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Erdbeere am Strand

Ein Rausch über schwimmendes Gummi

Um mich herum plätschert es. Kleine und größere Tropfen streifen mich an Armen und Beinen, meine Füße hängen im Wasser und auch meine Hände plätschern im salzigen Nass des Atlantiks. Ich höre, wie die Wellen rauschen, die Stimmen der spielenden Kinder kreischen und immer mal wieder einen Pfiff vom Bademeister. Auf einer überdimensionalen Erdbeere aus Gummi schippere ich im seichten Meer.

Warmes Wasser

Das Wasser im Atlantischen Ozean ist derzeit so warm wie selten. Das ist nicht gut, ich weiß das und schäme mich bei dem Gedanken, dass ich es schön finde. Mir ist wohl bewusst, dass das warme Wasser nicht folgenlos bleibt: Ab und an gibt es einen toten Fisch am Strand, der eigentlich tief im Meer wohnt. Erst kürzlich gab es toxische Mikroalgen an einigen Stränden – auch das eine Folge des warmen Wassers.

Ich treibe dahin. Bei Ebbe macht die Barra (Öffnet in neuem Fenster) aus diesem Strandabschnitt an der playa des las canteras eine Art Badewanne. Eine natürliche Barriere, an der sich genau erkennen lässt, wie der Lavastrom einst glühend ins Meer hinabfloss. La Barra schützt den Strand vor hohen Wellen und verwandelt ihn bei Niedrigwasser in einen riesigen Meerwasserpool.

Brauner Nebel

Dunst wabert über die Sonne. Wie ein bräunlicher Nebel verdeckt er das grelle Licht und alles erscheint mir wie in Watte gepackt. Die Wolken, die über den Atlantik ziehen, sind vom Wüstensand aus der Sahara leicht eingefärbt. Mit dem Calima kommt die Hitze. Wir gehen erst 17.00 Uhr an den Strand und bleiben, bis die Sonne im Wasserdampf verschwindet. Bei klarer Sicht zeigt sich Spaniens höchster Berg – der Teide auf Teneriffa.

Auf einmal platscht es. „Flatsch, Flatsch, platsch.“ Das Geräusch kommt näher und verschwindet dann wieder. Aus dem Augenwinkel sehe ich noch das Paddel eines Standup-Paddlers. Es herrscht wieder Stille. Die Ruhe vor dem Sturm, denke ich noch und konzentriere mich, um etwas zu erlauschen. Aber lediglich die brechenden Wellen an der Barra dringen an meine Ohren. Sanft schaukele ich auf der Fresa (spanisch für Erdbeere), wie wir sie nennen, dahin.

Auf einmal ein Rumms, ein massiver Puff von unten gegen meinen Po, noch einer, ein Schrei von unten. Ich werde hochgeschleudert (ok, schleudern ist vielleicht ein bisschen übertrieben), und mit einem lauten „Klatsch“ lande ich im Wasser.
Als ich auftauche, höre ich es kichern und lachen. Ich schaue mich um, die Fresa wurde gekapert. Mann und Kind jubeln, ich lache und stürze mich auf sie. Natürlich habe ich gegen die beiden keine Chance.

Nicht immer ist die Fresa ein sicheres Gefährt, möchte ich an dieser Stelle betonen. Im vergangenen Herbst spülte es den kleinen Sohn unserer Freunde einmal heftig durch. Die Wellen waren zu hoch für unsere Erdbeere und sie klappte einfach um, samt Kind. Deswegen an dieser Stelle drei Tipps für den Gebrauch einer Fresa:

  1. Fresa besser bei Ebbe bespielen.

  2. Es sollte windstill sein.

  3. Mindestens Seepferdchen-Abzeichen haben.

Geliebtes Gummi-Schwimm-Tier

Alles begann mit Fridolin und Conni am Strand. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich unserem Mädchen die Geschichte vom schwimmenden Gummi-Korokodil vorgelesen habe. Wie Fridolin im Wind davon fliegt und eine Frau kreischt, sie habe ein Krokodil gesehen. Heldenhaft stürzt sich der Bademeister in die Fluten und rettet Fridolin.

Fridolin wohnt übrigens auch bei uns zu Hause in Berlin, im Keller. Er teilt sich ein Fach mit einem monströsen Schwan. Zwischen Kalk-Sandstein und Karbon (Öffnet in neuem Fenster) fristen sie ihr Dasein und hoffen auf Einsatz. Aber sie sind fürs Handgepäck einfach zu groß.

Im vergangenen Sommer dann wünschte sich das Mädchen ein Schwimmtier auch hier auf der Insel.
„Damit ich etwas zum Spielen habe, wenn es windstill ist.“ So ihr Argument. Normalerweise ist sie ja mit ihrem Bodyboard (Öffnet in neuem Fenster) zwischen den Surfer*innen unterwegs. Ihr Geburtstag kam, und wir gingen ins „El Corte Ingles“. Ich hasse Kaufhäuser, ich meide sie regelrecht,- aber das Corte ist etwas anderes. Hier schlendere und flaniere ich. Kaufe nichts und bin sehr zufrieden. Schon Onkel Tio (Öffnet in neuem Fenster) brachte immer bolsitas (Tütchen) aus dem Corte mit nach Berlin.

Wir also rein da. Es gibt alles, wirklich alles, nur keine gescheiten Schwimmtiere aus Gummi – außer einer Fresa. Die nehmen wir: groß, auffällig, rot.

Hola Señora Fresa

Mein Mädchen schippert mich zur Versöhnung noch ein bisschen durchs nasse Blau, ein Beachguard kommt im roten Neoprenanzug auf seinem Jetski vorbei. Wir winken fröhlich, er guckt ernst und winkt dann sehr cool zurück. Leider können wir nicht erkennen, ob er lächelt. Wir geben sicherlich ein nettes Bild ab, eine platte Mama auf einer aufgeblasenen Erdbeere, ein Kind, das sie durch die Gegend schiebt.

Leider verliert die Fresa Luft; sie trägt einen Flicken, der nicht hält. Den gab es übrigens umsonst im Fahrradladen. Dort lieh sich mein verrückter Triathlon-Mann (Öffnet in neuem Fenster) ein Rad aus und strampelte auf den höchsten Berg der Insel, den Pico de las Nieves. Der Radladen gehört einem Bayern, der seit 35 Jahren hier auf der Insel lebt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich spüre, wie ich auf Grund laufe. Das Mädchen hatte nun doch genug davon, mich umher zu juckeln. Mein Po schleift über den Sand, ich drehe mich um und bin gestrandet. Kinder schauen mich belustigt an, allgemeines Grinsen, über die verträumte Alte auf der Erdbeere.
Ich mag mich hier, im Meer, am Strand: Heli und der Ozean, denke ich und schaukele noch ein bisschen in der Brandung. Dann wuchte ich mich auf, schleppe die gute Fresa zu unserer Decke und plumpse erschöpft (von nichts) in den Sand.

In diesem Sinne: Lasst euch mal wieder fallen, am besten leicht&lebendig, Helen

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