Medizin-Fakes: "Wir haben schon oft traurige Geschichten recherchiert"
Die Journalist:innen des Online-Magazins MedWatch kämpfen gegen Betrug im Gesundheitsbereich. Mehr als 200 zahlende Mitglieder unterstützen diese Mission. Und es sollen noch mehr werden.
Nicola Kuhrt hat MedWatch zusammen mit Hinnerk Feldwisch gegründet. 📸: Sandra Birkner
Das Team von MedWatch (Öffnet in neuem Fenster) hat eine klare Mission. Chefin und Wissenschaftsjournalistin Nicola Kuhrt beschreibt sie so: mit tiefgründigem Journalismus die Öffentlichkeit über Schindluder und Betrug im Gesundheitsbereich aufklären.
MedWatch scannt das Netz nach gefährlichen und unseriösen Heilsversprechen, recherchiert umfangreich und klärt auf – um "vermeintlichen Heilern in der Grauzone des Netzes" den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Das Logo des Online-Magazins MedWatch.
Im Sommer 2018 startete MedWatch ein Mitgliedschaftsprogramm auf Steady (Öffnet in neuem Fenster) und hat inzwischen mehr als 200 Mitglieder, die das Magazin jeden Monat mit fast 1.200 Euro unterstützen. Im Gastbeitrag erzählt Nicola Kuhrt, wie sie und das Team das geschafft haben.
Von Nicola Kuhrt
Eigentlich war es immer klar, dass MedWatch zu Steady gehen wird. Bis es aber endlich dazu kam, war vieles erstmal gar nicht klar: Zuerst waren da eine Medizinjournalistin und ein Medizinjournalist, die feststellten, dass in der Medienlandschaft etwas Wichtiges fehlte: Klare, langfristig recherchierte Berichte über Medizin-Fakes im Netz. Für Verbraucher:innen, die in sozialen Medien immer mehr unseriösen, falschen und damit teils sogar gesundheitsschädlichen Informationen ausgesetzt sind.
Hinnerk Feldwisch und ich hatten schon oft traurige Geschichten recherchiert und zum Beispiel berichtet, dass Schwerkranke in ihrer Verzweiflung alles Hab und Gut für Maßnahmen ausgegeben haben, die erwiesenermaßen Humbug sind.
Auch die Liste an Recherchen zur Corona-Pandemie (Öffnet in neuem Fenster) ist lang. Dazu gehört zum Beispiel die Horror-Story, dass selbst Kinder mit gefährlichen Chemikalien wie Chlorbleiche (Öffnet in neuem Fenster) „behandelt“ wurden – in sozialen Netzwerken wurde propagiert, dass das gesundheitsgefährliche Chlordioxid die Rettung im Kampf gegen Corona bringt.
MedWatch arbeitet unabhängig – auch dank der Community
Doch nach ersten Berichten zu diesen Themen war das Interesse an den – zugegebenermaßen oft komplexen – Hintergründen des Gesundheitssystems in den Redaktionen eher klein. Genau da wollten wir ansetzen und mit tiefgründigem Journalismus die Öffentlichkeit über Schindluder und Betrug im Gesundheitsbereich aufklären und in unseren Berichten auch langfristig dranbleiben.
Den Entschluss, ein neues Online-Portal zu gründen, fassten wir Mitte 2017, und dann ging es ganz schnell. Erste Unterstützung gab es durch das „Grow“-Stipendium für gemeinnützigen Journalismus, das der Verband „Netzwerk Recherche“ in Kooperation mit der Schöpflin-Stiftung vergibt. Anschließend galt es: eine gemeinnützige Organisation gründen, Kontakte aufbauen, Netzwerke spannen. 2018 haben wir dann MedWatch als Blog gestartet, erste Texte veröffentlicht, Formate ausprobiert und Feedback gesammelt.
Was noch fehlte war eine langfristige finanzielle Perspektive für das Projekt. MedWatch ist gemeinnützig und funktioniert unabhängig von Interessen großer Firmen oder Verbände. Deshalb war klar: Es braucht nachhaltige Unterstützung aus der Community durch Mitgliedschaften. Leser:innen können unsere unabhängige Arbeit bei MedWatch möglich machen. Und da kam Steady ins Spiel. Wir kannten das Portal, Übermedien hatte es vorgemacht.
"Es ist ein großartiges Gefühl, dass Menschen unsere Idee, unsere Arbeit, gut und unterstützenswert finden"
Zugegeben: Ich hatte es mir ganz easy vorgestellt, ein Mitgliedschaftsangebot aufzuziehen. Erzählen, worum es geht, im Netz und in der eigenen Community trommeln. Fertig.
Dank der Kolleg:innen von Steady wurde ich eines Besseren belehrt und die Kampagne für MedWatch bekam in intensiven Beratungsrunden, was es brauchte: einen Plan, eine Struktur, wie es auch tatsächlich funktionieren kann.
Chefredakteurin Nicola Kuhrt hat mit MedWatch noch viel vor. Die nächste MedWatch-Kampagne kommt also bestimmt bald.
MedWatch hat zwei Zielgruppen: Die eine ist sehr breit – nämlich praktisch jede:r. Wir wollen die Menschen erreichen, denen in Sozialen Medien fragwürdige Mittel oder Therapien angeboten werden – auf MedWatch sollen sie erfahren, ob sie den Versprechen trauen können. Wir versuchen, auf Anfragen zeitnah zu reagieren und recherchieren, falls das jeweilige Thema relevant ist.
Die zweite Zielgruppe sind unsere Unterstützer:innen – also genau die Menschen, die aktiv an unseren Recherchen interessiert sind und MedWatch durch ihre Mitgliedschaft fördern. Sie unterstützen uns auch, weil sie dadurch mit uns in Austausch kommen. So bieten wir zum Beispiel einen Stammtisch und Diskussionsveranstaltungen für Mitglieder an.
Eine Zeichnung, die ein MedWatch-Leser gemacht hat, nachdem er an einem der Stammtische für Mitglieder teilgenommen hat.
Das Angebot an die Mitglieder muss gut durchdacht sein. Und dann kommt erst der Launch des Projekts – und der muss natürlich sitzen. Wir haben zunächst einen Drei-Wochen-Plan ausgearbeitet, ein Video gedreht und das Steady-Projekt dann zur Jahrestagung von Netzwerk Recherche gestartet – genau ein Jahr nachdem wir dort den Pitch zum Grow Stipendium gewonnen hatten.
Und es hat funktioniert: Heute haben wir mehr als 200 Mitglieder, die uns über Steady unterstützen. Klar, da ist noch Luft nach oben, aber es war und ist ein großartiges Gefühl, dass Menschen unsere Idee, unsere Arbeit, gut und unterstützenswert finden.
Die Leser:innen machen MedWatch möglich – und das Team hat noch viel vor
Mittlerweile ist Medwatch zu einem Magazin umgebaut, wir haben Themen in Kooperation mit überregionalen Medien veröffentlicht und sogar einige Preise (Öffnet in neuem Fenster) gewonnen! Hinnerk Feldwisch ist im April 2021 aus dem Projekt ausgestiegen, seitdem bin ich für die Geschäftsführung allein verantwortlich. Das geht, weil mich eine kleine Redaktion aus freien Medizinjournalistinnen und Journalisten unterstützt.
Dazu kommt ein Beirat (Öffnet in neuem Fenster), der die Entwicklung von MedWatch begleitet – es sind Menschen, die mit dem Gesundheitssystem und seinen Tücken bestens bekannt sind. MedWatch ist der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster) beigetreten und hat sich dem Presserat angeschlossen.
Die Leser:innen, die bei Steady eine MedWatch-Mitgliedschaft abschließen, egal ob eine „Stabile Seitenlage“ (3,50 Euro), eine „Erste Hilfe“ (5,50 Euro) oder einen „Großen Rettungseinsatz“(19,50 Euro), sie alle machen MedWatch möglich – und wir haben noch viel vor! Dafür braucht MedWatch aber tatsächlich noch ein paar mehr Unterstützer:innen. Die nächste Kampagne kommt also bestimmt. Bald.
Auf Steady kann jede:r Mitglied bei MedWatch werden (Öffnet in neuem Fenster) und das Team bei ihrer Aufklärungsarbeit unterstützen:
https://steadyhq.com/de/medwatch?utm_source=magazin&utm_medium=link&utm_campaign=medwatch_post (Öffnet in neuem Fenster)