Über Tanja May, die irre Trump-Show und Selbstkritik beim ZDF
Der Übermedien-Newsletter von Boris Rosenkranz
Liebe Übonnent:innen,
Tanja May, die Unterhaltungschefin und stellvertretende Chefredakteurin von „Bild“, war diese Woche im „Bild“-Club zu Gast (Abre numa nova janela). Eine Stunde lang plauderte sie mit Moderator Frank Ochse (dem „Sparfochs“) über ihren Beruf. Leser durften ihr per Chat Fragen stellen und May erzählte, wie das so ist, wenn man sich im Privatleben von Prominenten professionell eingerichtet hat.
Einmal, zum Beispiel, da arbeitete Tanja May noch bei „Bunte“, war sie an Gerhard Schröder dran. Jemand habe ihr gesagt: Der hat eine neue Freundin. Und dann habe sie ein Jahr lang „die wildesten Geschichten“ gehört: „Es ist eine Russin, es ist eine Türkin, es ist eine Deutsche, es ist eine Rothaarige, eine Blondine, eine Dunkelhaarige, ich hatte das ganze Spektrum.“ Völlig wild.
Bis May (irgendwie) an ein Foto von Schröder und seiner neuen Partnerin kam und kombinierte: Ha, es ist eine Frau aus Südkorea, eine Dolmetscherin!
Sie besorgte sich die Handynummer des Altkanzlers und rief ihn an, an einem Sonntag. Doch als er hörte, wer da dran ist, „hat er einfach aufgelegt“. Komisch. Auf eine SMS hätten er und seine Dolmetscherin auch nicht reagiert. May hat die Lovestory dann ohne Statements aufgeschrieben, und zwei Tage später sei es bestätigt worden, berichtet sie strahlend. Die neue Partnerin des Altkanzlers zu enthüllen, das fällt bei ihr in die Kategorie „große Geschichten“.
Der „Sparfochs“ (l.) und Tanja May im „Bild“-Club. Screenshot: Bild
Seit Ende 2021 ist Tanja May nun bei „Bild“ und stolz auf ihre anderen großen Privat-Enthüllungen: „Wir haben exklusiv berichtet, dass Helene schwanger ist, wir haben exklusiv berichtet, dass sie eine Tochter bekommt, wie das Kind heißt, wann das Kind geboren ist“, sagt sie. Gut, das seien so Momente, „wo die Künstler natürlich nicht so begeistert sind“. Wollten sie ein Album oder einen Film promoten, würden sie sich melden, bei privaten Themen seien sie aber „nicht so freundlich“, was vielleicht daran liegt, dass es private Themen sind.
Showgeschäft und Privatleben strikt zu trennen, das scheint für May völlig aberwitzig zu klingen. „Wir als Medien“, sagt sie, und auch die Leserinnen und Leser, „wollen natürlich genau das wissen, was die Prominenten nicht so gerne preisgeben wollen“. Bei Michael Schumacher allerdings müsse sie immer „ein bisschen vorsichtig“ sein, was sie so schreibt, dagegen werde oft vorgegangen. Schumachers Familie bittet nämlich seit dessen schwerem Ski-Unfall vor zehn Jahren darum, seine Privatsphäre zu achten, was vielen Medien aber egal ist.
Darf Michael Schumacher überhaupt so etwas haben? Ein Privatleben?
„Wir respektieren natürlich“, wirft Moderator Ochse ein, dass sich Schumacher „zurückgezogen hat“. Aber er habe ja doch „auch Geld damit verdient, dass die Fans ihm zugejubelt haben“. Und wäre er nicht so beliebt gewesen, „dann hätte er vielleicht auch keine Vertragsverlängerung bekommen oder so“.
Ochse will damit offensichtlich sagen, dass Schumacher die ganzen Preise und Verträge nicht wegen seiner Leistung als Rennfahrer bekommen hat, sondern vor allem wegen des Fan-Jubels, und dass sich die Fans quasi das Recht erjubelt haben, jederzeit über Schumachers Zustand informiert zu werden.
Tanja May findet es auch „nicht gut“, dass die Familie ihn so abschotte. Die Fans lasse man im Stich, sagt sie, und dass sie mit Leuten gesprochen habe, die Schumacher kennen. Die würden erzählen, dass der Michael, könnte er selbst entscheiden, nicht wollen würde, so abgeschottet zu werden. Das wissen die alle ganz genau. Und das ist natürlich praktisch für Tanja May, die früher bei „Bunte“ mal groß über Schumacher getitelt hat: „Er kann wieder gehen“, es sei „mehr als ein Weihnachtswunder“. Ein Gericht hat „Bunte“ dafür später zu einer Geldentschädigung von 50.000 Euro (Abre numa nova janela) verurteilt.
Wenn mal eine Geschichte einem Promi „mehr geschadet als genutzt hat“, dann tue ihr das natürlich leid, sagt May. Sie sieht ja auch prominente Personen „erst mal immer nur als Mensch“, ihr sei auch nie „eine Geschichte wichtiger als das Schicksal des Menschen“. Und man kann ja auch mit ihr reden.
Sie versuche immer, eine Geschichte zu bekommen, doch wenn jemand sage: „Tanja, mein Leben geht dann kaputt!“ oder „Das kannst Du mir nicht antun!“, ja, dann würde sie „im Zweifel immer sagen: Ok, komm, dann lass‘ mas. Es wird schon wieder die nächste Geschichte kommen“. Oder auch: „Komm, hör zu, lass uns reden, und wir finden eine Lösung, dass es für beide gut ist.“
So nett ist Tanja May.
Trotzdem gehen Prominente immer wieder gegen Artikel von ihr vor, die dann geschwärzt oder ganz gelöscht werden müssen. „Das passiert natürlich auch“, sagt May. Im Sinne von: Es ist ihre Spezialität, Artikel zu schreiben, von denen nach kurzer Zeit nicht mehr viel übrig ist (Abre numa nova janela). Was aber nicht an ihr liegt. Und eine Story, die sie bereut, will May im „Bild“-Club-Talk partout nicht einfallen.
„Das ist einfach so, dass es ja mittlerweile viele Medienanwälte gibt“, sagt May. Die pochten auf Privatsphäre, und „möglicherweise“ sage dann ein Gericht, „okay, was ,Bild‘ oder andere Medien da jetzt geschrieben haben, das ist jetzt eben zu privat, und dann müssen wir das löschen“. Aber erst mal schreibt Tanja May alles auf. Und wenn etwas gelöscht würde, heiße das auch „nicht, dass die Geschichte nicht stimmte, im Gegenteil: Die stimmen immer!“ Naja, es könne „auch mal ein Fehler passieren“, aber das passiere ja bei jedem Medium.
2021 hatte May in „Bild“ geschrieben (Abre numa nova janela), dass drei Personen aus Helene Fischers Umfeld gestorben seien, zwei davon Verwandte. Fischers Anwalt teilte „Bild“ daraufhin mit, dass das, erstens: Helene Fischers Privatsache sei, zweitens: dass es die eine angebliche Verwandte gar nicht gebe, und drittens: dass die andere Verwandte noch lebe. Das muss so ein doofer Fehler gewesen sein. Aber „Bild“ beharrte gegenüber dem Anwalt darauf, es sei nachweislich „wahr“, was May geschrieben habe. Diese nervigen Medienanwälte, einfach keine Ahnung.
Kennt Tanja May eigentlich Grenzen? Ja.
Auf die Leser-Frage, was sie von der Yellow Press und deren „skurrilen Schlagzeilen“ hält, antwortet May: „Ja, das geht natürlich gar nicht“, das sei für sie eine Grenze. Sie habe Angebote von Yellows bekommen, aber da würde sie niemals arbeiten: „Ich muss immer in den Spiegel gucken können, und da kann es noch so viel Geld sein“, auf gar keinen Fall! Weil diese Geschichten in den Yellows, „die stimmen einfach nie“. Deshalb rät Tanja May ihrer Mutter immer davon ab, diese Hefte zu kaufen. Und den Nachbarinnen ihrer Mutter auch.
Moderator Ochse hat ein Yellow-Beispiel, ein angebliches „Drama bei Helene Fischer“. Da habe aber bloß „irgendein Nachbar erzählt“, dass sich Wespen bei Fischers Neubau eingenistet hätten, „oder Ameisen oder so“. May erinnert sich: „Das war damals die Wespenplage oder Bienenplage am Ammersee“. Sie ahmt eine Überschrift nach: „Wie kann Helene Fischer wieder glücklich werden?“
Das sei „natürlich Blödsinn“, sagt May. Und für Blätter, die so einen Blödsinn verbreiten, das wissen wir jetzt, würde sie nie arbeiten. Mit einer Ausnahme offenbar: Es ging damals nicht um Wespen, nicht um Bienen, auch nicht um Ameisen, sondern um „Millionen fiese Killer-Steckmücken“, derentwegen Helene Fischer ihr „Liebesglück“ nicht mehr „unbeschwert genießen“ könne.
So ein Blödsinn, denken Sie? Nein. Das stand im Juni 2021 so in „Bunte“, das muss stimmen. Stellvertretende Chefredakteurin war damals Tanja May.
https://www.youtube.com/watch?v=VJ6TctNNONg (Abre numa nova janela)Diese Woche neu bei Übermedien
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(Ü) Exklusiv für Übonnent:innen.
Im Kino läuft die Fortsetzung der 90er-Jahre-Verbrennermotor-Komödie „Manta, Manta“ mit Til Schweiger, der dieses Mal auch Regie geführt hat. Laut einem Filmplakat, das Schweiger diese Woche bei Instagram veröffentlichte (Abre numa nova janela), ist das angeblich: „Der Film, auf den die Nation über 30 Jahre gewartet hat“.
Aber vielleicht sollte man diesem Plakat nicht alles glauben.
Dort steht nämlich auch ein Zitat aus dem „Spiegel“: „Der absolute Kult!“ – was so nicht stimmt. „Spiegel“-Redakteur Jonas Leppin hat darauf hingewiesen (Abre numa nova janela):
„Tatsächlich zitieren wir in unserer Kritik nur einen Satz, den Til Schweiger sich selbst ins Drehbuch geschrieben hat und nun als Qualitätsstempel verwendet.“
Im Film knarzt Manta-Fahrer Bertie, gespielt von Til Schweiger, irgendwann, dass Mantas früher „der absolute Kult“ gewesen seien. Was der „Spiegel“ zitiert, was nun Schweiger aus dem „Spiegel“ zitiert. Und fertig ist die Werbung.
„Die Presse tobt“, steht ganz oben auf dem Plakat, und auch das ist, nun ja, mindestens zugespitzt. Schweigers Verhältnis zur Presse ist ambivalent. Seit Jahren schon bietet er keine großen Pressevorführungen seiner Filme mehr an, weil ihm das Feuilleton auf den Sack geht mit all seinen Verrissen. Schweigers Credo: Schreibt ruhig diese Verrisse, aber kauft euch die Kinokarte halt selbst.
Und natürlich gib es auch dieses Mal Verrisse („Richtig grottig“, SWR3 (Abre numa nova janela)), aber sowas packt man natürlich nicht auf so ein Plakat. Auch die „Spiegel“-Kritik ist nicht durchweg positiv. Die „nicht allzu rasante Geschichte“, schreibt Wolfgang Höbel zum Beispiel, drehe „viele unnötige Ehrenrunden“, sei also mit mehr als zwei Stunden einfach zu lang. Ganz verteufeln will der Kritiker das Werk dann aber auch nicht, und es hätte durchaus ein Zitat aus dem Text gegeben, das gut aufs Plakat gepasst hätte: „Zeitweise tatsächlich ein herrlich blöder Film“.
Unter den Zitaten ist übrigens auch eins aus der „Süddeutschen Zeitung“: „Auf schräge Art hat er das Herz am rechten Fleck“. Das stimmt, das stand wirklich so in der Zeitung. Naja, nur ist der Satz eigentlich etwas länger, er lautet: „Für Leute ohne einen gewissen Sinn für Häufchenhumor ist dieser Film jedenfalls ungeeignet – aber auf eine schräge Art hat er das Herz am rechten Fleck.“
Der Alleswissenwoller Leeroy Matata verlässt Funk. Vor zwei Monaten hat unsere Redakteurin Lisa Kräher noch in einem längeren Text hinterfragt (Abre numa nova janela), ob die Methoden des Boulevard-Youtubers eigentlich passen zu einem öffentlich-rechtlichen Angebot – zum Beispiel Matatas ahnungsloser Interviewstil, die reißerische Themenauswahl oder die Art, seine Video zu verkaufen.
In seinem Abschiedsvideo sagt Matata, in der Zusammenarbeit mit Funk sei manchmal „die kreative Freiheit etwas auf der Strecke“ geblieben. Er will die Dinge nun so umsetzen, „wie ich persönlich sie für richtig halte“. Künftig will Matata mit Sponsoren und „langfristigen Partnern“ zusammenarbeiten.
Und damit: Frohe Ostern!
Cartoon: Hauck & Bauer für Übermedien (Abre numa nova janela)
Schöne Feiertage!
Herzliche Grüße
Boris Rosenkranz