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S(i)eems GREAT to me: Meine Tipps nur für Sie – Xmas Edition (Nr. 9/23)

Während das Sturmtief „Zoltan“ heulend und fauchend um unser Häuschen zieht, am Reet zerrt und mit einer Gießkanne im Garten air hockey spielt, tippe ich rasch meine überfälligen Kultur-Konsum-Tipps für Sie in den knapp zehn Jahre alten iMac. Ein uns alle mehr als gedacht forderndes Jahr geht zu Ende. Da ist es höchste Zeit für gepflegtes Faulenzen auf der Couch, Vliesmasken mit Hyaluronsäure und Entertainment ohne jeglichen Berufsbezug. Machen Sie es sich extra-nett. Tilda (Öffnet in neuem Fenster) und ich wünschen von Herzen friedvolle Weihnachten und ein gesundes 2024!

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KOPFKINO

Strawberry Spring (Öffnet in neuem Fenster)“ von Stephen King: In meinen oft kurzen, weil von Insomnia geplagten Nächten, browse ich gern ziellos durch den Apple-Podcast-Fundus. Seit frühester Kindheit geleiten mich nämlich Erzählstimmen recht gut ins Land der Träume. Klar, dass ich da nicht zu an- bis aufregendem Wirklichkeitsstoff greife, wie politischen Debatten oder dem drohenden merger von Warner Bros. Discovery und Paramount Global. Stattdessen habe ich Hörspiele für mich wiederentdeckt und einige ja an dieser Stelle bereits weiterempfohlen. Wobei mir ein hoher Produktionsstandard, ein griffiges Skript und exzellentes Casting auch übermüdet extrem wichtig sind.

Wie gut, dass dieses Fiction-Podcast, das auf einer Kurzgeschichte des Horror-Altmeisters basiert, all das bietet. Und mehr. Inmitten der Studentenunruhen der späten Sechziger meuchelt eine Art moderner Jack the Ripper munter Studentinnen des New Sharon College. Und zwar nur bei besonders dichtem Nebel, genannt „Strawberry Spring“. Die Polizei ist überfordert, also macht sich ein Jung-Reporter an die Aufklärung. Denn die Brutalität der Taten nimmt stetig zu … Ein Vergnügen, Stars wie Garrett Hedlund, Milo Ventimiglia und Sydney Sweeney beim voice acting zu lauschen. Für die Qualität der mörderischen Story in acht Episoden bürgt ohnehin Mr. King.

Conference Call (Öffnet in neuem Fenster)“: Ich frage mich oft, wie Elizabeth Holmes, Sam Bankman-Fried oder Adam Neumann und Rebekkah Paltrow von WeWork das eigentlich gemacht haben. Damit meine ich nicht ihren umjubelten Aufstieg, brachialen Absturz und etwaige Haftstrafen. Mich interessiert, wie es diesen narzisstisch schwer gestörten, esoterisch abgedrifteten und vor krimineller Energie strotzenden Gründer:innen gelang, ihre Investoren so schwindelig zu quatschen, dass deren Geldbörsen aufklappten, wie das Mäulchen meines Hundes, wenn es Leckerlis gibt.

Nach diesem großartigen Podcast, der aufgezeichnete Video-Meetings zwischen zwei exzentrischen Start-up-Bros (Jeff Ward und Gregory Stees) und ihrer neuen Geschäftspartnerin (Elizabeth Henstridge) kollagiert, bin ich deutlich schlauer. Und habe beim Hören mehrfach laut lachen müssen. Besser kann man den (Sprach-)Irrsinn des Silicon Valleys und seiner verstrahlten business people nicht aufs Korn nehmen. Ihr leeres Wortgeklingel, ihre Hybris, die inhärente Misogynie, das infantile Sandkastengezänk und -geschmolle. Herrlich!

Tagged (Öffnet in neuem Fenster)“: Sony Music haut schon seit Jahren richtig fantastische Podcasts (Öffnet in neuem Fenster) raus. Manche sind jetzt hinter der Abo-Paywall namens „The Binge“ verschwunden, aber dieser wilde, süffisant satirische Thriller aus der Welt der globetrottenden Insta-Fluencer allein ist den Monatsbeitrag wert. Die Dialoge: absolut authentisch. Das Sprech-Spiel: ungemein natürlich. Die Story: atemlos und verzwickt. Selten wurde dieser seltsame Kosmos so porentief durchdrungen, persifliert und zu einem spannenden Handlungsbogen verwoben wie in „Tagged“.

Worum es geht? Auf ihrer Hochzeitsreise durch Europa, die sie rund um die Uhr für ihre follower inszenieren, fällt Karlie (Jessica Plummer) und Tre (Ben Hardy) ein anderes Influencer-Paar auf, das ihre Fotomotive, Posen, Outfits, Filter und Hashtags dreist kopiert. Ihre zunächst unauffälligen Nachforschungen in die Identität dieser copycats eskaliert jedoch rasch zu einer Mordermittlung und dem Konflikt mit einer Sekte. Stark!

WOHLKLANG

„Just by thinking about it
I can fill the world up with you
Because each snowflake
Is your every teardrop
The one thing I can’t do
Is bring you to me“

Miracles in December (Öffnet in neuem Fenster)“ von Exo (Öffnet in neuem Fenster): Als diese winterlich-traurige Ballade vor genau zehn Jahren veröffentlicht wurde, waren die meisten Mitglieder der erfolgreichen boy group gerade mal oder kurz über 20 koreanische Sommer jung. Die Qualität ihres (Harmonie-)Gesanges ist dafür bereits erstaunlich und das – nach heutiger Sehgewohnheit – herrlich altmodisch inszenierte Video voller Kunstschnee und kullernder Tränen eine willkommene Abwechslung zum üblichen Highspeed von K-Pop-Clips. Man darf zudem gespannt sein auf das Comeback, nachdem alle Exo-ten ihren Militärdienst abgeleistet haben (vgl. hierzu „BTS“).

Hate December (Öffnet in neuem Fenster)“ von I’ll (Öffnet in neuem Fenster): Über diesen Singer/Songwriter und Gitarristen stolperte ich erst kürzlich. Passenderweise war es dieser neue (Anti-)Weihnachtstrack, den der Algorithmus für meinen feed auswählte. Ein Glückstreffer, denn der talentierte Künstler mit samtig-verzweifelter Stimme, ansatzlosem Falsett und beneidenswert prallen Wangenknochen gibt hier gar nicht den griesgrämigen Grinch. Er wünscht sich bloß, wie die Jungs von Exo, dass SIE mit ihm unterm geschmückten Baum sitzt. Stattdessen läuft er allein durch herbstliche Wälder und mag keinerlei Xmas-Lieder hören.

„Hate December“ gibt es übrigens auch als Live-Version (Öffnet in neuem Fenster), vor wenigen Wochen von Fans mitgeschnitten, und auch mit I’ll ganz allein im Radio-Studio (Öffnet in neuem Fenster). Ein Muss ist zudem sein grandioses Cover des Ed-Sheeran-Titels „Castle on the Hill (Öffnet in neuem Fenster)“, das besser klingt als das Original.

Angels in the Snow (Öffnet in neuem Fenster)“ von Cher: Mit ihrem Christmas-Album hat die 77-jährige Diva eine richtige Lawine losgetreten. Nicht nur, dass die Chartposition ihr einen weiteren Rekord für Billboard-Erfolge in nun sechs Dekaden bescherte. Nein, Cher ist seit Wochen einfach überall: die Thanksgiving-Parade von Macy’s in New York, Sendungen wie „Wetten dass?“, „Strictly Come Dancing“, „The Royal Variety Performance“, die Fashion Week in Paris … Gerüchte von einer Tournee, einem weiteren Album und einer residency in Las Vegas machen die Runde.

Mir genügt derweil die aktuelle Weihnachts„platte“ mit der Single „DJ Play A Christmas Song“ und diesem Titel, bei dem Cyndi Lauper den überqualifizierten Background-Chor macht. Zum Glück darf die nicht minder legendäre Pop-Rebellin bei meinem dritten Anspieltipp, dem LeAnn-Rimes-Countryhit „Put a Little Holiday in Your Heart“ dann im Duett mit ihrer ewig faltenfreien Freundin richtig Gas geben. Ich kann Cher nur beipflichten: „I hate Christmas albums. But this one is not your mother’s Christmas album.

GAUMENSCHMAUS

Panda (Öffnet in neuem Fenster)“ in Catania: Auf Sizilien mal nicht italienisch essen gehen? Für Puristen und Studiosus-Reisende sicherlich ein Frevel. Uns hat der spontane Drang nach Abwechslung eines der besten Dinners des auslaufenden Jahres beschert. Allein die lässige Crew des „Panda“ – nach eigenen Angaben „der beste Koreaner in Süditalien“ – war ein Highlight. Wie mit langjährigen Freunden am Küchentisch sitzen. Nice! Die „Seoul Mules“ stimmten spritzig und ohne Umschweife ein auf einen außergewöhnlichen Abend. Das kross frittierte Yangnyeom-chikin mit aromatischen Saucen war finger-lickinggood und das Bibimbap mal eine bowl, die Spaß und satt machte. Mehr davon in 2024, diese Botschaft haben wir aus Catania mitgenommen.

2024 sind die großen Prüfungen vorbei und eine neue Leichtigkeit kommt ins Leben. Jetzt beginnt die Zeit der Ernte! Die Selbstverwirklichung, der Ausdruck des schönen Ichs und das Vertrauen in etwas Größeres wollen im Sonnenjahr geschult werden. Zum Beispiel auf einer inneren oder äußeren Reise, auf der du dich selbst (wieder-)findest. Dring zum Kern deines Wesens vor.
(„Brigitte“-Jahreshoroskop 2024 (Öffnet in neuem Fenster))

BEWEGTBILD

GyeongSeong Creature (Öffnet in neuem Fenster)“ (Netflix): Keine Streaming-Serie hat meine social bubble über Wochen, nein, Monate so beschäftigt wie dieses aufwändig produzierte Historien-Horror-Romantik-Epos aus der Feder von Kang Eun-kyung und mit Jeong Dong-yoon als Regisseur. Es wurden im Akkord memes gebastelt und akribisch die Tage gezählt wie einst Robinson im Insel-Exil. Eine Gespanntheit, die von den dürftigen Infos zur Geschichte angefacht worden sein dürfte, die es vorab gab: In einer Stadt wie Seoul kommen 1945, also zum Ende der japanischen Kolonialzeit, zwei junge Erwachsene unvorstellbaren Experimenten in einem alten Sanatorium auf die Spur. Eine Neugier, die beide in höchste Gefahr bringt.

Mir persönlich genügte, trotz meiner Vergangenheit als Kinokritiker, allein die Besetzung der männlichen Hauptrolle mit Park Seo-joon, den ich seit der Kultserie „Itaewon Class (Öffnet in neuem Fenster)“ als einen der besten Schauspieler seiner Generation bezeichnen würde. Mehr noch: als einen Akteur von Hollywood-Beau-Format, wie einst Grant, Cooper oder Bogart. Oh ja. Eine heroische Statur, unerschütterliches Selbstbewusstsein, eine handwerkliche Ernsthaftigkeit, interpretatorischer Tiefgang und dazu dieses „This is just a game“-Zwinkern. Sorry, aber da können Leo DiCaprio und Mr. Gosling kaum mithalten. Das ist next level ohne Rumkrampfen. Einfach mal einige dieser Clips anschauen und ein eigenes Urteil bilden: „The Marvels (Öffnet in neuem Fenster)“; „Hwarang (Öffnet in neuem Fenster)“; „The Divine Fury (Öffnet in neuem Fenster)“. Und dann „GyeongSeong Creature“ starten. Viel Vergnügen!

Cassandro (Öffnet in neuem Fenster)“ (Amazon Prime): Über diesen Film, der auf dem Leben des flamboyanten Luchadors Saúl Armendáriz (Öffnet in neuem Fenster) beruht, der es als Homosexueller in dieser wilden Variante des mexikanischen Wrestlings und der Zuschauergunst ganz nach oben brachte, ist bereits viel Kluges geschrieben worden. Einfach gucken, ist ein Muss, würde ich sagen. Mich lässt das Werk und Wirken des Hauptdarstellers Gael García Bernal (Öffnet in neuem Fenster) spätestens seit „La mala educación (Öffnet in neuem Fenster)“ von Pedro Almodóvar nicht mehr los. In diesem „Skandal“film von 2004, samt Film-im-Film, wird ein heißes Eisen nach dem anderen angepackt, bis die metaphorischen Hände Blasen bilden: Missbrauch in der katholischen Kirche, Transidentitäten, Rotlichtmilieu, Drogensucht, Vaterkomplexe … Unsere Volks-Psychologin Stefanie Stahl könnte aus diesem Themenmix vermutlich eine Regalwand an Ratgebern zusammenkloppen. Und dann diese eine Szene, die mir vor 19 Jahren im glücklicherweise dunklen Kino die Schamesröte ins Gesicht und den Puls in pathologische Höhen getrieben hat. Die Attraktivität und kompromisslose Spielfreude von Señor Bernal ist eben alles andere als banal. Ob jetzt im Ring oder damals im Pool(-haus) …

Knokke Off / High Tides (Öffnet in neuem Fenster)“ (Netflix): So ist das manchmal im vernetzten Leben. Gerade erst hatte ich bei einem Essen mit dem Pressechef der Bicester Collection (Öffnet in neuem Fenster) von dem Ort Knokke gehört, einer Art Hamptons oder Newport an der belgischen Nordseeküste. Prompt schlägt mir der Streamingriese nun diese Serie vor. Keine Ahnung, wie gut sie ist – der Trailer ließ mich kurz an den schrecklichen Schmarrn „Kitz (Öffnet in neuem Fenster)“ denken. Und erschaudern. Aber ich möchte wenigstens von diesem, bei jenem Dinner in London viel gerühmten Elite-Örtchen etwas sehen, notfalls ohne Ton. Ach ja, die Story: Louise und Alexandre lassen mit ihrer Clique in Knokke so richtig die Champagner-Sau raus, dabei bräuchten sie eigentlich dringend weniger Party-Fassade und mehr echte Freunde. Klar, Liebe auch. Wer nicht. Klingt nach „Coming of age“-Einerlei, aber auf Knokke bin ich trotzdem gespannt. Sylt ist ja nun auch nicht mehr so fresh und wird von Tief „Zoltan“ sicherlich gerade wieder um einige Dünenmeter verkleinert. Plan K also, wie Knokke.

DENKANSTOSS

Broad Band (Öffnet in neuem Fenster)“ von Claire L. Evans (Öffnet in neuem Fenster): Die englische Sprache ist wie geschaffen für Wortspiele, oder? Da schreibt man einfach mal die Übersetzung für „Breitband“ auf ein Sachbuch über die vielen unbekannten Frauen, die uns das Internet schenkten. Und, zack, steckt in „broad“ eben nicht nur „breit“ drin, sondern halt auch die Entsprechung für „Bräute“. Ja, klingt jetzt nicht so nett, geht aber bei einer Autorin und als Titel-Gimmick in Ordnung, finde ich.

Evans verabschiedet darin den albernen Mythos von Männern, Maschinen und Garagen, die uns angeblich ganz im Alleingang das WWW einbrockten. An dessen Stelle rückt sie Pionierinnen wie Ada Lovelace, die bereits im Viktorianischen Zeitalter, Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts, ein erstes Computerprogramm schrieb. Ohne PC. Wir lernen Grace Hopper kennen, die Programmiersprachen von den Apparaten entkoppelte, und Stacy Horn, die von ihrer Wohnung in Manhattan in den Achtzigern eines der ersten sozialen Netzwerke betrieb. Sowie viele weitere dolle Damen, die im tristen Tech-Kanon „Jobs, Gates, Bezos, Zuckerberg“ niemals vorkommen, deren visionäre Arbeit jedoch einen unverzichtbaren Boden für all das bereitet hat. Mein Buch des Jahres!

Your Face Belongs to Us (Öffnet in neuem Fenster)“ von Kashmir Hill (Öffnet in neuem Fenster): Nicht minder wichtig – und sehr besorgniserregend – fand ich diese Niederschrift einer monatelangen Investigativrecherche der „New York Times“-Reporterin Hill, die ein Unternehmen enttarnt, dessen Allmacht mich – wir hatten das schon – um den Schlaf bringt. Clearview AI hat über viele Jahre und ohne jegliche Erlaubnis oder Reglementierung nahezu alle Gesichter gespeichert und verarbeitet, die wir tagtäglich auf irgendeine Weise mit der Webwelt teilen. Ob absichtlich, aus Versehen oder ohne unser Wissen.

Jetzt behaupten die Bosse, ihre Software könnte jeden Erdenbürger erkennen, mit 99-prozentiger Korrektheit. Eine Superpower, die Clearview AI an Justizbehörden, Streitkräfte, Milliardäre und deren Konglomerate verkauft. Die totale Überwachung, endloses Stalking und lückenlose Daten-Diktaturen sind damit, so die Verfasserin, technologische Realität. Doch was wurde aus dem Recht, in Ruhe gelassen zu werden?

Das Bill Gates Problem (Öffnet in neuem Fenster)“ von Tim Schwab (dt. Fassung erh.): Als mein Mann und ich 2014 in Seattle waren, besuchten wir – natürlich – auch die Bill & Melinda Gates Foundation (Öffnet in neuem Fenster), die damals und vermutlich noch immer mächtigste Privatstiftung mit endloser Kreditlinie. Dort sahen wir, multimedial umgesetzt, den Kampf der Gates’, die inzwischen als Paar getrennte Wege gehen, gegen Malaria und andere Krankheiten, die Menschen in sogenannten Schwellenländern grundlos dahinraffen. Nur eine der vielen philantropischen Anliegen des Microsoft-Co-Gründers und seiner Ex-Frau, die der Gesellschaft etwas von ihrem Vermögen zurückgeben und die Welt ein wenig besser hinterlassen möchten. Da hat man gleich einen wuchtigen Hans-Zimmer-Soundtrack im Ohr, oder?

Ganz so mitmenschlich und selbstlos, das berichtet Schwab in seinem brisanten Enthüllungsbuch, ist das mit den Milliardären und ihrem, äh, „Altruismus“ natürlich nicht. Er erinnert an die Grundfeste jeder Stiftung, nämlich deren weitgehende Steuerbefreiung. Im Fall der Gates Foundation kommt politische (und direkte) Einflussnahme auf Politiker im In- und Ausland dazu. Etwa bei einem fundraising event oder beim Lunch im Country Club. Welche Werte, welche Mission pushen die ultra-rich dabei schlussendlich? Und was ist mit all den Krisenherden und humanitären Katastrophen, an denen Bill, Melinda und ihre Freunde partout kein Interesse haben? Vor allem dann, wenn Regierungen ihre Entwicklungshilfe(n) ohnehin seit Jahrzehnten outsourcen und ganz heiß auf Public/Private Partnerships mit Institutionen wie der Gates Foundation sind? Wenn wir darauf setzen, dass die Geldelite schon die für das Gemeinwohl richtigen Weichen stellt, so argumentiert (nicht nur) Schwab, dann zerbricht nicht weniger als das Fundament des demokratischen Sozialstaates.

KAUFREFLEX

NanoCast (Öffnet in neuem Fenster)-Beamer: Während ich noch von meiner man cave träume, mit Massagesessel, Kombucha-Kühlschrank und Riesen-TV, wollte ich immerhin den Streaming-Genuss im Schlafzimmer optimieren. Mit verkrampftem Arm das iPad auf der Brust halten, in orthopädisch bedenklicher Haltung – das ist in meinem Alter einfach nichts mehr. Dank unablässiger Insta-Werbung wanderte prompt dieser sündhaft günstige Projektor in den Warenkorb. Zusammen mit dem unguten Gefühl, vielleicht erneut Temu (Öffnet in neuem Fenster)-Schrott auszupacken, der nach einmaligem Anschalten in der Kiste für den Wertstoffhof landet.

Keine Frage, was der Winzling an unsere Dachschräge wirft, ist keine 4K-Sensation, und auch der „kristallklare“ Sound quäkt eher wie Verona Pooth mit Stimmbandentzündung. Doch dank WLAN-Vernetzung, Android-Apps (für alles von Netflix über YouTube, Prime und VikiRakuten) sowie Bluetooth-Verbindung kann man sich daraus absolut zufriedenstellendes Entertainment mit XXL-Bild basteln. Das Beste: Der NanoCast ist handlich genug, um ihn – wie jetzt gerade – ins dänische Ferienhaus mitzunehmen und die dortige Uralt-Glotze zu ersetzen.

Fierce (Öffnet in neuem Fenster)“ von Abercrombie & Fitch: Vor einiger Zeit fragte mich meine Therapeutin: „Was war bisher die glücklichste Zeit in Ihrem Leben?“ Ich antwortete, ohne nachzudenken: „2001, in New York.“ (Abgesehen von 9/11 natürlich!) Damals hatte ich den Sprung über den Atlantik gewagt, ein Praktikum in der US-Korrespondenz der „Gala“ angenommen, eine Bruchbude in Chelsea gemietet und in den folgenden Monaten mehr über Journalismus, Promi- und Lifestyle-Berichterstattung gelernt als im gesamten Uni-Studium. Außerdem fügte ich meinem wahren Ich neue, ungeahnte Facetten hinzu. Stichwort: sexuelle Identität. Es war eine Phase voller Magie, Offenbarungen und purer Energie. Tja, und wenn ich einen Duft wählen müsste, der als olfaktorisches Symbol für dieses Jahr stehen könnte, dann ist es „Fierce“.

Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie ich schüchtern an den surfer dude greeters vorbei einen der spärlich beleuchteten Läden betrat. Keine Frage, sich mit entblößtem Sixpack von Casualwear-Käufer:innen begaffen zu lassen, ist definitiv problematisch. Wie auch andere ausbeuterische Praktiken der Modekette, die in einer sehenswerten Doku (Öffnet in neuem Fenster) aufgearbeitet wurden. Zurück zum Parfüm. Dessen Noten von Meersalz, Moschus und Sandelholz quollen förmlich aus den A&F-Geschäften und von dort den Gehweg rauf und runter. Eine verwegene, vielversprechende, verführerische Komposition. Für die muss man heute nicht einmal mehr in eine der Denim-lastigen Boutiquen, und ich gebe gern zu, dass ich weiterhin bei jedem Sprühstoß an dieses „Year of Magical Thinking (Öffnet in neuem Fenster)“ zurückdenke. Nicht schlecht für einen Mainstream-Duft.

Halsketten und Armbänder von A Better Mistake (Öffnet in neuem Fenster): Perlen für Männer sind für die Gen Z fast schon ein alter TikTok-Account. Mir gefällt der Trend dennoch, entsprechend dosiert, also nicht unbedingt dreireihig fürs Teams-Meeting. Die Technomarke ist da mit ihren Hybrid-Designs samt „veganer Perlen“ (also aus Plastik …) schon auf einem guten Weg. Es gibt jedoch deutlich hochwertigere Varianten anderer Label. Alles kleine Schritte zum (Alters-)grenzenlosen Style. #Ilike

Quelle: Lanserhof (Öffnet in neuem Fenster)

QUITTUNG, BITTE!

1 Stern bei Yelp: Über diesen, hm, sagen wir mal „Mann“ habe ich in meinem Bericht zum OMR-Festival (Öffnet in neuem Fenster), in dessen Rahmen er, nun ja, auftrat (?) und für reichlich Schlagzeilen sorgte, bereits alles notiert, was mir subjektiv interessant erschien. Darum hier nur dieses Rechenexempel: Von der Ankündigung seines vermutlich größten Karrieretriumphs, einer Doku-Soap auf Sky, bis zu deren Einstellung als Reaktion auf ungehemmtes Kuscheln mit Amerikas und Deutschlands Ultrarechten, vergingen genau drei Monate. Ein Quartal für den finalen Akt, from hero to zero. Doch bis heute höre ich bei Beauty-Terminen unverhohlen geäußertes Lob für den E-Commerce-Boost durch seine YouTube-Videos. Vielleicht ja dann bald mit gesponserten Grooming-Ratschlägen für einen sehr schmalen, mittig platzierten Schnauzer.

Extra-Trinkgeld: Werde ich diese gigantische Gigabyte-Masse bis Jahresanfang 2024 aufbrauchen? Nö. Aber gefreut habe ich mich trotzdem, wo schon das Telefonieren auf dem Land mit meinem CallYa-Tarif in etwa so gut funktioniert wie der Neuwagenkauf in der DDR. Da werde ich jetzt meine Glasfaser schonen und dem LTE-Netz so viel Entertainment und Insta-Quatsch entreißen, bis es kracht. So geht Kapitalismus. [prustendes Lachen]

Zweimal Hamburg: Etageren im edlen Salon an der Alster – und ein leuchtender Anker im Botanischen Garten (Fotos: Siems Luckwaldt)

BILD, SCHÖN

Afternoon Tea im Fairmont Vier Jahreszeiten Hamburg: Das britische Ritual mit dem sekundengenau aufgebrühten Earl Grey oder Darjeeling nebst finger sandwiches, Scones und clotted cream sowie weiteren Köstlichkeiten im Miniformat ist nun beileibe kein Geheimtipp. Trotzdem war es nach längerer Zeit mal wieder eine Freude, sich in „unserem“ Grandhotel ganz traditionell verwöhnen zu lassen – diesmal nicht in der prächtigen Wohnhalle (Öffnet in neuem Fenster), dafür im nicht minder eleganten Jahreszeiten-Salon (Öffnet in neuem Fenster). Und zwar als Gast der Porzellanmanufaktur Dibbern (Öffnet in neuem Fenster) aus Bargteheide, die ein mit der Künstlerin Kera Till (Öffnet in neuem Fenster) entworfenes „Noël“-Service vorstellte. Fancy another cupper? Oh, thank you very much, indeed!

Christmas Garden (Öffnet in neuem Fenster) im Loki-Schmidt-Garten (Öffnet in neuem Fenster): Man sollte viel häufiger vermeintlichen Touri-Quatsch machen, um dann herauszufinden, dass eben nicht alles, was vielen gefällt, unsinnig oder peinlich ist. Sondern aus sehr nachvollziehbaren Gründen beliebt. Weil: schön. So ging es meiner besseren Hälfte und mir mit diesem Lichterspektakel, das im Ehrengarten der ehemaligen First Lady zu Gast war. Sicher, da ginge in Las Vegas oder Seoul noch mehr – an bunten Birnchen, Laser-Projektionen auf feinen Tröpfchennebel, stilisierten LED-Tieren etc. Doch all das war in homöopathischer Dosis auch in Hamburg vorhanden und entfaltete stimmungsvolle, poetische Wow-Momente.

Ein Hinweis zum Schluss: Alle Empfehlungen, die ich in diesem Newsletter mit Ihnen teile, liebe Abonnenten, sind ganz persönliche und daher hochgradig subjektive Tipps. Als solche verstehen sie sich natürlich nicht als fachlicher (Experten-)Rat in irgendeiner Form, sondern haben rein unterhaltenden Charakter. Außerdem mache ich mir durch die Verlinkung weder die auf den jeweiligen Websites ausgedrückten Fakten und/oder Meinungen zu eigen, noch stehe ich in irgendeiner Geschäftsbeziehung zu Anbietern oder Machern. Für diese Unabhängigkeit zahlen Sie schließlich freundlicherweise mit Ihrem Monats- oder Jahresbeitrag. Vielen Dank, dass ich so mehr (Gedanken-)Freiheit genieße als im traditionellen Mediengeschäft. Ich hoffe, mit jeder Ausgabe der LuxusProbleme profitieren auch Sie davon bestmöglich.

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