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#51 Wie viel Potential haben Tiny Houses?

Liebe Leser:innen,

das Interesse nach den XS-Häusern ist hoch. Das konventionelle Bauen wird immer teurer, die Mieten steigen, die Energiepreise klettern. Auch Umweltaspekte, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit sind für viele Interessenten wichtig. Neben jungen Leuten, die minimalistisch leben wollen, ist auch die Altersklasse 50+ stark interessiert. Größe, Varianten, Ausstattung und Preise variieren stark. Es gibt mittlerweile mehr als 100 Anbieter und auch Architekten haben ein neues Tätigkeitsfeld für sich entdeckt.

In Abgrenzung zu Wohnwägen sind die Minihäuser grundsätzlich als Wohngebäude mit kompletter Sanitärausstattung konzipiert. Diese sind allenfalls für den gelegentlichen Standortwechsel geeignet. Eine offizielle Normierung oder Definition gibt es nicht.

Nachfolgend beleuchte ich

  1. Einsatzmöglichkeiten

  2. baurechtliche Aspekte

  3. sachenrechtliche Aspekte (Verhältnis zum Grundstück)

  4. Finanzierung

  5. Förderungen

Einsatzmöglichkeiten

Das schleswig-holsteinische Innenministerium hat in Zusammenarbeit mit der TH Lübeck eine Studie (Öffnet in neuem Fenster) zu Tiny Houses herausgegeben.

Studie Schleswig-Holstein über Tiny Houses

Kommunen, Privatpersonen oder Wohnungsunternehmen erhalten darin einen Überblick, welche Erwartungen sich durch ein Kleinsthaus erfüllen lassen und welche nicht. Insbesondere die Frage, ob die Kleinsthäuser massentauglich bezahlbaren Wohnraum bereitstellen können, stand dabei im Fokus. Auch wurde die Wohnform auf ihre Nachhaltigkeit untersucht.

Laut Studie leben Menschen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen in einem Tiny House. Sie haben sich vielmehr bewusst dafür entschieden, Wohnraum, Besitz, Kosten, Aufwand und die Verantwortung zu reduzieren und begreifen das vielfach als Befreiung. Hinter der Konzentration auf das Wesentliche stecken in der Regel eine Philosophie und ein persönlicher Lebensentwurf.

Kommunen und Investoren sehen laut Studie die Chance, versiegelte Areale oder kleine Restflächen zu bebauen oder zu verdichten. Das Kleinsthaus verspricht schnell und umweltfreundlich errichtet, versetzt, betrieben und entsorgt werden zu können. Zudem braucht es wenig Fläche und lässt sich an vielen Stellen einfügen.

Auch Siedlungen oder Tiny-Dorf-Projekte gibt es in einigen Bundesländern. Diese können kommunal initiiert werden - zunächst für die temporäre Unterbringung von Flüchtlingen, später für andere Zwecke.

Es gibt aber auch Siedlungen in Gemeinschaft, die der Konsumgesellschaft den Rücken kehren möchte wie z. B. https://wandelwohnpark.de/wandel-wohnpark/#ziel

Zudem sind auch kommerzielle Projekte denkbar z.B. Umwandlung von Campingplätze, als Nebenerwerb für Landwirte (Ferienhaus) oder um Arbeitskräfte anzulocken und zu halten.

Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten sind auch für Privatleute mit eigenem Grundstück interessant. Neben der temporären Nutzung von brachliegenden Flächen („Enkelgrundstück“) können Eigenheimgrundstücke bedarfsgerecht - auch für mehrere Generationen - neu geordnet werden. So kann das steuerlich abzugsfähige Arbeitszimmer oder Büro mit separaten Eingang im Garten entstehen. Tinyhäuser können helfen, Wohnraum besser zu verteilen. Soll das Tiny House als Alterswohnsitz genutzt werden, muss es vor allem eines sein: barrierearm. Auch mit Rollstuhl oder Rollator sollte man sich problemlos bewegen, drehen und wenden können, ohne eine Schwelle überqueren zu müssen. Neben ausreichend breiten Türen sollte zudem das Badezimmer langfristig darauf ausgerichtet sein, es mit einem Handicap nutzen zu können und beispielsweise über eine ebenerdige Dusche verfügen. Da hierfür eine ausreichend große Grundfläche benötigt wird, kommen Tiny Houses auf Rädern als Alterswohnsitz eher selten infrage. Besonders gut geeignet sind hingegen ebenerdige Minihäuser oder Modulhäuser, die alle Räume auf einer Ebene vereinen. Ist der Weg ins Pflegeheim irgendwann doch unumgänglich, können die Angehörigen das Tiny House dann weiterhin als Gästehaus oder Arbeitszimmer nutzen.


baurechtliche Aspekte

Die konkrete Nutzung entscheidet, welcher baurechtliche Antrag erforderlich ist - egal, ob mit oder ohne Räder. Ein Tinyhaus auf Rädern kann Transportkosten sparen. Für den Transport vom Hersteller zum Grundstück muss die StVO zusätzlich beachtet werden.

Die Herausforderung besteht darin, ein geeignetes Grundstück zu finden: ca. 250 qm - da auch Stellplatz, Erschließungs- und Nebenflächen zzgl. Abstandsflächen zum Nachbarn notwendig sind.
Privatleute haben im baurechtlichen Außenbereich keinerlei Chance auf eine dauerhafte Nutzung.

Einzelne Kommunen bietet bereits einen speziellen Beratungsservice an.


Auf viele relevante Aspekte verweist nachfolgender Flyer:

https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:1676c440-2534-4d67-ae38-689678074aaf/tinyhouse_info_2023_web.pdf (Öffnet in neuem Fenster)


Sollen die Häuser im Klein-Format dauerhaft (mehr als 4 Monate im Jahr) bewohnt werden, müssen sie wie andere Wohnhäuser auch gesetzliche Energiestandards erfüllen. Im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) müssen alle Neubauten in Deutschland den Effizienzhaus-Standard EH55 erfüllen, d.h. unter anderem in größerem Umfang und verpflichtend erneuerbare Energien einsetzen. Ob auf Rädern oder einem festen Fundament, in diesem Fall gelten die gleichen Basisvorschriften wie bei normalen Einfamilienhäusern. 

Für weitere Infos empfehle ich
https://www.tiny-house-verband.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

oder

https://rolling-tiny-house.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

oder den Tiny House Podcast (Öffnet in neuem Fenster)

oder den Beitrag beim Holy Home Podcast (Öffnet in neuem Fenster)

sachenrechtliche Aspekte
(= Verhältnis zum Grundstück)

Mitunter findet sich die Aussage „dann miete ich mir für das Haus ein Grundstück“. Dieser Satz ist juristischer Blödsinn.

Das Tinyhaus - mit festem Fundament und Anschluss an die Grundstückserschließung - ist wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Im BGB gehört alles, was mit dem Grundstück fest verbunden ist, dem Eigentümer des Grundstücks https://dejure.org/gesetze/BGB/94.html
(Öffnet in neuem Fenster)
Dies ist unproblematisch, wenn der Eigentümer des Grundstücks ein Tinyhaus errichtet. Das Haus gehört zur Immobilie.

Sonderrechtsfähig ist allenfalls ein Tiny House, das vorübergehend auf dem Grundstück steht. Dies muss baulich (Verbindung zum Grundstück muss leicht gelöst werden können), als auch juristisch im Pachtvertrag (als „Scheinbestandteil“) geregelt sein. Das Tinyhaus gilt dann als bewegliche Sache. Bei der Veräußerung fällt keine Grunderwerbsteuer an.

Die steuerrechtliche Abgrenzung > Immobilie - bewegliches Wirtschaftsgut < ist relevant für Abschreibungen, für die Versteuerung von Einkünften bei dauerhafter oder zeitweiliger Vermietung und für Haltefristen bei späterer Veräußerung. Die frühzeitige Beratung durch einen spezialisierten Steuerberater ist angezeigt.

Finanzierung

Wer nicht genug Eigenkapital hat, muss an die Finanzierung durch eine Bank denken.

Als Bestandteil des eigenen Grundstücks ist eine Finanzierung über die Bausparkasse oder als Immobilienkredit mit grundbuchrechtlicher Absicherung leicht möglich.

Als Mobilie (im Sinne der obigen Ausführung) bieten die meisten Banken nur einen teuren Verbraucherkredit ohne grundbuchrechtliche Absicherung an.

Mittlerweile gibt es jedoch zwei Banken, die sich auf Tinyhäuser spezialisiert haben:
die PSD Bank in Hannover
https://www.psd-hannover.de/baufinanzierung/tinyhouse.html (Öffnet in neuem Fenster)

die Ethikbank in Eisenberg
https://www.ethikbank.de/privatkunden/tiny-house-kredite.html (Öffnet in neuem Fenster)

Die Bonität des Kunden ist eine zentrale Voraussetzung. Freiberufler haben schlechte Karten. Als zweite Voraussetzung muss das Tinyhaus selbst als Sicherheit an die Bank verpfändet werden. Das Tinyhaus muss werthaltig sein, es muss (z.B. über die Fahrgestellnummer) identifizierbar sein, der genaue Standort muss bekannt sein und der Grundstückseigentümer muss auf alle Rechte als Verpächter verzichten (gesetzliches Vermieterpfandrecht). 

Fördermittel

Für Tinyhäuser sind alle Fördermittel für Neubauten … für besondere Energieeffizienz, für regenerative Energie oder für gesunde und ökologische Baustoffe möglich.

Soweit Tiny-Dorf-Projekte insgesamt eine nachhaltige Entwicklung umsetzen wollen, sind durchaus auch weitere Fördermittel denkbar.

https://www.renn-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/sued/Publikationsreihe_Wandel_gemeinsam_gestalten/2_Kleine_Foerderfibel.pdf (Öffnet in neuem Fenster)

Tinyhäuser sind ein weiterer Baustein für’s Bauen, Wohnen und Leben in bestimmten Lebensphasen, an unterschiedlichen Orten und bei bestimmten individuellen Bedürfnissen.

Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin, Projektberaterin

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (Öffnet in neuem Fenster)


Kategorie juristische Fachthemen

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