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Solidarität mit Flüchtlingen

Liebe Leserschaft, liebe Engagierte, 

Vielleicht wollen auch Sie den verzweifelten Menschen helfen, die mit Nichts fliehen mussten. Dann sollten Sie weiterlesen. 

Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, ein Bett, eine Dusche und eine warme Mahlzeit müssen schnell und unbürokratisch organisiert werden.
Wo werden die Flüchtlinge die nächsten Wochen leben?
Wie sieht die langfristige Lösung aus, wenn eine Rückkehr in die Ukraine auf absehbare Zeit unmöglich wird?
Die Flüchtlingsversorgung trifft auf eine bereits angespannte Wohnungssituation in den deutschen Städten. Preiswerter Wohnraum fehlt schon lange. Neue preiswerte Wohnungen werden nicht plötzlich aus dem Boden sprießen.
Also müssen wir zusammenrücken.
Eine tolle mehrsprachige Kontaktaufnahme zwischen Suchenden und Anbietern finden Sie unter https://unterkunft-ukraine.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

Was ist juristisch zu bedenken?

a) Kurzfristige private Unterbringung bis 3 Monate

Ukrainer sind vom ersten Tag an visumfrei und damit legal im Land und können sich im Bundesgebiet frei bewegen. Sie müssen ihren Aufenthaltsstatus nicht erst bestätigt bekommen, wie dies bei Asylsuchenden der Fall ist. Prinzipiell können geflüchtete Ukrainer auch privat unterkommen. Es gelten jedoch die Meldepflichten beim zuständigen im Einwohner- und Meldeamt.

In Bayern leben und arbeiten 30.000 Ukrainer. Viele Flüchtlinge werden bei Verwandten und Freunden unterkommen.

Unproblematisch ist die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen in Privateigentum.

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen in privaten Mietwohnungen sieht es komplizierter aus:

Die Aufnahme der nächsten Angehörigen (Tochter, Schwiegersohn, Enkel, und Geschwister (str.)) sowie die kurzfristige Aufnahme von Besuchern gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch. Als Besuch gelten in der Regel 6 bis 8 Wochen, können im Einzelfall auch bei mehrmonatigen Aufenthalt noch als Besuch gewertet werden.

Hier ist zwar keine Erlaubnis des Vermieters erforderlich, es empfiehlt sich aber bei längerer Aufnahme von Besuch oder entfernteren Verwandter den Vermieter hierüber zu informieren, damit dieser z.B. im Hinblick auf die künftigen Betriebskosten-abrechnungen einen personenbezogenen Verteilerschlüssel umstellen kann.

Im Übrigen bedarf die Gebrauchsüberlassung an Dritte der Zustimmung des Vermieters. Der Mieter muss sein berechtigtes Interesse vortragen und evt. auch eine Erhöhung der Miete wegen stärkerer Gebrauchsabnutzung akzeptieren.

Die Überlassung eines Teils des Wohnraums einem Dritten ohne Zustimmung, bei Überbelegung in erheblichen Umfang oder Störung der übrigen Hausbewohner könnte den Vermieter berechtigen, das Mietverhältnis wegen vertragswidrigen Gebrauch  außerordentlich fristlos zu kündigen.  

b) Vorübergehender Schutz für zunächst 1  Jahre

Für den weiteren anschließenden Aufenthalt müssen sich die Flüchtlinge mit der zuständigen Ausländerbehörde in Verbindung setzen.

Die Europäische Union hat die sog. „Massenzuzugsrichtlinie“  zunächst für 1 Jahr aktiviert.  2001 wurde als Folge der Balkankriege ein Richtlinie zum temporären Schutz von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten geschaffen. Den Schutzsuchenden werden damit eine Arbeitserlaubnis, eine Krankenversorgung und Zugang zu Bildung und zur Sozialhilfe garantiert.
Insofern können die Flüchtlinge Wohnraum anmieten und durch eigenes Arbeits-einkommen bzw. über die Sozialhilfe bezahlt - soweit  Wohnraum mit angemessenen Mietkosten vorhanden ist.

Umgang mit Flüchtlingen in einer Genossenschaft

Viele junge Wohnprojekte haben für sich den Anspruch gemeinwohlorientiert und solidarisch zu agieren. Wie kann und darf eine Genossenschaft in der aktuellen Situation juristisch korrekt agieren?

a) Die Genossenschaft kann zunächst die oben beschriebenen mietrechtlichen Regelungen analog anwenden und die Aufnahme von Verwandten und Besuchern in den Wohnungen der Genossen großzügig handhaben. Eine Zustimmung durch den Vorstand könnte generell in Aussicht gestellt werden. Die Dauernutzungsentschädigung kann unverändert bleiben. Bei der Abrechnung der Betriebskosten (insbesondere bei einem personenbezogenen Verteilungsschlüssel) sollte korrekt abgerechnet werden.

b) Die Genossenschaft könnte Gemeinschaftsräume oder Gästezimmer den Flüchtlingen zeitweise zur Verfügung stellen. Hier ist im Einzelfall zu klären, ob eine Nutzung durch Nichtgenoss:innen laut Satzung erlaubt ist und wie die Nutzung bislang kostenmäßig gehandhabt wurde. Soweit Flüchtlinge wie „normale Gäste“ behandelt werden, kann der Vorstand allein entscheiden.
Bei Sonderregelungen sollte jedoch ein gemeinsamer Beschluss erwirkt werden. Aktuell wird die emotionale Verbundenheit mit den Flüchtlingen eine einvernehmliche großzügige Lösung begünstigen.

c) Sollte eine Wohnung aktuell nicht belegt sein, muss der Vorstand vorab klären,

  • ob laut Warteliste und Vergaberegelung ein Genosse Vorrang hat.
    Weder Vorstand, noch die Mehrheit der Genossen können sich darüber hinwegsetzen. Der/die übergangene Genoss:in könnte klagen.

  • ob die Wohnung den Kriterien der Sozialhilfe entspricht und der Flüchtling berechtigt ist. Dies bedarf der Rücksprache mit der Kommune. Die Miete wäre damit gesichert.

  • ob die steuerschädliche Grenze von 10 % durch die Vermietung an einen Nichtgenossen überschritten wird und möglicherweise der Verlust der Körperschaftssteuer droht.

Die Vergabe von Wohnraum an Nichtgenoss:innen und/oder der Ausfall von Einnahmen (Mietfreiheit) bedeutet für den Vorstand ein großes persönliches Haftungsrisiko. 

Der Vorstand ist ausschließlich dem Wohle der Genossenschaft verpflichtet.

Es kann von Vorstand erwartet werden, dass er in jeder Lage den Vorteil der  Genossenschaft wahrt und Nachteile von ihr abwendet. Voraussetzung ist immer, dass unternehmerisches Handeln auf der sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungs-grundlagen beruht (alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen). Der unternehmerischer Handlungsspielraum ist überschritten, wenn das Risiko unvertretbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe für die Eingehung des Risikos ersichtlich sind.

Vom Aufsichtsrat ist zu erwarten, dass er seine Überwachungspflichten ernst nimmt.
Auch Mehrheitsentscheidungen in einer Generalversammlung sind riskant, da jeder überstimmte Genosse eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss führen könnte.

d) Genossenschaften, die bereits in ihrem Satzungszweck die Versorgung von Flüchtlingen, Asylbewerbern, einheimische Bedürftige mit Wohnraum normiert haben, können natürlich problemlos agieren. Möglicherweise gibt es Genossenschaften, die das staatliche Sofortprogramm zwischen 2015 - 2019 genutzt haben. Neue Genossenschaften könnten 2022 folgen.

Fazit:

Es ist festzustellen, dass der Bedarf an Wohnungen nochmals steigen wird. Flüchtlinge, Asylbewerbern, Studenten, einheimische Geringverdiener, Alleinerziehende mit Kinder, ... sie alle suchen auf dem freien Wohnungsmarkt.
Wohnprojekte können begrenzt helfen.

Kleine Anmerkung als Rechtsanwältin
Es mag sein, dass Leser:innen sich innerlich empören über die „deutsche Bürokratie“. Mag sein, dass vieles nicht perfekt ist. Wir alle müssen schmerzhaft lernen, was es bedeutet, wenn jemand alle Regeln des Miteinander missachtet und nur das Recht des Stärken gilt. Regeln, so gut oder schlecht sie sind, helfen unser Miteinander zu ordnen und zu regeln. Sie können Streit vermeiden, da jeder weiß, was von ihm erwartet wird. 

Angelika Majchrzak-Rummel

Nachtrag:

veröffentlicht als Rechtstipp bei der Stiftung Trias 

https://www.stiftung-trias.de/aktuelles/solidaritaet-mit-der-ukraine/ (Öffnet in neuem Fenster)

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