Joscha Sauer: „Ich kann an neuen Projekten arbeiten, statt mir Sorgen um die Miete zu machen“
Die Nichtlustig-Cartoons sind sein Flaggschiff, aber längst nicht sein einziges Projekt. Im Interview verrät der Künstler, wie ihm Mitgliedschaften zu kreativer Freiheit verholfen haben.
Joscha Sauer ist vor allem für seine Nichtlustig-Cartoons (Öffnet in neuem Fenster) bekannt. Angefangen, diese zu zeichnen, hat er schon vor rund 20 Jahren. Seine Kreativität will er aber nicht nur auf die Cartoons beschränken. So produzierte er bereits eine Trickfilmserie, hat einen Blog und einen Newsletter und macht auch Podcasts sowie Videos.
Im April 2020 startete er ein Steady-Projekt (Öffnet in neuem Fenster). Inzwischen unterstützen zahlreiche Mitglieder seine Arbeit. Im Interview erzählt der Cartoonist, warum es vielen Mitgliedern nicht darum geht, einen konkreten Gegenwert zu erhalten — und wie ihm das dabei hilft, seine finanzielle und vor allem kreative Freiheit zu bewahren.
Hast du dir deine berufliche Zukunft so vorgestellt, wie sie jetzt ist, als du mit deinen Cartoons angefangen hast?
Überhaupt nicht. Da gab es keinen großen Plan. Das Internet war damals ja noch sehr in seinen Anfängen und meine Cartoons waren einfach ein Hobby. Für mich war es erstmal nur schön, Sachen im Internet zu veröffentlichen und meine Kreativität auszuleben.
Nach einer Cartoon-Pause zeichnet Joscha Sauer inzwischen wieder fleißig Nichtlustig-Cartoons für seine Mitglieder.
Und aus reinem Internet-Spaß wurde irgendwann dann mehr?
Bei mir ging irgendwann die Vision los: Ich wollte die vielen Cartoons, die ich bereits gemacht hatte, auch gerne gedruckt sehen. Das war gar nicht so einfach, weil es für Verlage damals Gift war, wenn ich gesagt habe: Diese Cartoons gucken sich Leute schon im Internet an.
Ich habe versucht, mich mit Auftragsarbeiten oder mit dem Verkauf von Cartoon-Lizenzen durchzuschlagen. Damit habe ich aber nicht wirklich viel Geld gemacht, das war immer ein Retten von Monat zu Monat.
Irgendwann habe ich dann doch einen Verlag gefunden, und als 2003 das erste Buch erschien und innerhalb einer Woche die erste Auflage komplett ausverkauft war, habe ich zum ersten Mal aufgeatmet und gesagt: Okay, nach drei Jahren scheint das jetzt endlich ein richtiger Beruf zu sein!
Ein Nichtlustig-Cartoon sowie ein gezeichnetes Selbstporträt des Cartoonisten.
Das Internet war also gewissermaßen dein Eingangstor auf dem Weg zum Cartoonisten-Beruf.
Ja. Ich habe damals genau das gemacht, was heute von Verlagen oft vorausgesetzt wird: Ich habe mir eine Community aufgebaut, bevor ich meine Arbeit dann auch in Buchform herausbringen konnte.
Trotzdem hast du dich dann irgendwann von den Nichtlustig-Cartoons verabschiedet. Warum?
Ich bin mit der Zeit in viele Hamsterräder hineingeraten. Sehr viele Leute haben irgendwann von meiner Arbeit profitiert, ich selbst hatte aber immer weniger Spaß daran, weil es ständig diesen Druck gab, zu funktionieren und abzuliefern.
Ich habe mich dann entschieden, mit vielen Projekten aufzuhören, weil ich kreativ nicht mehr erfüllt und leider auch etwas ausgebrannt war. Ich wollte die Freiheit haben, auch an anderen Projekten zu arbeiten und nicht immer dem nächsten Auftrag hinterherrennen zu müssen.
Das hat gutgetan und mir ermöglicht, mich erstmal auf ein Herzens-Projekt zu konzentrieren: Die Nichtlustig-Trickfilmserie. Über die letzten Jahre habe ich mit einem kleinen Team daran gearbeitet. Das war zwar auch anstrengend, aber kreativ sehr viel belohnender als alleine zu arbeiten.
Inzwischen hast du wieder angefangen, Nichtlustig-Cartoons zu posten. Im Frühjahr bist du außerdem mit deinem Steady-Projekt an den Start gegangen. Ist das dein Weg, dir die gewünschte kreative und auch finanzielle Freiheit beizubehalten? Klappt das?
Absolut. Zuerst war Steady für mich nicht wirklich interessant. Vor allem weil ich dachte, dass das genau den Druck erzeugen würde, den ich eigentlich nicht mehr haben wollte — also immer neue Gags produzieren und ständig genau diese eine Sache machen zu müssen, die ich schon über 15 Jahre meines Lebens gemacht hatte.
Joscha Sauer bei einer Signierstunde.
Ich habe dann sehr lange Gespräche mit Gabriel von Steady geführt — ich muss ihm da wirklich ein Kompliment machen, wie geduldig und vernünftig er mir immer wieder erklärt hat, dass Mitgliedschaften für mich eine Möglichkeit sein können, mich aus diesem Hamsterrad zu befreien, weil viele meiner Fans primär mich unterstützen wollen und eben nicht nur für Content bezahlen.
Das war die größte Schranke in meinem Kopf: Zu denken, dass Leute nur für einen konkreten Gegenwert zahlen. Mittlerweile weiß ich, dass es sehr viele gibt, die Kreative auch so unterstützen. Weil sie sich bewusst sind, dass Inhalte, die im Internet veröffentlicht werden, Arbeit erfordern, und dass es bei Künstler:innen auch Phasen gibt, in denen sie länger an etwas arbeiten oder gerade nicht arbeiten können.
Ich kann jetzt an neuen Projekten arbeiten, statt mich darum sorgen zu müssen, wie ich die Miete bezahlen und den Kühlschrank füllen kann.
Natürlich denken nicht alle so. Es gibt auch Mitglieder, die vor allem wegen dem zusätzlichen Bonus-Content dabei sind. Und das ist auf jeden Fall auch okay. Aber es ist schön zu sehen, dass viele Leute vor allem mich unterstützen, weil sie das Vertrauen haben, dass ich mit dieser finanziellen Freiheit etwas Gutes anstelle.
Wie fühlt es sich an, ein solches Vertrauen entgegengebracht zu bekommen?
Das hat mir einen kreativen Schubs gegeben. Plötzlich geht es nicht mehr darum: Kann ich das jetzt verkaufen? Sondern es geht darum: Ist das etwas Gutes, das ich machen will? Diese Freiheit habe ich jetzt und das war für mich bei der ganzen Sache sehr wichtig.
An deinem Mitgliedschaftsangebot merkt man, dass eher der Support-Gedanke im Vordergrund steht – statt des Angebots eines konkreten Gegenwerts: Alle Mitglieder bekommen das Gleiche, egal mit wie viel Geld sie dich unterstützen. Trotzdem ist auch Teil deiner Strategie, immer wieder neuen exklusiven Content für sie zu liefern.
Genau. Ich poste immer einen Cartoon, den sich alle angucken können. Und zu jedem kostenlosen Cartoon gibt es dann ein Bonus-Panel nur für Mitglieder. Das ist ein zusätzlicher Cartoon, der den Gag aufgreift und als kleine Fortsetzung weiterspinnt.
Ein Nichtlustig-Cartoon und das zugehörige Bonus-Panel, das den Gag aufgreift und weiterspinnt.
Warum hast du dich für diese Strategie entschieden?
Mit den Bonus-Panels will ich natürlich meine Fans zusätzlich motivieren, eine Mitgliedschaft abzuschließen. Vor allem aber habe ich einen Weg gebraucht, wie ich immer wieder auf mein Steady-Projekt hinweisen kann, ohne das Gefühl zu haben, nur plump Werbung zu machen.
Denn das ist natürlich eine große Hürde: Dass man sich erstmal windet, wenn man um Unterstützung bittet. Bei einer großen Community und gerade auf Social Media, wo man im Grundrauschen der vielen Posts schnell untergeht, ist es aber sehr wichtig, dass man immer wieder darauf hinweist, weil das sonst niemand mitbekommt.
Und da waren für mich exklusive Inhalte, also diese kleinen Bonus-Panels, eine super Möglichkeit, konstant auf mein Steady-Projekt hinzuweisen, ohne dass es immer die gleiche Leier ist.
Und der Plan geht auf?
Bis jetzt sehr gut. Ich bin selbst ganz überrascht gewesen, wie gut die Bonus-Panels funktionieren. Also zum einen, wie gut sie bei den Fans ankommen, aber auch, wie gut sie inhaltlich funktionieren. Da bin ich auch wirklich stolz drauf, weil ich finde, dass sie nochmal ein anderes Level an Humor mit reinbringen. Ich hatte diese Idee schon sehr lange. Es macht Spaß, sie jetzt umzusetzen.
https://www.youtube.com/watch?v=uE8b0xA34h8&feature=emb_title (Öffnet in neuem Fenster)Du hast dir mit den Bonus-Panels also quasi einen alten Wunsch erfüllt. Was ermöglichen dir Mitgliedschaften noch?
Die Bonus-Panels sind auf eine seltsame Art für mich ein bisschen Zeitreise, weil ich ja Cartoons weiterdenke, die schon vor 20 Jahren aus meinem Kopf gepurzelt sind. Das ist auch eine ganz komische Art von Selbstreflexion. Ich erinnere mich, in welcher Lebenssituation ich gerade war, als mir bestimmte Gags eingefallen sind.
Ansonsten haben mir die Mitgliedschaften vor allem gegeben, was ich vorher schon erwähnt habe: mehr kreative Freiheit. Ich kann jetzt an neuen Projekten arbeiten, statt mich darum sorgen zu müssen, wie ich die Miete bezahlen und den Kühlschrank füllen kann.
Glaubst du, dass dein Mitgliedschaftsprogramm auch deshalb so gut läuft, weil du vorher schon so bekannt warst und viele Fans hattest?
Klar, das ist ein wichtiger Punkt. Für mich waren die Voraussetzungen anders als für jemanden, der noch keine Fan-Community hat. Da darf man sich nichts vormachen und denken: Ich hab’ jetzt eine Idee, starte ein Mitgliedschaftsprogramm und dann kommt sofort die große Kohle rein. Das funktioniert natürlich nicht.
Ich hatte das Glück, dass ich mir schon eine große Community aufgebaut hatte und durch andere Crowdfunding-Aktionen bewiesen habe, dass man mir vertrauen kann, wenn ich für Projekte Unterstützung brauche. Ich glaube, man darf nicht unterschätzen, dass man für diesen ganzen Aufbauprozess viel Zeit und Energie braucht.
Du machst das ja auch schon lange. Dein Mitgliedschaftsangebot ist dagegen sehr neu. Haben die Mitgliedschaften den Austausch mit deiner Community verändert?
Nicht viel, würde ich sagen. Ich merke, dass ich selbst entspannter geworden bin, was meine Arbeit angeht und dadurch auch einfach wieder mehr Spaß an der Interaktion mit den Fans habe. Ich mag, was ich mache und rede daher auch wieder gerne darüber.
Durch die Mitgliedschaften, und eben auch dadurch, dass ich sehe, welche Leute sich die Bonus-Panels angucken und wie sie darauf reagieren, ist die Kommunikation nochmal ein bisschen schöner und persönlicher geworden.
Auf Steady kann jede:r Mitglied werden und Joscha Sauer unterstützen (Öffnet in neuem Fenster):
https://steadyhq.com/de/joscha/about?utm_source=magazin&utm_medium=link&utm_campaign=nichtlustig_post (Öffnet in neuem Fenster)--
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