman. Seine Stärke liegt darin, dass er Sebastian als Figur und seine Erkrankung ernst nimmt, der Krankheit deswegen aber nicht das Feld räumt oder – schlimmer noch – sie zum Ausdruck eines inneren Konflikts macht, den die Figur überwinden muss, um zu gesunden und am anderen Ende des Kampfes als besserer Mensch hervorzugehen. Dem Roman gelingt auch deswegen das seltene Kunststück, zu unterhalten, ohne trivial zu sein, sich einer ernsthaften Thematik zu widmen, ohne zu belehren. (Marlon)

Stefan Hornbachs Roman ist im Hanser Verlag erschienen (Öffnet in neuem Fenster).

Out & Proud: Aktuelles & Neuerscheinungen

Das Herbstprogramm der deutschsprachigen Verlage ist, was Queerness betrifft, äußerst spannend – wenn auch wie zu erwarten sehr männerlastig. Ich (Marlon) lese mich aktuell durch einen Großteil der Neuerscheinungen, komme mit dem Schreiben der Rezensionen aber kaum hinterher. Daher mache ich aus der Not eine Tugend und präsentiere hier meine queeren Lektüren der letzten Wochen im Kurzformat.

Im Wagenbach Verlag sind gleich zwei queere Romane erschienen: Virtuoso von Yelena Moskovich und Hinterher von Finn Job.

Yelena Moskovich: Virtuoso (aus dem Englischen von Conny Lösch, erschienen bei Wagenbach) (Öffnet in neuem Fenster)

Moskovichs Debütroman erzählt von zwei Freundinnen, die gemeinsam im sowjetischen Prag aufwachsen, und sich viele Jahre später durch Zufall in Paris wiedertreffen. Es geht um Liebe, Tod, Erotik und Kapitalismus. Geschrieben ist das Ganze tatsächlich virtuos, denn als Leser*in wird man hier durch eine Traumlandschaft wie man sie von David Lynch kennt, gejagt. Das ist ziemlich cool und ziemlich großartig.

Finn Job: Hinterher (ebenfalls Wagenbach) (Öffnet in neuem Fenster)

Finn Jobs Debütroman ist eine Mischung aus Popliteratur, Marcel Proust und Heroin Chic. Der namenlose Protagonist, von allen nur Boy genannt, flieht nach einer Trennung mit einer Drogenbekanntschaft in eine halb renovierte Villa im Süden Frankreichs. Wirklich zu fassen bekommen habe ich den Text nicht, auch über einen Monat nach der Lektüre. Ob das nun gut oder schlecht ist, vermag ich bisher noch nicht zu beantworten. 

Andreas Stichmann: Eine Liebe in Pjöngjang (erschienen bei Rowohlt (Öffnet in neuem Fenster))

Als Buchpreisblogger für den Deutschen Buchpreis habe ich außerdem Eine Liebe in Pjöngjang von Andreas Stichmann lesen dürfen. Die Geschichte zweier Frauen, die sich in Nordkorea auf einer Diplomatenreise kennenlernen, erzählt von einer Liebe zwischen Nähe, Misstrauen und Abhängigkeit. Stichmanns Prosa ist schlicht und klassisch, deswegen aber nicht altbacken. Der Roman strotz dank seiner untypischen Heldin Claudia Aeschbach vor Humor und ist zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für die Dichtung.

Alexander Graeff: Queer (erschienen im Verlagshaus Berlin (Öffnet in neuem Fenster))

Auch im Verlagshaus Berlin sind spannende Veröffentlichungen dabei. Während ich noch dabei bin, Kevin Junks Gedichtband RE: re: AW: Liebe fertig zu lesen, habe ich Alexander Graeffs Essay Queer bereits ausführlich vorgestellt. Aber auch hier möchte ich eine Leseempfehlung aussprechen für alle, die sich über die Beziehung zwischen Queerness, Sprache und Lyrik interessieren.

Simon Fröhling: DÜRRST (erschienen im bilgerverlag (Öffnet in neuem Fenster))

Simon Froehling hat mit DÜRRST nach elf Jahren seinen zweiten Roman im Bilger Verlag veröffentlicht, der – genau wie Kim de l’Horizions Blutbuch – für den Schweizer Buchpreis nominiert ist. Das Buch erzählt von der Erkenntnis, leben zu wollen, von einem Leben mit einer psychischen Krankheit und der Frage, ob wir die Vergangenheit je ganz hinter uns lassen können. Fröhlings Roman schlägt dabei einen Bogen von James Baldwins Giovanni’s Room, über Édouard Louis‘ Im Herzen der Gewalt bis hin zu Fritz Zorns Mars. Wer Lust auf wahnsinnig gute Literatur hat, kann hier unbesorgt zugreifen.

Kim de l’Horizon: Blutbuch (erschienen bei DuMont (Öffnet in neuem Fenster))

Auch Blutbuch möchte ich hier noch einmal empfehlen. So radikal wie Kim de l’Horizon hat schon lange niemensch mehr Form, Inhalt und Thematik eines Textes zusammengeführt und gleichzeitig auseinandergenommen. Einen so unverschämt queeren Text als Gewinnertext des Deutschen Buchpreises zu sehen, hätte ich vor kurzem noch für unmöglich gehalten. Aber auch unabhängig von dem ganzen Buchpreis-Gerede hat das Buch die Aufmerksamkeit mehr als verdient.

Holger Brüns: Felix (erschienen bei Albino (Öffnet in neuem Fenster))

Felix von Holger Brüns habe ich zwar erst etwas mehr als zur Hälfte durch, will ihn hier aber trotzdem schon erwähnen. Wann habe ich das letzte Mal beim Lesen meine Begeisterung im Selbstgespräch zum Ausdruck gebracht? Ich weiß es nicht, aber ich bin mir sicher, dieser Roman hat viele Leser*innen verdient. Brüns Text ist in den 80er Jahren in der autonomen Szene von Göttingen angesiedelt, liest sich aber unheimlich aktuell: Gentrifizierung, Proteste gegen Wohnungsknappheit, AIDS – Brüns zeigt, dass wir viel von der Vergangenheit lernen können.

Nun widme ich mich aber wieder meiner Lektüre, denn auf mich warten noch die Texte von Rakel Haslund-Gjerrild, Khaled Alesmael, Musa Okwonga, Paul Bokowski, John Henry Mackay und Rafael Chirbes. Der queere Leseherbst ist also gesichert. (Marlon)

In eigener Sache

Am 08.11. moderiert Tobi in der Berliner Ocelot Buchhandlung die Buchpremiere von Rakel Haslund-Gjerrilds Roman Adam im Paradies, der in der ersten Person aus dem Leben des queeren dänischen Malers Kristian Zahrtmann erzählt. Im Gespräch mit der Autorin und dem Übersetzter Andreas Donat wird es um Zahrtmann und seine Kunst, Queerness im Roman und den Übersetzungsprozess gehen. 

Karten gibt es an der Abendkasse. Bereits letzte Woche hat Tobi im Rahmen eines Instagram Lives mit Andreas über das Buch und seine Übersetzung gesprochen. Das Gespräch könnt ihr euch hier (Öffnet in neuem Fenster) ansehen.

https://www.genialokal.de/buchhandlung/berlin/ocelot/Veranstaltungen/ (Öffnet in neuem Fenster)

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