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Warum du dich im Café und im Großraumbüro nicht konzentrieren kannst

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: was uns beim Arbeiten ablenkt und welche Musik dir dabei hilft, dich zu konzentrieren.

Zwei Katzen sitzen im Café und schreiben etwas auf Papier.

In der aktuellen Serie dreht sich alles um eine Erkenntnis: Denken findet nicht nur im Gehirn statt. Wer besser lernen, arbeiten und kommunizieren will, sollte wissen, wo noch. Hier findet ihr alle bisherigen Ausgaben dieses Newsletters (Öffnet in neuem Fenster).

Manchmal wird es mir im Homeoffice zu langweilig. Ich gehe dann ins Café um die Ecke, schmeiße mich in einen der durchgesessenen Sessel und platziere meinen Laptop auf dem eigentlich viel zu niedrigen Tisch. Bei Cappuccino (und manchmal auch einem Stück Kuchen) fühlt die Arbeit als Journalist sich gleich viel hipper an.

Ich habe Kolleg:innen, die einen großen Teil ihrer Arbeitstage in Cafés verbringen. Für sie ist dieser Newsletter wahrscheinlich eine schlechte Nachricht. Denn eigentlich gibt es kaum einen schlechteren Ort, um konzentrierter Arbeit nachzukommen. Das Gehirn hat sich so entwickelt, dass es seine unmittelbare Umgebung ständig überwacht und ablenkbar ist, damit Geräusche oder Bewegungen in der Nähe keine Gefahr darstellen, die es zu vermeiden gilt – oder eine Gelegenheit, die es zu nutzen gilt. So ein Café (und das Gleiche gilt für Großraumbüros) ist voll von der Art von Reizen, die uns am meisten ablenken. Dafür gibt es drei Gründe.

Grund 1: Wir stehen auf alles, was neu ist

Wie ich in einer früheren Ausgabe (Öffnet in neuem Fenster) von Das Leben des Brain schon mal beschrieben habe: Wir sind wahnsinnig empfänglich für alles, was neu ist oder anders erscheint als das, was wir kennen. Das ergibt auch Sinn: Es wäre eine ziemliche Verschwendung unserer begrenzten Ressourcen, wenn wir allem, was bekannt und nicht neu ist, genauso schnell und viel Aufmerksamkeit schenken würden. Zum Problem wird das nur, wenn wir uns eigentlich auf etwas konzentrieren wollen, uns aber in einer Umgebung aufhalten, die total viel Neues zu bieten hat. Unerwartete Geräusche durchbrechen sofort unseren Aufmerksamkeitsfilter; unabhängig vom Informationswert des Geräusches. Mir fällt das immer wieder auf, wenn ich in Cafés sitze und die Siebträgermaschine ein lautes Zischen von sich gibt. Ich zucke jedes Mal zusammen.

Grund 2: Sprache bekommt besonders viel Aufmerksamkeit

Wahrscheinlich keine Spezies kann so detailliert miteinander kommunizieren wie wir Menschen. Den Großteil des Ruhmes dafür kann die Sprache für sich beanspruchen (neben Gestik, Mimik etc.). Es kann zwar jedes neue Geräusch unsere Aufmerksamkeit durchbrechen, besonders anfällig sind wir aber, wenn es sich um Sprache handelt. Unser Gehirn verarbeitet die Bedeutung der gehörten Wörter und Sätze. Es kann gar nicht anders (Öffnet in neuem Fenster) – egal, ob wir zuhören wollen oder nicht. Wenn unsere Arbeit mit Sprache zu tun hat (und das hat sie bei nahezu jeder Arbeit, der man in einem Café nachkommen kann), ist das besonders zehrend. Denn dann werden die Gehirnregionen (Öffnet in neuem Fenster), die für die Arbeit wichtig sind (weil sie Sprache verarbeiten) auch noch von den akustischen Signalen in deiner Umgebung beansprucht.

In einer 2014 durchgeführten Studie (Öffnet in neuem Fenster) an der Universität Gävle in Schweden wurden die Teilnehmer:innen gebeten, kurze Aufsätze unter fünf verschiedenen akustischen Bedingungen zu schreiben. Die Hintergrundgeräusche in den fünf Bedingungen reichten auf sogenannten Speech Transmission Index von 0,08 bis 0,71. Also von völlig unverständlicher Sprache über etwas verständliche Sprache bis hin zu kristallklarer Sprache. Der Schreibfluss der Teilnehmer:innen, so berichten die Forscher:innen, nahm bei Werten des Indexes von über 0,23 „drastisch“ ab – Werte, die, wie sie anmerken, in einem Café oder Großraumbüro „überhaupt nicht ungewöhnlich“ sind.

Grund 3: Soziale Interaktionen können wir kaum ignorieren

In einer früheren Ausgabe (Öffnet in neuem Fenster) habe ich schon mal beschrieben, dass unser Gehirn permanent Voraussagen über unsere Umwelt macht. Egal, was wir wahrnehmen – unser Gehirn stellt sich immer vor, was als Nächstes passieren könnte (um vorbereitet zu sein). Ein eindringliches Beispiel dafür sind Telefonate, von denen wir naturgemäß nur die eine Hälfte mitbekommen (zum Beispiel, weil der Geschäftsmann neben uns etwas übertrieben laut in sein Handy flötet).

Lauren Emberson von der Princeton University hat herausgefunden (Öffnet in neuem Fenster), dass wir stärker abgelenkt sind und unsere kognitiven Leistungen stärker beeinträchtigt werden, wenn wir einen sogenannten halben Dialog mitbekommen, als wenn wir beide Seiten eines persönlichen Gesprächs hören. In einer Studie, die Emberson 2010 veröffentlichte, sollten die Teilnehmer:innen verbale und motorische Aufgaben lösen. Schon kurz nach dem Hören eines halben Dialogs begannen sie, Fehler zu machen.

Was, wenn wir einfach Kopfhörer tragen und Musik hören?

Wenn ich im Café arbeite, setze ich stets ganz automatisch meine Noise-Cancelling-Kopfhörer auf und starte meine Lieblingsplaylist. Sogar jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, läuft im Hintergrund ein Konzert, das ich derzeit rauf und runter höre (Öffnet in neuem Fenster). Das Problem: Damit verlagert man das Problem direkt in seine Ohren. Aber: nicht jede Musik lenkt uns gleich stark ab. Ein paar Dinge sollte man beachten bei der Auswahl von Musik, die man beim Arbeiten oder Lernen hört.

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Kategorie Wie das Gehirn lernt

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