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Die Linkspartei ist ein gescheitertes politisches Projekt

Liebe Leute, es folgt ein Anschreien der Partei, die mich so enttäuscht hatte. Ihr kennt das sicherlich Alle, dieses Gefühl. So here we go:

Hey Genoss*innen, die nach Oskars Parteiaustritt (Öffnet in neuem Fenster) rufen, jetzt sei die Zeit, in die Partei einzutreten: geht's noch? Wollt Ihr uns - z.B. Queers, global justice Aktivisti, PoCs - wirklich erzählen, dass Euer Haufen nur das Lafontaine-Problem hatte? Gab es da nicht Probleme mit dem gesamten Führungspersonal, Euren (welchen?) Inhalten, und natürlich Eurer allgemeinen Entscheidungsunfähigkeit? Lohnt es sich wirklich, auf ein vielleicht schon sinkendes Schiff aufzuspringen?

Schreckliche Personen

Aber eins nach dem anderen. Zuerst einmal war nicht Oskar Lafontaine bis vor kurzem Fraktionsvorsitzende im Bundestag, sondern Sahra Wagenknecht, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Von der Basis kam sogar ein Antrag auf Parteiausschluss (Öffnet in neuem Fenster), der Vorstand hätte dazu einfach nur die Klappe halten müssen. Aber nein, er stellt sich öffentlich hinter Wagenknecht, trotz der neurechten Thesen, die sie in ihrer Generalabrechnung (Öffnet in neuem Fenster) mit „ihrer“ Partei, ihrem Buch „die Selbstgerechten“, laut in die Öffentlichkeit posaunt hatte. Noch dümmer: die Parteispitze machte sogar mit ihr zusammen Wahlkampf!

Das kam zum Beispiel in den queeren Communities des Landes gar nicht gut an, denn Sahra bezeichnete in "die Selbstgerechten" nicht nur die Beschäftigung mit Gerechtigkeitsthemen wie queerer Gleichstellung als Gedöns, sie griff unsere Leben, unsere Identitäten direkt an, bezeichnete sie als „Lifestyle-Marotten“. Trotzdem wurde sie von höchstoffizieller Parteiseite öffentlich verteidigt.

„Sahra“ ist also ein viel größeres Problem, als „Oskar“. Doch damit nicht genug, denn hinter und über all den Problemen Eurer Partei schwebt der Dick Cheney der LINKEN, Didi "das Wiesel" Bartsch, dessen Opportunismus und Inhaltsleere so weit geht, dass er 2015 mit der damals noch "antikapitalistischen" Wagenknecht ein Bündnis einging, das sog. "Hufeisen". Für die Sache: nichts. Für die Macht: alles. In diesem Bündnis wuchs dann zusammen, was zusammen gehörte: aus dem inhaltlichen Opportunismus der Bartschist*innen & Sahras Querfronttendenzen entstand ein stabiler, nationaler Portemonnaie-Sozialismus, mit nur einem Inhalt (Öffnet in neuem Fenster): *Deutschen* Arbeiter*innen soll es gut gehen.

Jetzt aber weg von den Personen – jetzt würde eigentlich anstehen, den guten autosüberalles-NichtEuerErnst-IG-Metaller Klaus Ernst aufs Korn zu nehmen, den die Linksfraktion in einem fast schon bewundernswerten Anfall (Öffnet in neuem Fenster) von Zynismus zum Vorsitzenden des Bundestagsausschusses zu Klimaschutz und Energie ernannte – und hin zu den Inhalten der LINKEN.

Unklare Inhalte

Aber Moment: was sind denn eigentlich Eure Inhalte? Actually: never mind, die Antwort würde zu lange dauern, wäre – wie zum Beispiel in der Frage der Klimagerechtigkeit, ein verquastes sowohl-als-auch, das Niemanden mobilisiert. Das gilt im Grunde bei allen Fragen, die zählen, um die es relevante gesellschaftliche Konflikte gibt: Geht es um Autos, seid Ihr PRO JOBS! Geht es ums Klima, seid Ihr PRO KLIMAGERECHTIGKEIT! Und wenn es da nen Widerspruch gibt? Egal, das is' irgendwie dialektisch, jeder reale Widerspruch harrt nur der Auflösung in einem Begriff wie z.b. „industrielle Konversion", „gerechte Übergänge“, oder mit etwas gesellschaftstheoretischem Anspruch: „linkes Mosaik“.

Wie sieht's bei anderen Themen aus, zum Beispiel beim Transsexuellengesetz? Dazu kriegt Ihr kein geschlossenes Abstimmungsverhalten hin, nicht mal bei einem so offensichtlichen no-brainer: Trans-Rechts sind Menschenrechte. So einfach ist's. You're welcome. Russland? „Naja, aber die NATO!“ NATO? „Jein...“ Globale Gerechtigkeit? „Wenn nicht zu teuer.“

Need I continue? Sexarbeit, ein Thema, das mir aus gegebenem Anlass am Herzen liegt: auf der einen Seite Conny Möhring, die solide an der Seite der Hurenbewegung steht. Auf der anderen zum Beispiel Lucia Schnell aus Neukölln, die in Sexarbeit nicht etwa die doppelt-freie Entscheidung einer Arbeiter*in sieht, sondern bloß eine Manifestation eines gewalttätigen Patriarchats, die es abzuschaffen gilt. Das gegenwärtige Großthema Energie- & Benzinpreise? Runter, rufen Amira & das Wiesel; falsch! rufen Lorenz Gösta Beutin und andere aufrechte. Face it: Ihr seid strukturell entscheidungsunfähig!

Kaputte Strukturen

Als jemand, der nach 10 Jahren u.a. aus der RLS gemobbt wurde, weil er eine klare Entscheidung der Partei in der Klimafrage forcieren wollte – denn „für Klimagerechtigkeit!“ heißt hierzulande im Zweifelsfall halt auch oft „gegen die IG Metall“ - habe ich lange darüber nachgedacht: woher kommt das? Lange dachte ich, es seien die Personen (allen voran Katja Kipping und Bernd Riexinger) und ihre spezifischen Schwächen, ihr Unwillen, in den direkten Kampf gegen Sahra Wagenknecht und Crew (Dagdelen, Dehm, etc.) einzusteigen. Dann kam die neue Parteiführung, kamen Susanne Hennig-Welsow und Janine Wissler... und alles blieb sich gleich. Sahra Wagenknecht wurde gekuschelt, es gab gemeinsame Auftritte mit ihr, und die Vorsitzende der Linksfraktion blieb eine Genossin von Sahras Gnaden.

Wenn aber wechselnde Personen (außer dem Wiesel: he is eternal) immer die gleichen Fehler machen, deutet das darauf hin, dass diese Fehler das Resultat tieferliegender Strukturen sind. Was also könnte es in der DNA der LINKEN sein, das dazu führt, dass Ihr radikal sein wollt, aber Konflikte scheut? Meine These: Eure fast pathologisch anmutende Entscheidungsunfähigkeit ist das Resultat Eurer Genese als wackeliges Zweckbündnis zweier kulturell und politisch sich kaum fremder sein könnenden Kontexte: linke Westgewerkschaftszampanos (WASG), und vage sozialdemokratische Ostapparatschiks (PDS).

Damals waren es tatsächlich Lafontaines Charisma und Wucht, die das zusammenbrachte, was im bundesdeutschen West-Neoliberalismus durchaus zusammen gehörte, aber: substanzielle inhaltliche Kompromisse waren eigentlich nicht möglich (wer schon mal mit DGB-Gewerkschaften geredet hat, weiß: nach links machen die keine Kompromisse, nur mit dem deutschen Kapital). Also wurden fast auschließlich Formelkompromisse geschlossen, denn jeder Konflikt könnte den Bruch des Bündnisses bedeuten. Und die Ostapparatischiks (die PDS wurde von progressiven aber innersystemischen Eliten gegründet) wollten doch so gerne regieren - immerhin waren sie mal Elite. So entstand eine Institution, die unfähig ist, Konflikte auszutragen, die alles aussitzen muss, weil die Angst vor dem Bruch der Organisation, dem Abstieg in die Kleinstparteienkategorie, allen Kampfeswillen abtötete. So eine Art Linksmerkelianismus, den niemand braucht.

Deswegen ist die LINKE bei der letzten Bundestagswahl so hart abgeschmiert, deswegen kümmert es immer weniger Leute, was die immer irrelevantere Parteiführung sagt, deswegen macht die Linksfraktion Querfrontpolitik, deswegen vertraut die Klimabewegung der Partei nicht: Ihr habt nix zu nix zu sagen.

Die LINKE ist ein gescheitertes politisches Projekt. Es kann sein, dass Ihr Euch noch ein oder zwei Legislaturen im Bundestag haltet, aber politisch seid Ihr bloß noch eine Zombielinke, die blind auf der Suche nach Wähler*innenhirnen durchs Land stolpert.

Chto delat?

Die wirkliche Frage ist: was tun? Natürlich braucht es eine Partei links der Grünen und der SPD - aber die LINKE ist nicht mehr diese Partei. Frank Laubenburg hat vielleicht sogar recht, wenn er sagt (Öffnet in neuem Fenster), "Es wird auf Jahre keine starke, linke Partei in der BRD mehr geben". Denn Parteiaufbau ist oft unbefriedigende und erfolglose Kärrnerarbeit, die Skillsets braucht, die unter uns Linken nicht weit verbreitet sind. Aber wir wissen auch: zu glauben, dass strukturell kaputte Institutionen durch ein paar gute Leute reformierbar sind, ist Quatsch.

Also: die LINKE ist tot, ob sie es weiß, oder nicht. Es braucht aber eine linke Partei, u.a. aus Sicht der Klimagerechtigkeitsbewegung (meiner pol. Heimat), denn wir brauchen einen Player, der den Grünen das Klimathema streitig machen kann – damit wir diese beiden Parteien dann gegeneinander ausspielen können. In manchen progressiven und strategisch denkenden Bewegungskontexten wird schon länger über die Frage diskutiert, ob eine neue Partei zu gründen, der richtige Weg sei. Die Antwort ist meist "nein, dauert zu lang, ist zu viel Arbeit". Aber jeden Tag, den die LINKE wieder daran scheitert, eine linke Partei zu sein, ändert sich dieses Kalkül ein Stück. Jeden Tag, den Sahra Wagenknecht und ihre Querfrontthesen lauter sind, als die ganze Partei, die sie nicht rauswerfen kann und/oder will, rutscht ihr weiter in die Irrelevanz.

Kann sein, dass den „guten“ Kräften in der Partei noch eine letzte Chance bleibt: „Signalkämpfe“ zu führen und zu gewinnen, die zeigen, dass sie auf der Seite der globalen Gerechtigkeit steht, auf der Seite der Queers und der PoCs, auf der Seite der Verdammten der Erde. Zeigt den Gruppen und Bewegungen, die von Wagenknecht angegriffen wurden, zeigt der Gesellschaft, dass Ihr kämpfen könnt: schmeißt Sahra und Anhang raus, verurteilt ihre Thesen. Sägt endlich das Wiesel ab. Geht gegen den Standortnationalismus des DGB vor, lasst diesen Portemonnaie-Sozialismus fallen, positioniert Euch klar in der Klima-, der Impf-, der Ukraine-Frage. Ob das noch helfen wird? Keine Ahnung, ich glaube nicht, aber es ist das, was ich versuchen würde, wäre ich in der Partei.

Aber wahrscheinlich wird es nicht passieren, werdet Ihr diese Signal- und später Entscheidungskämpfe nicht führen. Weil Ihr das noch nie getan habt. In dem Sinne: Die LINKE isch over. So long, & thanks for all the crap. Und für uns gesellschaftliche & Bewegungslinke gilt leider immer noch, immer wieder: "Geschlagen ziehen wir nach haus, die Enkel fechten's besser raus."

Soweit. Alles Gute. Euer

Tadzio

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