Zum Hauptinhalt springen

Mieter retten ihr Haus 

1. Ausgangssituation:

Ein Privatmann ist Eigentümer eines Mietshauses in einer deutschen Großstadt. Er möchte verkaufen. Einige Mieter:innen wollen verhindern, dass ein Investor das Haus kauft. Die Mieter:innen wollen ihr Haus "retten" und als Gruppe  selbst das Haus kaufen, um es später in eine WEG umzuwandeln.
(alternativ könnten sie weiterhin Mieter bleiben > Modell Miethäuser-Syndikat
s. Nr. 7)

2. Vorbereitung zum Kauf des Bestandsobjektes:

Es ist ratsam rechtzeitig zu klären, ob das Bestandsobjekt in einem Gebiet mit angespannten Wohnungsmärkten liegt und ob es eine Länderverordnung gibt, die die Anwendung von   

regelt.

Die Mieter:innen müssen klären, wer sich finanziell an dem Kauf des Hauses beteiligen könnte und möchte. Die Beteiligung von Privatleuten außerhalb der Mietergruppe ist möglich. Es sind aber die Ausführungen unter Nr. 5 zu bedenken.

Im Grundbuch ist das Bestandsobjekt als Einheit eingetragen.
Insofern müssen sich alle Interessierten zunächst zu einer Kauf-GbR zusammenfinden, um gemeinsam das Bestandsobjekt zu erwerben.

Es wäre denkbar, dass die GbR im Außenverhältnis das Bestandsobjekt erwirbt, aber bereits im Kaufvertrag die geplante Aufteilung in Wohnungseigentum dokumentiert wird. Dafür würde es ausreichen, die noch aufzuteilenden Wohnungen im Kaufvertrag derart konkret zu bezeichnen, dass sie in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem Grundstück und mit einem Kaufpreisanteil konkretisiert sind. Diese Gestaltung würde das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB (Öffnet in neuem Fenster) auslösen vgl. Nr. 5.

Für die Gestaltung des Kaufvertrages und die Gestaltung des Gesellschaftersvertrages zum Zeitpunkt des Kaufvertrages sind verschiedene Ausprägungen möglich. Die Wahl wird beeinflusst durch die Vorstellungen der Gesellschafter:innen in Hinblick auf die eigene Absicherung und der unterschiedlichen Kosten (Beurkundungskosten, Grunderwerbsteuer).
Ich verweise auf meine Ausführungen in #24 Beurkundungspflicht für GbR-Verträge (Öffnet in neuem Fenster).

3. Gesellschaftervertrag und Kaufvertrag sind beurkundet ... und nun?

Alle Gesellschafter sind im Außenverhältnis als Gesamtschuldner verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis und alle Nebenkosten (Notarkosten, Grundbuchkosten, Grunderwerbsteuer) zu tragen. Im Innenverhältnis sind die jeweiligen konkreten Kostenanteile über den Gesellschaftervertrag geregelt.

Für die Fälligkeit des Kaufpreises ist es notwendig, dass der Notar abgeklärt, ob die Kommune ihr gesetzliches Vorkaufsrecht §§ 24, 25 BauGB ausübt oder nicht. Von diesem Recht können die Kommunen - insbesondere in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt nach § 201 a BauGB (Öffnet in neuem Fenster) - Gebrauch machen. Nach und nach setzen immer mehr Bundesländer das Baulandmobilisierungsgesetz in Landesverordnungen um.

Der Verkauf der Wohnungen vom Privatmann an die GbR hat für die Mieter, die nicht an der GbR beteiligt sind, zunächst keinerlei Auswirkungen. Die GbR tritt in alle laufenden Mietverträge ein „Kauf bricht nicht Miete“. Die GbR als Vermieterin muss für Versorgung, Versicherung und Instandsetzung sorgen und die Nebenkostenabrechnung übernehmen. 

Auch die Mieter, die sich als Gesellschafter:innen an der GbR beteiligt haben, müssen weiterhin die vertraglich vereinbarte Miete an die GbR zahlen. Diese Mieten können als "Eigenkapital in Raten" bei der jeweiligen Kostenbeteiligung der Gesellschafter:innen berücksichtigen werden.

Nach § 577a Abs. 2 BGB (Öffnet in neuem Fenster) gelten Kündigungsbeschränkungen auch für den Fall, dass vermieteter Wohnraum an eine Personengesellschaft (= GbR) veräußert worden ist. Die Sperrfrist wird in diesen Fällen schon mit Eintragung der GbR in das Grundbuch ausgelöst. Eine spätere Begründung von Wohnungseigentum führt jedoch nicht zu einem erneuten Beginn des Laufs der Sperrfrist.

4. Umwandlung in Wohnungseigentum:

Die GbR wird zunächst als Eigentümer:in im Grundbuch eingetragen (Auflassung). Danach ist die GbR berechtigt, entsprechende Anträge auf dem Weg zur Umwandlung in Wohnungseigentum zu stellen. Durch die Umwandlung in Wohnungseigentum wird für jede Wohnung ein eigenes Wohnungsgrundbuchblatt gebildet. Nur so kann jede Wohnung eigenständig veräußert, vermietet oder vererbt werden.

Die Umwandlung geschieht in mehreren Schritten:

a) Soweit gewünscht / notwendig ist eine Baugenehmigung für bauliche Maßnahmen zu beantragen. Maßnahmen zur sog. Erreichung der Abgeschlossenheit, für den Brandschutz, zur Schaffung weiterer Wohnflächen oder Neugestaltung der Fassade sind denkbar.

Auf Basis dieser neuen Baugenehmigung oder einer alten Baugenehmigung (Herausgabe vom Verkäufer verlangen) ist die sogenannte Abgeschlossenheitsbescheinigung zu beantragen. 

Diese Abgeschlossenheitsbescheinigung hat neben den baulichen auch rechtliche Voraussetzungen.

Zu den rechtlichen Voraussetzungen gehört die Genehmigung nach § 250 BauGB iVm Ländergesetz. Ohne Landesverordnung können Kommunen keinen Gebrauch vom Genehmigungsvorbehalt machen. Das Umwandlungsverbot gilt in Berlin und Hamburg und seit 01. Juni 2023 bis 31.12.2025 in Bayern für 50 bayerische Städte und Gemeinden (Öffnet in neuem Fenster).

Nur wenn die Abgeschlossenheitsbescheinigung vorliegt, kann eine Teilungserklärung beurkundet werden.

b) In der Teilungserklärung werden die künftigen Wohnungen als Sondereigentum gebildet. Jedes Sondereigentum ist verbunden mit einem konkreten Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum (x/1000). In der Teilungserklärung wird zudem das Miteinander der Wohnungseigentümer geregelt – Basis ist das Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Die Teilungserklärung ist für die nächsten Jahrzehnte die Basis aller Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

c) In einer separaten Urkunde wird das - in der Teilungserklärung abstrakt gebildete - Sondereigentum an den einzelnen Gesellschafter der GbR übertragen.
Sind alle Sondereigentumsanteile verteilt, alle Verbindlichkeiten der GbR im Außenverhältnis erfüllt oder abgesichert und hat ein Verwalter für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Verwaltung übernommen, wird die GbR aufgelöst. Diese Urkunde wird Auseinandersetzungsvertrag genannt. Erst durch diese Urkunde und den Vollzug der Urkunde im Grundbuch erhält der Gesellschafter der GbR seine Wohnung innerhalb der WEG.

Bis dahin können - vom Kauf des Mietshauses bis zur eigenen Wohnung - Monate vergehen.  Neben Grunderwerbsteuer und Baukosten müssen 10-15 % des Kaufpreises für Notar, Grundbuch, Genehmigungen und professionelle Beratungen kalkuliert werden.

5. Umgang mit Mieter einer Wohnung, die nicht Gesellschafter der GbR geworden sind:

Je nach Gestaltung des GbR-Vertrages (hier:  Verkauf an GbR mit dem Zweck konkretes Wohnungseigentum zu begründen) muss der Verkäufer oder ein Dritter den Mieter über den Inhalt des Kaufvertrages und die Möglichkeit des Vorkaufsrechtes schriftlich informieren. Mit Zugang der Mitteilung wird eine zweimonatige Ausschlussfrist in Gang gesetzt, in der der Mieter die Ausübung des Vorkaufsrechtes schriftlich erklären kann. Der durch die Ausübung des Kaufvertrages entstandene Kaufvertrag ist nicht beurkundungspflichtig, da der Mieter in den bereits beurkundeten Kaufvertrag mit allen Rechten und Pflichten eintritt.

In Anbetracht der vielen praktischen Probleme, sollte jedoch die Möglichkeit eines Vorkaufsrechtes vermieden werden.

Auf die Mieter, die nicht Gesellschafter der GbR sind, hat der Akt der Umwandlung in Wohnungseigentum (vgl. Nr. 4) zunächst keine Auswirkungen.

Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen muss Mietern nicht angezeigt werden. Die GbR als umwandelnde Eigentümerin kann keinen Mietvertrag kündigen, keinen neuen Mietvertrag verlangen und der Mietzins kann auch nicht mit der Begründung "Umwandlung" neu festsetzen werden.

Interessant für den Mieter wird eine Umwandlung in Wohnungseigentum dann, wenn die umgewandelte Mietwohnung erstmals verkauft werden soll: Der Mieter kann dann nach § 577 BGB sein Vorkaufsrecht ausüben.

Der Auseinandersetzungsvertrag der GbR gilt nicht als Erstverkauf, da die jeweiligen Gesellschafter:innen nur den entsprechenden Bruchteil erhalten, mit dem sie vorher an der GbR beteiligt waren (gilt so bis 31.12.23).

Auch ohne Vorkaufsrecht ist der Mieter  geschützt.

Die Kündigungssperrfrist für ordentliche Kündigungen nach § 577 a BGB läuft weiter.

Diese Frist kann sich in Gebieten mit angespannter Wohnraumversorgung von 3 auf 4, 5, 6, 7, 8, 9 oder auch 10 Jahre verlängern, wenn die Landesregierung dies durch Rechtsverordnung bestimmt.

Nach Ablauf der Kündigungssperrfrist hat der Vermieter, wenn er kündigen will, ein eigenes berechtigtes Interesse nachweisen. Es sind die gesetzlichen Kündigungsfristen einzuhalten, die bis zu 9 Monaten betragen können. Die Kündigung kann erst nach Ablauf der Sperrfrist ausgesprochen werden.

Schließlich steht dem Mieter auch das Widerspruchsrecht nach der Sozialklausel des § 574 BGB zu. Diese Möglichkeit besteht, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, dessen Familie und Haushaltsangehörigen eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Vermieterinteressen nicht zu rechtfertigen wäre.

Bei Sozialwohnungen gilt eine besondere Kündigungssperre. Der Käufer der umgewandelten Sozialwohnung darf so lange wegen Eigenbedarf nicht kündigen, wie die gekaufte Eigentumswohnung den Bindungen für Sozialwohnungen unterliegt. Auch bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Gelder kann die Bindung fortbestehen.

Gesellschafter:innen der GbR, die nicht Mieter des zu erwerbenden Hauses sind, müssen sich darauf einstellen, lange Zeit nur vermieten zu können - ohne Aussicht auf Eigennutzung. 

Sollten diese zu einem späteren Zeitpunkt ihr Sondereigentum veräußern wollen, so gilt dies als Erstveräußerung und löst das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB aus.

6. Politische Einordnung 

Ohne Mileuschutz (§ 172 BauGB) haben Mieter nur wenig Schutz vor teueren Modernisierungsmaßnahmen, die zu Mieterhöhungen führen.

Vielfach erfahren die Mieter von Verkaufsabsichten nichts und werden von  einem Mitteilungsschreiben zur Ausübung ihres Vorkaufsrechtes überrascht.
Auf den beurkundete Kaufpreis zwischen Verkäufer und Dritten haben sie keinen Einfluss und hier gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die allenfalls bei Sittenwidrigkeit enden (das müsste Mieter gerichtlich klären).
Die Chance für Mieter, Eigentum zu bilden, kann häufig nicht genutzt werden.

Hier hat der Immobilienverband Deutschland IVD, Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Sachverständigen und Verwalter e.V. in seiner "Immobilienpolitische Reform-Agenda des IVD, Das Sowohl-als-auch-Prinzip" 2020 folgende Vorschläge: 

7. Das Modell Miethäuser-Syndikat 

In dieser Variante verhindert eine ausgeklügelte juristische Konstruktion die Immobilie dauerhaft der  spekulativen  Vermarktungsmöglichkeit. 


Kategorie juristische Fachthemen

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von projekt-wohnen von Rechtsanwältin Majchrzak-Rummel und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden