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Jahresrückblick 2023: Leider fett geworden

Der vollkommen subjektive Newsletter über Medien, Digitalgedöns und extrem viel Privatleben. Heute: extrem viel Privatleben in 12 mundgerechten Happen.

JANUAR An Silvester gieße ich einen Wal. Google sagt, dass das für Fettwerden steht. Das Wachs sollte Recht behalten, aber das ist okay. Auf Teneriffa reicht mein Spanisch für nichts. Abends singe ich mit einer Gruppe von Expats und Einheimischen am Strand. Es fühlt sich genauso an, wie es im Film immer aussieht.

FEBRUAR Ich belege drei Mal beinahe einen Djembé-Trommelkurs, aber es scheitert an den Umständen. Stattdessen sehe ich das erste Mal den Mond durch ein Teleskop. Er sieht ordnungsgemäß wie ein großer, runder Käse aus. Beim zweitgrößten Karneval der Welt rauche ich aus einem spontanen Entschluss meine letzte Zigarette.

MÄRZ Mit meiner Rückkehr nach Berlin kommen die Krokusse. Ich säe Sommerblumen-Samen und hoffe, hoffe, hoffe. Ich treffe eine große berufliche Entscheidung und eine mir bisher unbekannte Methode (Öffnet in neuem Fenster) hilft mir dabei. Ein alter Freund aus Argentinien besucht uns. Es bedeutet nichts und nichts davon bleibt mir in Erinnerung.

APRIL Ich bin viel in der Kneipe, aber es löst wenig in mir aus. Ich gehe zu einem Talk über KI und plötzlich kommt der Frühling wirklich. Ich sage: Ich will mein Leben nur noch in Parks verbringen. Mein Kumpel Markus stimmt zu. Am 21. singen wir laut und ohne jede Scham Coversongs im Volkspark Friedrichshain.

MAI Ich öffne die Balkontür und meine Ukulele klingt durch den Hinterhof. Der depressive Schub hat sich schon lange angekündigt und zieht mir jetzt fast die Schuhe aus. Ich weine Sturzbäche, sehe kein Land, aber Musikmachen hält mich über Wasser. Ich fahre nach Brandenburg, um mit einer Peruanerin eine Trommel zu bauen, werde krank, baue die Trommel aber trotzdem. Danach geht alles bergauf.

JUNI Ein schöner Mann sprüht Figuren auf Schornsteine und eine davon soll ich sein. Die Wärme kommt wie eine prickelnde Ohrfeige. Ich liege das erste Mal am Plötzensee. Ein Song, den ich geschrieben und gesungen habe, ist jetzt einfach bei Spotify. In München brennt Väterchen Timofejs Ost-West-Friedenskirche ab: Mein Lieblingsort in dieser Stadt verschwindet von einem Tag auf den nächsten. Bei den Music Video Awards werden wir nicht mal Sieger der Herzen, aber immerhin sehen wir auf den Bildern gut aus.


JULI In Baruth/Mark in Brandenburg versprechen sie Urstrom-Jerseys (coole Kühe), aber es sind weit und breit keine zu finden. Beim jährlichen STI-Test verrät mir der Sachverständige in verschwörerischem Ton den einzig wirksamen Schutz gegen Geschlechtskrankheiten: Sex mit der KI. Er spricht aus Erfahrung. Wir reden ewig, ich lerne vieles und es wird auch gelacht. Beim Blutabnehmen lache ich nicht mehr, aber das dauert nur 10 Sekunden. Ich verabschiede ihn wahrheitsgemäß mit „War schön“, was in der Beratungsstelle Sexuelle Gesundheit sicher angemessen ist.

AUGUST Plötzlich habe ich Familie in Singapur. Ich singe Karaoke in einem Einkaufszentrum und verstoße innerhalb von 48 Stunden gegen 6 Singapurische Gesetze: 

1. Kaugummi eingeführt
2. auf öffentlichem WC nicht gespült
3. an Stelle ohne Ampel Straße überquert
4. Alk nach 22 Uhr transportiert
5. auf die Straße gespuckt
6. im U-Bahnhof Wasser getrunken

Im Malaysischen Dschungel werden wir fast von 60 Affen getötet, aber kommen gerade noch so davon. Von Shrimps am Po beknabbert werden: 5/5 Sterne.

SEPTEMBER Der letzte Kaffee im Freien kommt aus Porzellantässchen. Eine einfache Maracujaschorle beim Griechen führt fast zum Exodus. Ich trockne die Tränen von S. und sie putzt dafür eines meiner Fenster. Ein Mann ist horny und sagt: Ich muss jetzt kurz nach hinten und wenn ich zurückkomme und du bist noch da, kann ich für nichts garantieren. Ich bin weg.

OKTOBER Am 1. Oktober spielen im Volkspark Friedrichshain immer noch Leute Beachvolleyball mit freien Oberkörpern. Wir machen Straßenmusik und verdienen 42,49 Euro. Es ist eine völlig irrsinnige Erfahrung: Man sieht, welche Songs Leute zum Anhalten oder sogar zum Tanzen bringen – und wo man sie wieder verliert. Ich lebe für zwei Wochen in meiner alten Studienstadt Dresden, werde gut behandelt und komme mit Keksausstechern in Tittenform in den Taschen zurück.

NOVEMBER An einem 40. Geburtstag lande ich in einem Club, den eigentlich niemand von uns je betreten würde. Dafür laufen The Streets. Ich träume von einem rosa Hasenkostüm und man revealed mir den Stecher in unserer Stammkneipe. Seine Strategie ist, dass er Frauen heimlich mit auf die Toilette nimmt, damit niemand sieht, dass er mit allen schon einmal was hatte.

DEZEMBER Ich färbe mir die Haare Pink, lerne alles über Verantwortungseigentum und arbeite mich kaputt. Zwei Amis wippen bei YouTube im Takt zu unserem Song Rakete. S. und ich sagen uns die Wahrheit. Im Zenner halten Laura und ich betrunken Händchen auf Schlittschuhen und ich denke: Es ist wirklich alles gut. Kurz darauf verwandle ich mich in eine Einsiedlerin. Zum Schluss lebe ich gar nicht schlecht mit mir.

2023 ist vorbei. Vielen Dank, dass du dabei warst. Dass ich hier neben Kommentaren zur digitalen Welt auch über meine ganz eigene Welt schreiben darf, hilft mir dabei, nicht den Verstand zu verlieren. Ich protokolliere auch die besten Stellen aus allen Büchern, die ich gelesen habe (Öffnet in neuem Fenster). Bitte bleib gesund, sei gut und fair zu dir. Wir sehen uns auf der anderen Seite. In alter Frische.