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#50 Der Gesellschaftsvertrag der GbR 2024

Die “Gesellschaft des bürgerlichen Rechts” (GbR) und die “eingetragene Gesellschaft des bürgerlichen Rechts” (eGbR) sind eine Rechtsform.
Die §§ 705 ff BGB (Öffnet in neuem Fenster) haben sich deutlich verändert:

https://www.buzer.de/1_MoPeG.htm (Öffnet in neuem Fenster)

Durch die zwingende oder freiwillige Eintragung ins Gesellschaftsregister hat die eGbR eine andere Wirkung im Rechtverkehr. Sie signalisiert ihre Dauerhaftigkeit und genießt die sog. Publizitätswirkung, d.h. Dritte können sich auf die Eintragungen im Gesellschaftsregister verlassen.
Ab sofort können Sie selber suchen unter …

https://www.unternehmensregister.de/ureg/ (Öffnet in neuem Fenster)

Jede eGbR muss sich auch ins Transparenzregister anmelden:

https://steadyhq.com/de/projekt-wohnen/posts/9a84bf74-e96f-4bf5-8e99-6c2acd5a348d?secret_token=WVJOXrlcM8DaMR0iNesDVgAJyb1TB_0ixldITdH_TII8gyGi0r6aKzA6ONFF9NAD (Öffnet in neuem Fenster)

Die GbR hat im Moment noch ein schlechtes Image als Zwischenrechtsform von Baugruppen auf dem Weg zur WEG. Dabei hat die neue GbR das Potential mit den Rechtsformen eV, eG, GmbH & Co. KG gut konkurrieren zu können. Dafür ist ein neues Verständnis notwendig.

Die GbR ist kostengünstig und einfach zu gründen, insbesondere in der Findungs- und Planungsphase. So können mehrere natürliche Personen vereinbaren, sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammenzuschließen (mündlicher Gesellschaftsvertrag):
„Lasst uns gemeinsam ... mieten".
"Lasst uns als Gruppe am Wohnprojekte-Tag teilnehmen".

Wenn die Mitglieder der Gruppe einstimmig beschließen, im Rechtsverkehr (d.h. in der Öffentlichkeit) tätig zu werden, ist die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bereits entstanden. 

Zu Beweiszwecken und für eine größere Verbindlichkeit innerhalb der Gruppe empfiehlt sich ein schriftlicher Vertrag. Dieser Vertrag sollte nicht aus dem Internet kopiert werden (höchstwahrscheinlich alte Rechtslage). Er bedarf aber auch keiner notariellen oder anwaltlichen Prüfung oder Gestaltung. Es genügt vielfach, den Gesetzestext im BGB zu lesen und zu besprechen.

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Wenn die Gruppe mit diesen gesetzlichen Regelungen einverstanden ist, so wird der Vertrag sehr kurz:

  • Zweck und Name der Gesellschaft

  • Beginn und Dauer

  • Anmeldung zum Gesellschaftsregister wird / wird nicht gewünscht

  • Auflistung der Gesellschafter

  • Beiträge / Zahlungsverpflichtungen

  • Es gelten die gesetzlichen Regelungen nach §§ 705 ff BGB, soweit nachfolgend keine abweichenden Regelungen vereinbart werden 

  • Datum und Unterschriften aller Gesellschafter

Der Name der Gesellschaft ist sorgfältig zu formulieren. Es empfiehlt sich, frühzeitig einen eindeutigen, einprägsamen und eintragungsfähigen Projektnamen zu wählen, der sich nur durch die Rechtsformzusätze unterscheidet. 

Der Gestaltungsspielraum für die neue Gesellschaft ist groß.
Nachfolgend nur drei Beispiele:

Beispiel: Baugruppe auf dem Weg zum Privateigentum in einer WEG

Post #52 Baugruppe.2024 (Öffnet in neuem Fenster)

Beispiel: eGbR mit Immobilieneigentum

Anstelle einer Genossenschaft kann die eGbR eine eigene Immobilie erwerben und dauerhaft verwalten. Auf dem Weg von der Vision bis zur Projektrealiserung kann sich der Gesellschaftsvertrag mehrfach ändern.

Mit jedem wichtigen Projektabschnitt (z.B. Unterzeichnung des Optionsvertrages, Einreichung des Bauantrages, vor Abschluss des Kaufvertrages) wird der Gesellschaftsvertrag durch Nachträge oder insgesamt aktualisiert. Eine Beschlussfassung nebst Protokollierung - ohne formelle Vertragsänderung - ist nicht ratsam. Angesichts der zwingenden Einstimmigkeit bei der Zweckdefinition stellt dies immer auch eine "Sollbruchstelle" dar. Wenn jemand den nächsten Schritt nicht mitmachen möchte, scheidet er automatisch aus der GbR aus. Insofern kann es in der frühen Projektentwicklung auch zum Wechsel der Gesellschafter kommen. Daher ist auch die Liste der Gesellschafter immer zu aktualisieren.

Auch inhaltlich ändert sich der Vertragscharakter im Laufe des Projektes.
In der frühen Projektphase mit hoher Fluktuation sind die gesetzlichen Regelungen empfehlenswert: gleiche Beiträge und gleiche prozentuale Beteiligung für jeden Gesellschafter. Der Beitritt sollte eine ernsthafte Verbindlichkeit bekunden. Ein nicht rückzahlbares sog. Eintrittsgeld beim Beitritt hat eine hohe psychologische Bedeutung für die sichere Projektentwicklung. Das Ausscheiden sollte ohne große Hürden schnell und einfach möglich sein. Das finanzielle Risiko für jeden Gesellschafter sollte begrenzt sein (möglicher Verlust der Beiträge bei Kündigung).

Wenn die Beurkundung eines Kaufvertrages oder Erbbaurechtsvertrages bevorsteht, sind alle Gesellschafter verbindlich in das Projekt einzubinden. Ein Gesellschaftsvertrag mit Kaufverpflichtung muss und ein Vertrag mit Bauverpflichtung sollte notariell beurkundet werden. Vollmachten an einen geschäftsführenden Gesellschafter zur Anmeldung von Registereintragungen oder Eintragungen ins Grundbuch (z.B. Grundschuld) sind immer beurkundungspflichtig.
Dieser Gesellschaftsvertrag ist inhaltlich komplex. Das Projekt ist bestmöglich abzusochern. Beiträge, Beteiligungsquoten sowie Fälligkeiten sind verbindlich und gleichwohl flexibel zu regeln. Eine ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen. Alle Worst-Case-Szenarien sind zu bedenken. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Einzelnen und der Gruppe können durchaus divergieren. Neben den rechtlichen Möglichkeiten müssen insbesondere konfliktvermeidende Handlungsoptionen bedacht werden.

Der Gesellschaftsvertrag für die dauerhafte Verwaltung einer Immobilie als Gesellschaftvermögen ist derzeit noch ungewohnt. Als nicht bilanzierungspflichtige Rechtsform ist die Verwaltung im Vergleich zu anderen Rechtsformen deutlich kostengünstiger.
Die flexible Zuweisung von Wohnflächen zur Eigennutzung und von Flächen zur Gemeinschaftsnutzung - gegen Kostenerstattung - ist ein zentraler Regelungspunkt.
Daneben können verschiedene sonstige Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander vereinbart werden. Hierzu gehören vorrangig solidarische Mitwirkung-, Unterstützungs- und Arbeitspflichten zur Förderung des gemeinsamen Zwecks.

Bei Beitritt und Ausscheiden eines Gesellschafters aus der eGbR müssen sowohl die unterschiedlichen finanziellen Interessen des Einzelnen (§ 728 BGB - angemessene Abfindung für den Wert seines Anteils, Haftungsfreistellung), als auch der Zweck und die Liquidität der Gesellschaft abgewogen werden.
Im Gesellschaftsvertrag kann wahlweise festgelegt werden,

  • wie hoch die unterschiedlichen Beiträge sind und wann diese fällig sind ie

  • ob und wie bei jedem Gesellschafter der individuelle Anteil zur Schuldentilgung (inflations- / deflationsbereinigt) der Gesellschaft berücksichtigt wird;

  • ob und wie spekulative Wertgewinne berücksichtigt oder ausgeschlossen werden;

  • ob die Abfindung reduziert oder ausgeschlossen werden. Die geltende Vertragsfreiheit wird jedoch dahin gehend eingeschränkt, dass Abfindungsklauseln einer Inhalts- und Ausübungskontrolle unterliegen. Abfindungsregelungen sind so zu gestalten, dass sie nicht sittenwidrig und damit nach § 138 BGB nichtig sind

Der Gesellschafter ist formaljuristisch zwar nicht Wohnungsmieter, dennoch sollten mieterschutzähnliche Rechte in bestimmten Situationen berücksichtigt werden. Ein bedarfsgerechter Interessensausgleich sollte als nachvertragliche Treupflicht von beiden Parteien erwartet werden.

Beispiel: vereinsähnliche GbR

In Mietprojekten sollten sich Bewohner intern organisieren, um gegenüber dem Vermieter gemeinsam auftreten zu können oder um Gemeinschaftsräume als Gruppe anzumieten. Die meisten juristischen Laien sind mit dem Verein vertraut. Auch die GbR kann vereinsähnlich nach folgenden Maßgaben strukturiert werden:  

Solange ein Gesellschafter an der GbR beteiligt ist, kann er keine Ansprüche auf das Gesellschaftsvermögen geltend machen. Nur bei Auflösung der Gesellschaft oder bei Ausscheiden eines Gesellschafters können Zahlungsansprüche entstehen.

Beim Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod kann die Zahlung einer Abfindung, die dem Wert seines Anteils entspricht, vertraglich ausgeschlossen werden.

Beim Ausscheiden eines Gesellschafters zu Lebzeiten ist die Gesellschaft nach § 728 BGB verpflichtet, „den ausscheidenden Gesellschafter von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu befreien und ihm ein dem Wert seines Geschäftsanteils angemessenes Entgelt zu zahlen. Der Wert des Geschäftsanteils ist, soweit erforderlich, im Wege der Schätzung zu ermitteln“.

Die Gruppe hat folgende Handlungsoptionen.

  • Einerseits könnte das Engagement der Gründer von der nächsten Generation über Einlagen und Abfindungen ausgeglichen werden, um z.B. Instandsetzungen oder neue Projekte zu finanzieren.

  • Andererseits könnte die Abfindung reduziert oder ausgeschlossen werden. Da in Mietprojekten selten viel Kapital von den Gesellschaftern eingebracht wird, wäre die Schwelle zur Nichtigkeit kaum überschritten. 

Die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Gesellschafter kann nicht ausgeschlossen werden. Da jedoch primär das Gesellschaftsvermögen haftet und im Gesellschaftsvertrag vielfältige Absicherungen vereinbart werden können, ist das zusätzliche Risiko für den einzelnen Gesellschafter sehr begrenzt. Handelnde Gesellschafter werden gegenüber dem nicht-eingetragenen Verein deutlich bessergestellt.

Zur Kostendeckung können in der GbR laufende Beiträge (neben Eintrittsgeld und Einlage) auch „Mit-Mach-Leistungen“ vereinbart werden. Die GbR bietet wesentlich mehr Gestaltungsspielraum als das Vereinsrecht.

In einer Gesellschaft kann eine ordentliche Kündigung für die Zeit, in der jemand in einem Projekt gewohnt, problemlos ausgeschlossen werden. Der Ein- und Austritt von Gesellschaftern kann so zugunsten der Projektstabilität deutlich verbessert werden. Eine außerordentliche Kündigung ist jedoch unabdingbar.

Die Gestaltung der Versammlungen, die Wahl der Geschäftsführungs- und Vertretungsberechtigten und die Beschlussfassung können durch die Gruppe selbst bestimmt werden. Man kann sich ans Vereinsrecht anlehnen oder alternative Entscheidungsmethoden verankern.

mehr zu lesen

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Das Flipbuch ist passwortgeschützt und nur für Mitglieder mit MEHR-Wissen-ABO oder für MasterClass-Mitglieder zu lesen.

Die neue (e)GbR für Wohnprojekte - 
passwortgeschützt nur für Mitglieder. (Öffnet in neuem Fenster)

Eure Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin, Projektberaterin

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (Öffnet in neuem Fenster)


Kategorie juristische Fachthemen

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