Kommunikationsquadrat Friedemann Schulz von Thun
Das »Kommunikationsquadrat« von Friedemann Schulz von Thun ist ein Synonym zum »4 Ohren Modell«. Oder anders gesagt, bezeichnet der Begriff Kommunikationsquadrat grundsätzlich denselben modellhaften Ansatz wie der Begriff 4 Ohren Modell.
Dennoch ist es nicht vollends egal, ob man für sich den Begriff Kommunikationsquadrat (Nachrichtenquadrat) oder den Begriff 4 Ohren Modell adaptiert.
In diesem Artikel geht es zunächst um das Kommunikationsquadrat und anschließend um die Wirkung der beiden Begriffe.
4 Seiten einer Nachricht im Kommunikationsquadrat
Der Begriff Kommunikationsquadrat abstrahiert eine Nachricht in Form eines Quadrates, welches 4 Seiten hat.
Eine Nachricht beinhaltet demnach die Seiten Sachinhalt (Öffnet in neuem Fenster), Selbstoffenbarung (Öffnet in neuem Fenster), Appell (Öffnet in neuem Fenster) und Beziehung (Öffnet in neuem Fenster).
Auf der Seite zum Kommunikationsquadrat (Öffnet in neuem Fenster) von Friedemann Schulz von Thun heißt es:
Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam. Jede meiner Äußerungen enthält, ob ich will oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig
https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat
Das Zitat gibt die Erkenntnis von Friedemann Schulz von Thun wieder. Mit dem Kommunikationsquadrat geht also die Auffassung einher, dass ein Sender immer, wirklich immer, auf allen Seiten einer Nachricht eine Botschaft sendet.
Ich habe bereits anhand des Beispiels »Die Ampel ist grün (Öffnet in neuem Fenster)« gezeigt, welche Spekulationen ein Empfänger anstellt, sodass vermeintlich auf jeder der 4 Ebenen eine Botschaft vorliegt.
Im Zitat heißt es denn auch, egal ob der Sender das will, enthält seine Nachricht 4 Botschaften gleichzeitig.
Ein Beispiel zum Kommunikationsquadrat
Ein Vater zweier Töchter hat von seiner Ehefrau erfahren, dass ein Elternabend stattfindet, zu dem er seine Ehefrau begleiten soll. Da er verdrängt hat, um welche Uhrzeit der Termin in der Schule ist, fragt er seine Frau:
»Um welche Uhrzeit müssen wir heute in der Schule sein?«
Seine Frau antwortet:
»Der Termin ist um 17:30 Uhr.«
Die Antwort seiner Ehefrau ist eindeutig und enthält eine Sachinformation, die der Vater erfragt hat.
Nach Auffassung von Friedemann Schulz von Thun, sendet die Ehefrau damit auf allen 4 Ebenen.
Sachebene → Termin um 17:30 Uhr in der Schule
Selbstoffenbarung → ?
Appell → ?
Beziehungsebene → ?
Wenn du die Botschaft liest, wirst du (hoffentlich) erkennen, dass mit der Nachricht durch die Formulierung nur eine Botschaft auf der Sachebene gesendet wird. Dennoch heißt es auf der Seite zum Modell von Friedemann Schulz von Thun zur Selbstoffenbarung (Selbstkundgabe):
https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat (Öffnet in neuem Fenster)Jede Äußerung enthält gewollt oder unfreiwillig eine Kostprobe der Persönlichkeit – der Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse. Dies kann explizit („Ich-Botschaft”) oder implizit geschehen.
Entscheidend ist bezüglich der Selbstoffenbarung die These, und diese gilt auch für die beiden anderen Ebenen Appell und Beziehung, dass der Sender gewollt oder unfreiwillig etwas von sich selbst preisgibt.
Betonung, Mimik, Gestik im Kommunikationsquadrat
Da sprachlich keine zusätzliche Botschaft vorhanden ist, bekommen Betonung, Mimik und Gestik ihren Platz in der allgemeinen Diskussion rund um Kommunikation. Die Auffassung ist populär, dass Betonung, Mimik und Gestik eine Nachricht und ihre Botschaft beeinflussen. Doch wie geht das?
Die Nachricht »Der Termin ist um 17:30 Uhr« kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten betont werden; entweder indem der Sender zum Ende seine Stimme anhebt oder indem er sie senkt. Dadurch gibt der Sender seiner Nachricht eine Art Stimmung mit. Andere Formen der Betonung sind sicher möglich.
Wenn der Sender, also hier die Ehefrau, seine Stimme am Ende anhebt, kann aus der Aussage auch eine Frage werden. Da es sich allerdings um eine Antwort auf eine Frage handelt, ist dies hier nicht der Fall.
Doch jetzt kommt es und dies ist wirklich entscheidend. Das Kommunikationsquadrat geht davon aus, dass Betonung, Mimik und Gestik auf der Beziehungsebene Botschaften erzeugen.
Und zwar nur auf der Beziehungsebene.
https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat (Öffnet in neuem Fenster)Auf der Beziehungsseite gebe ich zu erkennen, wie ich zum Anderen stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt.
Damit ist ausgeschlossen worden, dass die Betonung, Mimik oder Gestik Ausdruck der eigenen Gefühle sein können.
Als Empfänger sind Betonung, Mimik und Gestik somit immer Anlass, die Nachricht des Senders als Botschaft auf der Beziehungsebene aufzufassen. Empfänger sind quasi gezwungen, zu spekulieren oder zu interpretieren.
Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun wird 4 Ohren Modell
Ein Sender kann also seine Nachrichten bewusst mit Botschaften füllen. Wenn er sie sprachlich weglässt, sendet er dennoch auf allen 4 Ebenen, weil Empfänger spekulieren und/oder interpretieren.
Für das Beispiel bedeutet dies Folgendes:
Die Ehefrau betont ihre Nachricht zum Ende höher werdend.
Vielleicht freut sie sich auf den Termin, vielleicht ist sie angespannt oder aufgeregt. Diese Informationen fließen mit der Nachricht nicht. All das wissen wir nicht und wir wissen genauso wie der Ehemann nicht, ob die Ehefrau die Betonung bewusst wählt.
Der Ehemann spekuliert oder ignoriert die Betonung.Die Ehefrau betont die Nachricht zum Ende tiefer werdend.
Vielleicht ist sie müde, eventuell hat sie keine Lust auf den Termin oder sie ist enttäuscht, weil ihr Ehemann die Uhrzeit vergessen hat. Oder sie nimmt an, dass ihr Ehemann selbst keine Lust auf den Termin hat. Wir wissen es nicht und der Ehemann auch nicht. Auch hier bleibt unklar, ob die Ehefrau mit ihrer Betonung bewusst etwas ausdrücken möchte. Hier hat der Ehemann ebenfalls die Wahl, ob er die Betonung der Ehefrau als Anlass zur Spekulation nimmt oder diese ignoriert.
Ähnliches gilt für die Mimik und Gestik beim Senden von Nachrichten. Die beim Empfänger ankommenden Botschaften einer Nachricht hängen also weniger vom Sender als vom Empfänger ab.
Das ist die Botschaft, die das Kommunikationsquadrat sendet. Entsprechend ist das Modell besser bekannt unter dem Namen 4 Ohren Modell (Öffnet in neuem Fenster). Die Frage nach der Henne und dem Ei ist derzeit für mich nicht zu beantworten.
Das Kommunikationsquadrat schließt den Sender mit seinen 4 Schnäbeln und den Empfänger mit seinen 4 Ohren zwar mit ein. Doch dem Empfänger wird eine sehr hohe Verantwortung für das Verstehen einer Nachricht zugewiesen. Das ist meines Erachtens komplett verkehrt herum priorisiert. Das erklärt zusätzlich, warum Männer unbedingt ihre Partnerinnen bzw. Ehefrauen verstehen müssen und/oder wollen.
Eurer Bezug zum Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun
Der Begriff Kommunikationsquadrat ist weniger populär, weil das gesamte Modell viel zu sehr auf die 4 Ohren des Empfängers fokussiert, und zwar in drängender und fordernder Weise.
Empfängern wird nicht gesagt: Der Sender ist für seine Nachrichten verantwortlich. Es wird gesagt: Auch wenn er nur wenig sendet, sendet er dennoch auf allen 4 Ebenen. Dies bietet für uns, die wir auch Empfänger von Nachrichten sind, nicht die Veranlassung, mit dem Spekulieren aufzuhören, sondern forciert diese.
Wie sind deine Erfahrungen mit deinen Nachrichten? Werden diese ebenfalls von Empfängern deiner Nachrichten mit Botschaften befüllt, die nicht vorhanden sind?