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Newsletter 02 / 24 * Wir sind die Demokratie

Liebe Leserinnen und Leser, 

in meinem monatlichen Newsletter teile ich meine persönlichen Gedanken. Dabei ist es mir wichtig, einen ganzheitlichen Blick zu bewahren und nicht nur über einzelne rechtliche und steuerliche Fragen zu schreiben. 

Momentan beschäftigen mich die bundesweiten Proteste, als auch die ausbleibenden Proteste. Insbesondere geht es in diesem Newsletter um die geplante Generalklausel § 246e BauGB und die damit verbundenen negativen Auswirkungen. Ich setze mich dafür ein, dass Menschenrechte auch auf kommunaler Ebene eine große Bedeutung haben und dass Proteste eine wichtige Rolle für die Demokratie und im Kampf gegen Rassismus und Faschismus spielen. Ich stelle die Frage, ob gemeinschaftliche (Wohn)Projekte ihr Potential stärker auf die Wirkung in ihrer Kommune ausrichten sollten und plädiere für eine verstärkte Vernetzung in der Zivilgesellschaft und für Empowerment > übrigens mit Fördermittel 😉.

Beim Kommunaldialog zum Thema “Wohnen im ländlichen Raum” hat unsere Bundesbauministerin Klara Geywitz überraschend deutlich den Kommunalvertreter:innen geraten, lauter aufzutreten. In unserer Aufmerksamkeitsökonomie sind es leider oft diejenigen, die am lautesten sind, die sich durchsetzen. Im Bereich "Bauen und Wohnen" sind dies vor allem die Lobbyisten für Neubauten. Die Ministerin selbst würde gerne andere Schwerpunkte setzen, als das, was durch den Druck der Lobby immer wieder auf die Agenda gesetzt wird.  

Ob sie damit auch den geplanten § 246e BauGB meint?


Der geplante § 246e BauGB (Öffnet in neuem Fenster) soll den "Bau-Turbo” starten. Demnach soll in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bis Ende 2026 für Projekte mit mehr als sechs Wohnungen von den Vorschriften des BauGB umfassend abgewichen werden können. Dabei werden wichtige Grundsätze wie eine geordnete städtebauliche Entwicklung, gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Umweltverträglichkeit, Öffentlichkeitsbeteiligung und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums komplett vernachlässigt. Sogar im bauplanungsrechtlichen Außenbereich soll diese Regelung gelten! Ein Bauzwang ist jedoch nicht vorgesehen, so dass die Bodenspekulation neue Blüten treiben kann.

Mittlerweile hat sich eine breite Protestbewegung gebildet, die jedoch in der Öffentlichkeit und den Kommunen noch weitgehend unbemerkt bleibt.
Die Bundesarchitektenkammer hat den Appell vieler Verbände veröffentlicht:

https://bak.de/presse/pressemitteilungen/bundesarchitektenkammer-gegen-den-geplanten-%c2%a7-246e-baugb/ (Öffnet in neuem Fenster)

Im Podcast des Instituts für Städtebau und Wohnungswesen spricht dazu der ehemalige Planungsdirektor der Stadt München Stephan Reiß-Schmidt:

https://stadtrederei.podigee.io/31-auf-einen-kaffee-in-der-stadtrederei-mit-stephan-reiss-schmidt (Öffnet in neuem Fenster)

Der bundesweite Protest

Die Proteste auf den Straßen für Demokratie, Menschenrechte und gegen Rassismus und Faschismus sind deutlich hörbar und sichtbar - endlich. Nürnberg trägt aufgrund seiner historischen Verantwortung den Titel "Stadt der Menschenrechte". Martina Mittenhuber vom Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg betont, dass den Kommunen eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen einer globalisierten Welt zukommt. Die Stadt ist einerseits ein Raum der Begegnung, des Austauschs und der persönlichen Entfaltung, aber auch ein Ort, an dem sich die Widersprüche und Risiken globaler Entwicklungen bündeln. Im kommunalen Raum treten Probleme wie öffentliche und private Armut, Jobunsicherheit, Arbeitslosigkeit und die mangelnde Wertschätzung unterschiedlicher kultureller und sonstiger Orientierungen sowie vielfältige Formen der Diskriminierung und soziale und räumliche Segregation auf, die zu Konflikten führen. Daher müssen wir uns auf kommunaler Ebene immer wieder die Frage stellen, wie ein friedliches und respektvolles Zusammenleben angesichts dieser Problemdichte gestaltet werden kann. Wie können wir das Verständnis fördern, dass kulturelle Vielfalt eine Bereicherung des städtischen Lebens darstellt? Wie können wir allen Bewohner:innen, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Altersgruppe, ein Leben in Würde, Gerechtigkeit und Sicherheit ermöglichen? Eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung im Jahr 2019 hat ergeben, dass die Verbundenheit mit der eigenen Kommune ein entscheidender Faktor für politische Stabilität ist. Wenn die Bürgerinnen und Bürger diese emotionale Bindung verlieren, wird dies zum Nährboden für Populismus und Extremismus.

Die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger sieht die Ursache dieser Erscheinungen in der sinkenden Bereitschaft in der Gesellschaft, mit einer zentralen Herausforderung der Demokratie zu leben: nämlich der Notwendigkeit, sich gegenseitig zu unterstützen. Demokratie ist keine Ein-Mann-Show, kein individuelles Selbstverwirklichungsprojekt und kein Egotrip. Die Herrschaft des Volkes setzt voraus, dass wir uns als Kollektiv begreifen, uns als grundsätzlich gleich akzeptieren und den Werten, Wünschen und Meinungen des anderen dieselbe Berechtigung zusprechen wie den eigenen. Demokratie ist die Freude an der Unterschiedlichkeit, das Wissen darum, dass eine Vielzahl von Perspektiven eine Bereicherung sind, weil sie dabei helfen, die Probleme unserer Zeit zu lösen.

In einer repräsentativen Demokratie ist es jedoch verstörend, dass Unternehmensvorstände (über ihre Lobby), die weder gewählt noch demokratisch legitimiert sind, mit ihren unternehmerischen Interessen deutlich mehr Gehör finden als die Interessen der Bürger:innen oder zukünftiger Generationen. Diejenigen, die vom »Weiter so« profitieren, sind sehr gut organisiert, finanzstark und vernetzt.

Gleichzeitig beklagt die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ (Öffnet in neuem Fenster)seit Jahren eine Zunahme von Tendenzen zur Selbstzensur bei gemeinnützigen Organisationen - selbst bei Sport- oder Kulturvereinen.

Das Ringen um mehrheitsfähige Entscheidungen ist somit von einem strukturellen Ungleichgewicht der Kräfte geprägt.

Zu den gut organisierten Feinden der Demokratie gehören die rechtsradikalen und identitären Organisationen. Eine ihrer Methode ist es, positiv besetzte Begriffe wie Meinungsfreiheit, Heimat, Menschenrechte, „Leben in Gemeinschaft“ oder Gemeinwohl in ihrem Sinne umzudeuten (z.B. Corona-Impfung als Verletzung der Grundrechte, Hassäußerungen als Meinungsfreiheit, etc). So werden unsere Werte “gekapert“ und gleichzeitig durch Fake News und Lügen “einseitig gelenkt”.

Es ist sehr wichtig, darauf zu achten, was tatsächlich mit einer Begrifflichkeit gemeint ist. Es ist oft schwierig zu erkennen, wer sich hinter Projekten oder Zusammenschlüssen verbirgt.

Es freut mich, dass sich immer mehr Organisationen klar positionieren.
Das “Netzwerk Frankfurter für gemeinschaftliches Wohnen” wollte gewappnet sein, um sich gegen Mitgliedsanträge von entsprechenden Gruppierungen distanzieren zu können. Im Prozess der Entwicklung der Leitlinie hat sich das Netzwerk beraten lassen. Durch Erläuterung, welche Gruppierungen, Personen oder Begrifflichkeiten relevant sein könnten, wurde eine Sensibilisierung aller möglich.

https://www.gemeinschaftliches-wohnen.de/pressemitteilung-leitlinien/ (Öffnet in neuem Fenster)

Und wie geht es weiter?

Wenn wir bereits über gemeinschaftliche Wohnprojekte sprechen, möchte ich provokativ fragen, wie das Engagement für solche Projekte angesichts der Krisen und Herausforderungen der Transformation einzuschätzen ist.

  • Ist der Fokus in vielen Projekten zu sehr auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ausgerichtet?

  • Sollten Projekte nicht viel mehr darauf abzielen, eine positive Wirkung innerhalb ihrer Kommune zu erzielen?

  • Stecken viele Gruppen nicht zu viel Energie in interne “Kleinigkeiten” und erfinden ständig das Rad neu?

  • Sollten die Gründer nicht (auch) auf den Ideenreichtum kommender Bewohner:innen vertrauen?

Ein tolles Vorbild ist der BOB CAMPUS in Wuppertal:

https://www.montag-stiftungen.de/ueber-uns/montag-stiftung-urbane-raeume/neues/230405-nominierung-bob-campus-polis-award-2023 (Öffnet in neuem Fenster)

Wie ist Ihre Meinung? Kennen Sie andere Projekte? Schreiben Sie mir gerne.

Der Mehrwert von Demokratie und Gemeinschaft soll dort erfahrbar gemacht werden, wo Menschen sich häufig aufhalten. (Wohn)Projekte haben viel Potential, das nur selten über die eigenen Mitglieder hinaus für Dritte erlebbar ist. Ich bin der Meinung, dass sich Projekte in ihrer Vielfalt untereinander und mit anderen lokalen Organisationen austauschen und vernetzen sollten: das Wohnprojekt mit dem Gartenbauverein oder der Volkshochschule; die kirchliche Friedensinitiative mit der lokalen Tafel oder dem Karnevalverein. Warum nicht gemeinsam im Quartier Müll sammeln, einen Besuchsdienst organisieren oder am politischen Diskurs aktiv beteiligen?

Die aktuellen Proteste haben mir gezeigt, dass unterschiedlichste Organisationen in kürzester Zeit gemeinsam Großes erreichen können, wenn sie ein gemeinsames Ziel haben. Sollte es nicht unser aller Ziel sein, unsere freiheitliche Verfassung zu schützen und unsere Lebensgrundlagen für unsere Kinder und Enkelkinder zu erhalten und zu bewahren?

Lasst uns gemeinsam unsere Kreativität und unsere vielfältigen Erfahrungen nutzen. Was ist uns wirklich wichtig? Worauf können wir uns einigen? Und wie können wir dafür in unserem Umfeld sorgen?

Das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann:
kein Einzelner zu bleiben 👋

🗣 Für alle, die bereits geniale Ideen und Konzepte entwickelt haben und sie anderen zur Verfügung stellen möchten, gibt es den “Preis für offenherzige Weitergabe”. Zu gewinnen gibt es bis zu 10.000 € Preisgeld sowie individuelle Beratung zum Transfer eures sozialen Konzepts. Die Bewerbungsphase läuft bis zum 30. April 2024.

https://offenherzige-weitergabe.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

🗣 Der Bundesverband Soziokultur e.V. und die Robert Bosch Stiftung unterstützen Formate der Demokratiearbeit an Alltags- und Freizeitorten mit jeweils bis zu 50.000 Euro. Bewerbungen sind bis zum 10. März 2024 möglich.
Neues Förderprogramm für lokale Demokratieprojekte (Öffnet in neuem Fenster)


🗣Interessant ist eine die Neuerscheinung (als gedrucktes Buch oder als PDF) „Organisationen hacken“. Setzen wir den Hebel an, um das Know-how der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation zu stärken, um so dem aktuellen Ungleichgewicht entgegenzuwirken.
https://www.oekom.de/buch/organisationen-hacken-9783987260858 (Öffnet in neuem Fenster)


Auch gemeinsames Demonstrieren macht Spaß

Ihre Angelika Majchrzak-Rummel und Mitglieder “Runder Tisch Inklusion” (Öffnet in neuem Fenster) in Schwabach

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