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Mein Anti-Jahresrückblick 2023

Wie fühle ich mich in meinem Körper? Mache ich regelmäßig Sport und esse ich gesund? Macht mir mein Job mehr oder weniger Spaß? Ganz ehrlich, keine Ahnung und ist mir auch egal. Die Vermessung des Jahres muss diesmal ohne mich stattfinden.

Ich weiß nämlich gar nicht mehr, wann oder warum ich damit angefangen habe, Jahresrückblicke zu verfassen. Irgendwie macht das jeder in der Branche so, zum Schluss nochmal flexen und zeigen, wo man überall mit wem war, das (Erwerbs)leben feiern, das in seiner Dichte und Fulminanz so natürlich gar nicht stattgefunden hat. Sich „erinnern“, an die besten Locations, die erfolgreichsten Projekte, die wichtigsten Erkenntnisse. Das Gedachte und Erreichte publik machen, sich selbst auf die Schulter klopfen, ein paar provisorische Worte an die Zukunft richten.

Hoffnung.
Demut.
Lust.

Die Mails diverser Content-Creator und Werbetreiber trudeln nur so ein, als ob jemand Zeit hätte, sie jetzt zu lesen – zwischen Weihnachtsstress und Silvesterstress.

Und eine Woche später ist das Ganze doch sowieso wieder vergessen, in weniger als einer Woche interessiert sich niemand mehr für dein Fazit aus 2023. Also warum die Mühe? 

Trotzdem sitze ich da, am 30.12. abends in meiner Wohnung, statt mich mit Freunden zu betrinken und versuche auf Knopfdruck etwas Gehaltvolles über dieses Jahr zu sagen, in bedeutungsvolle Sätze zu verpacken, um mich selbst zu reflektieren. Und anderen dabei gleichzeitig auch noch etwas mitzugeben.

Kann ich das überhaupt?
Bringt das was?

Letztere Frage hat mich dieses Jahr wohl beruflich am häufigsten beschäftigt (da ist sie ja, die gute, alte Selbstreflexion). Ich habe ab dem Sommer verhältnismäßig wenig gebloggt, weil ich mir ganz oft dachte, dass ich diesen oder jenen Take doch schon gebracht habe und ich mich nicht wiederholen möchte. Im Juni 2024 kommt nicht nur mein Buch „Potenziell furchtbare Tage“ beim Haymon Verlag raus (hier vorbestellen (Öffnet in neuem Fenster)), ich mache auch gemeinsam mit Palomaa Publishing (Öffnet in neuem Fenster) das Buch zum 10-jährigen Jubiläum von groschenphilosophin.at (Öffnet in neuem Fenster) und werde dabei das vergangene Jahrzehnt Internetkultur und Feminismus sicherlich noch zu Genüge aufarbeiten.

Außerdem, … habe ich dieses Jahr 300 Seiten geschrieben (da ist sie ja, die Angeberei) und +- zehn Podcast-Episoden zu Anti-Work und Menstrual Health für unseren Podcast “The Bleeding Overachiever” (Öffnet in neuem Fenster) produziert.

Kein Wunder bin ich gelangweilt.

Von meinen eigenen, sich wiederholenden Gedanken. Aber, ganz ehrlich: Auch jenen der anderen (sorry!). In kaum einem Jahr habe ich so wenig Blogs und Zeitschriften gelesen, wie in diesem. Ich habe fast alles, was mir meine Mutter in guter Absicht auf den Schreibtisch legte, ungelesen weggeworfen. Selbst die aktuelle Ausgabe des Falters liegt knitterfrei neben mir.

Ich habe aktuell weder Lust, zu schmöckern, noch, mich weiterzubilden.

Heute war ich mit meiner Podcast-Partnerin Iris nach der Aufnahme unserer ersten Folge zur 2. Staffel von „The Bleeding Overachiever“ im Miznon Pita essen und habe daran zurückgedacht, mit welcher Passion ich einst groschenphilosophin geschrieben habe. Wie ich morgens als erstes an den Computer bin, weil es mir unter den Nägeln brannte.

Inzwischen ist mir mein Nichtstun wichtiger, als das karriereorientierte Bloggen; wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen nochmal dreißig Minuten liegenbleiben mit der Person, die ich liebe – und Kulturkritik schreiben, ich würde immer liegenbleiben wählen; ich würde immer rausgehen wählen, in den Himmel starren, schwimmen, Eisessen, ausschlafen. Mich verschwenden, sich verzehren.

Vielleicht „bemesse“ ich mein Jahr deshalb inzwischen lieber danach, ob ich viel, oder wenig arbeiten musste; ob ich viel oder wenig Zeit mit den Menschen verbringen konnte, die mir etwas bedeuten; ob ich gerade überhaupt die Beziehung führe, die ich mir wünsche.

Vielleicht habe ich deshalb so wenig zu sagen, weil ich mich privat gerade wenig aufregen kann. Ich weiß längst, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, dass es keine „Traumjobs“ gibt und auch keine nachhaltige Erfüllung im kapitalistischen Erwerbswesen, egal, wie dieses aussieht; ob es sich in einer schicken Altbau-Institution im ersten Wiener Bezirk abspielt oder einem Konsumtempel, ob ich mir im Sitzen oder Stehen Kreuzschmerzen hole. Am allerliebsten habe ich Zeit zum Nichtstun. Ich bin richtig, richtig gerne faul. Das Wort hat für mich jegliche negative Konnotation verloren.

Die Abwesenheit von Sorgen hat mich still werden lassen.

Ich bin glücklich.
Ich bin sehr verliebt.
Ich weiß, was ich als nächstes machen möchte (Romanschreiben, Performance, Lesungen, Kunst).

Und mit genau diesem guten Gefühl, mit dieser Mischung aus Gelassenheit und Zufriedenheit lege ich mich jetzt wieder auf die Couch – statt hier weiter über 2023 zu lamentieren oder euch Content zu empfehlen.

Wirklich, Bianca?
Ok, ganz kurz aber nur.

Theaterstück des Jahres: Kaspar (Öffnet in neuem Fenster) (Akademietheater, Wien)
Artist of the year: Lola Young (Öffnet in neuem Fenster)
Book of the year: D. Hunter – Auf uns gestellt (Öffnet in neuem Fenster)
Doku of the year: ECHT - unsere Jugend (Öffnet in neuem Fenster)

Bis 2024!

 

Eure Groschenphilosophin

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