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MCP Der Newsletter #20 im Mai

Liebe Leser*innen,

manchmal kommen Bücher auf Umwegen zu uns. Ohne, dass wir die Augen suchend über Regalreihen schweifen lassen, finden uns Lebenstexte ganz unvermittelt und graben sich dann oft umso tiefer in unsere Lesebiografie ein. So geschah es mir zuletzt mit „Fremd“ von Michel Friedman. Der Titel ist bereits im letzten September erschienen, aber irgendwas ließ mich das Buch ungelesen ins Regal einordnen. Ich habe in Folge 52 (Öffnet in neuem Fenster) unseres blauschwarzberlin-Podcasts mit Ludwig Lohmann ausführlicher darüber gesprochen. Nun bin ich Instagram einmal mehr dankbar, weil ich dort zufällig – ich glaube mich zu erinnern, dass ich es bei Marica Bodrožić zuerst entdeckt habe – über ein Video gestolpert bin, in dem Michel Friedman Anfang Mai anlässlich einer Gedenkveranstaltung zum Holocaust vor dem österreichischen Parlament spricht. Ich verlinke euch das Video sicherheitshalber hier (Öffnet in neuem Fenster), denn ich würde mir sehr wünschen, dass viele Leute sehen, mit welcher Klarheit und Deutlichkeit er uns Heutige in die Verpflichtung der Glaubwürdigkeit nimmt, wenn es darum geht, antidemokratische Bewegungen bequem zu ignorieren oder ganz offen zuzulassen, während uns ein leichtfertiges wehret den Anfängen über die Lippen kommt, wenn wir uns selbstgerecht auf Gedenkveranstaltungen zum Nationalsozialismus präsentieren.

Dieses kurze Video, die Langfassung findet ihr z.B. hier (Öffnet in neuem Fenster), hat mich so beeindruckt und berührt, dass ich endlich „Fremd“ gelesen habe. Zufälle! Welch ein unfassbares Glück! In diesem autofiktionalen, verknappten, wirklich auf die absolute Essenz reduzierten und trotzdem Welten öffnenden Text, geht Michel Friedman intuitiv und intensiv durch sein Leben. Als Sohn zweier Holocaust-Überlebender in Paris geboren, war seine Kindheit von Trauma und Traurigkeit, aber auch von der übermenschlichen Aufgabe, ein Lebenssinn für die Eltern sein zu müssen geprägt. Die Ankunft in Deutschland, ausgerechnet. Fremd. Dieses Buch zusammenzufassen fällt mir schwerer als bei vielen anderen. Die Offenheit, mit der Michel Friedman durch seine (Familien)Geschichte, Antisemitismus, Krisen und Ängste geht, hat mich genau so berührt, wie mich sein Geschick, all das poetisch zu verarbeiten, zutiefst beeindruckt hat.

Im Juni freue ich mich herzwarm auf eine ganz besondere Neuerscheinung:

Meine wunderbare Freundin Clara Schaksmeier, die mein Leben auf so viele Weisen inspiriert und bereichert, es schöner, klüger, lustiger, mutiger, wärmer und tiefsinniger macht, hat ein Kinderbuch geschrieben, das davon erzählt, wie Kinder rund um den Globus lernen. Als Lehrerin hat sie unter anderem in Vietnam, Kanada, Indien und Georgien unterrichtet, vor allem aber ist sie ein Fan des Lernens in jedem Lebensalter und eine sehr genaue, wache und einfühlsame Beobachterin. Pauline Pete hat das Buch wunderschön illustriert und ab 22. Juni könnt ihr „Heute geh ich in die Schule“ in der Buchhandlung eures Vertrauens bekommen.

Wir feiern eine Party, natürlich! Am 1. Juli um 14 Uhr im ocelot. Bringt alle Kinder mit, die ihr kennt. Es wird gemalt und übers Lernen gesprochen, darüber wie Unterricht in anderen Ländern stattfindet, wie Schulwege und Klassenräume aussehen, was gegessen und welche Kleidung getragen wird. Und natürlich sprechen wir darüber, wie ein so wunderschönes Kinderbuch zustande kommt.

Ich bin unendlich stolz auf Clara Schaksmeier und Pauline Pete und möchte dieses tolle Buch und diese beiden großartigen Frauen mit euch allen feiern! Auf das Leben und auf das Lernen!

Was ich in letzter Zeit gelernt habe ist übrigens, dass ich mehr auf meinen Bauch hören will. Und der sagt schon eine ganze Weile, dass ich dringend mal ein bisschen mehr Langeweile haben muss. Deshalb wird es im Juni, Juli und August hier eine Newsletter-Sommerpause geben. Am letzten Sonntag im September melde ich mich aber an dieser Stelle mit frischem Herzwind zurück und berichte euch dann, welche Literatur mich durch den Sommer begleitet hat und welche Bücher ihr in der zweiten Jahreshälfte auf keinen Fall verpassen dürft.

Bis dahin findet ihr mich und mein Lesen auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) und Steady (Öffnet in neuem Fenster).

Habt eine ganz, ganz gute Zeit bis dahin. Habt einen frohen Sommer mit vielen Gelegenheiten, liebe Freund*innen zu treffen, gute Bücher zu lesen oder einfach mal ein bisschen rumzusitzen und nichts tun.

Wie sagte Ingeborg Bachmann? „Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein ... “

Möge sie euch scheinen, egal, wie das Wetter wird.

Eure Maria

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