Die antifaschistische Zeitenwende: Thüringen, Sachsen, und “by any means necessary”
Liebe Leute,
der elektorale Clusterfuck von gestern Abend, genauer, der AfD-Wahlsieg in Thüringen, ist der erste Wahlerfolg einer faschistischen Partei in einer freien “Flächenwahl” in Deutschland seit der letzten freien Reichstagswahl am 31.7.1932. Und das am Jahrestag des Überfall auf Polens. Und das im Bundesland, das schon “damals” das erste war, das die Nazis 1930 an die Macht hievte, bevor sie (first, they take Thuringia. Then they take Berlin!) in Berlin und ihnen im Land die Macht übergeben wurde.
Dazu wollte ich heute morgen einen kleinen Text so a la “7 Lehren aus den Wahlen in Thüringen und Sachsen” schreiben: irgendwas zur FDP (deren grandioses Abkacken gestern wirklich einer der wenigen Lichtblicke war – alter, nicht mal 2% :)), irgendwas zur LINKEN und zum BSW, irgendwas zur Ampel.
Lektion 1: die AfD ist keine normale Partei.
Aber dann hörte ich heute Morgen den Kretschmer im DLF, der etwas sagte, was mich gleich wieder an Decke fahren ließ, also schreibe ich jetzt über die allererste und zentrale Lehre, die wir aus den Wahlen in Thüringen (und ein Bisschen Sachsen) ziehen müssen: weil die AfD eine revolutionär-faschistische ist, darf man sie nie als “normale Partei” behandeln, mann muss strategisch, notfalls unter der Gürtellinie, und wenn notwendig auch skrupellos agieren, wenn es darum geht, die AfD und ihre nahestehenden Organisationen zu stören und zu zerstören, zu schlagen und zu zerschlagen. Wer das nicht tut, kann sich vielleicht auf dem weichen Bett von “ich hab alles richtig gemacht, und mich immer demokratisch verhalten” ausruhen, aber: das Bett wird halt bald in ner Diktatur stehen, und Du wirst halt nicht mehr drin liegen, sondern im Gefangenenlager. Denn, wie Ferat Kocak (Öffnet in neuem Fenster) (LINKE NK) das so schön formulierte: demokratisch gewählt heißt nicht demokratisch. Something that many “democrats” seem to routinely forget.
Kretschmer sagte nämlich – und hier merkt man, dass er noch nie ne Beziehung mit nem abusive Partner hatte – apropos “Brandmauer”, dass man den Begriff nicht mehr benutzen solle, die AfD sei wahnsinnig gut darin, sich selbst als Opfer darzustellen, das hülfe der AfD, also sie nicht mehr ausgrenzen, weil, das hilft Ihr. Man solle die AfD-Faschos wie eine “normale Partei” mit allen Rechten und Pflichten behandeln.
Alter: da hat jemand entweder in Geschichte nicht aufgepasst, oder es sorgt sich jemand mehr um die Stabilität der sächsischen CDU als der Demokratie im Land. To recap: Ziel der Politik der AfD und ihrer faschistischen Landesverbände in Sachsen & Thüringen, ist es nicht, Teil des "normalen" demokratischen Spiels zu werden, sondern - das wissen wir von Höcke und Göbbels - dieses Spiel zu beenden, und ein neues Spiel nur für Doitsche zu spielen.
Das einschlägige Goebbels-Zitat (Öffnet in neuem Fenster) nochmal als Reminder: “Das wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde. Die verfolgten Führer der NSDAP traten als Abgeordnete in den Genuss der Immunität, der Diäten und der Freifahrkarte. Dadurch waren sie vor dem polizeilichen Zugriff gesichert, durften sich mehr zu sagen erlauben als gewöhnliche Staatsbürger und ließen sich außerdem die Kosten ihrer Tätigkeit vom Feinde bezahlen. Aus der demokratischen Dummheit ließ sich vortrefflich Kapital schlagen.”
To that end werden diese strategisch agierenden, völkischen Faschisten jedes Mittel nutzen. Wenn sie ausgegrenzt werden, nutzen sie das für ihren Opferdiskurs. Wenn sie eingebunden werden, nutzen sie das, um die Demokratie lahmzulegen / zu zerstören (vgl. MAGA/USA), und vgl. das Goebbels-Zitat.
Mit Nazis Politik zu machen, überhaupt mit ihnen zu reden, jede Form der nicht-kampfförmigen Interaktion mit ihnen ist also für sie nur ein Schritt, um das demokratische Spiel zu zerstören. Deshalb kann man mit Nazis auch keine rationalen politischen Kompromisse schließen (Öffnet in neuem Fenster): denn jeder Kompromiss ist für die nicht das Erreichen ihrer politischen Ziele, die sich nicht quantitativ abbilden lassen, sondern ein weiterer Schritt in Richtung ihres einzig relevanten Zieles: der Errichtung einer undemokratischen, völkisch-faschistischen Herrschaft in Deutschland.
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Lektionen aus den USA: Faschos machen Faschosachen
Again: was passiert, wenn man einen faschistischen Putschistenkult wie "eine normale Partei" behandelt, zeigen die USA und die Republicans, noch vor Trump. Erinnert Ihr Euch an Merrick Garland? Weil Obama chickenshit war, und sich nicht getraut hat, ein paar parlamentarische Manöver durchzuführen, die legal aber nicht "in the spirit of the US Senate" waren, konnten die Republicans seinen Supreme Court-Pick Garland verhindern. Auf dessen Stuhl sitzt jetzt Gorsuch, den den Republicans gegen jede Gepflogenheit durchprügelten, cause they don't care.
And you know what Gorsuch did? He helped kill Roe-v-Wade, also das Recht auf Abtreibung. Sowas kommt davon, wenn man glaubt, Faschisten seien "normale" politische Player. They're not. Die sind die sprichwörtliche Taube beim Schachspiel (die, die das Brett kaputtmacht).
D.h.: gegen Nazis funktioniert nur Ausgrenzung, Kontramobilisierung und Kampf, auf jeder Ebene, by any means necessary.
By any means necessary
Und btw: für einen Linksradikalen wie mich, der im Prinzip sehr gut mit antifaschistischer Militanz klarkommt, heißt "any means necessary" vor allem: Das machen, was notwendig ist. Nicht das, was Dir Deine politische Identität gerade als das richtige Tool anzeigt. Es ist halt oft nicht die physische Militanz, sondern die Stadtteilarbeit (oder das "solidarische Prepping (Öffnet in neuem Fenster)"), das die beste antifaschistische Arbeit darstellt.
Als ich gestern zur Wahl von "by any means necessary" sprach, meinte ich das von vielen Linksradikalen verpönte "taktische Wählen", meinte überhaupt wählen. Aber für Euch Bürgis kann das "BAMN" halt auch heißen, über Euren Schatten zu springen, und Nazis direkt bekämpfen.
Das meint "Zeitenwende:" wir haben den Raum der "normalen" politischen Auseinandersetzung verlassen. Ein faschistischer Wahlerfolg in einem Flächenland muss in D effektiv den politischen Notstand konstituieren, und im Notstand muss man auch seine eigenen Regeln brechen.
Tut man das nicht, läuft man schnell Gefahr, keine eigene rule setting capability mehr zu haben, sondern sich schon bald dem faschistischen Joch beugen zu müssen. This is a real danger! Eine faschistische Partei unten einem Fascho hat bei einer Wahl triumphiert.
Deren politisches Ziel ist ein ethnisch gesäubertes, autoritäres, putinkuschelndes, Migrant*innen, Queers, Linke, aufmüpfige Frauen, etc., jeglicher Form von Unterdrückung, Dransalierung, Gewalt auszusetzen, die ihnen einfallen. Dagegen halten wir: BY ANY MEANS NECESSARY!
Mit antifaschistischen Grüßen,
Euer Tadzio