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Das Merzinferno und die Gefahr - Bundestag für Anfänger

Voller Bundestag, Merz spricht.

Meine Themen sind Krieg und Nachrichtendienste. Nicht Innenpolitik.
Ich bin etwas überwältigt von den Reaktionen – und wie ich finde auch dummen Reaktionen – der vergangenen Woche.
Aber das ist hier ja ein Blog und Sie sind hier, weil meine Meinung Sie interessiert.
Komm ma bei misch bei, ich vazell dir dat.

Vorwort

Ich verzweifele derzeit an der Migrationsdebatte, wie sie auf Social Media geführt wird.
Auch Menschen aus meinem Bekanntenkreis und von mir geschätzte Accounts, mit denen ich teilweise direkt kommuniziere, haben in der letzten Woche Klamotten rausgehauen, bei denen mir der Mund offen stehen blieb.

Schon vor Monaten habe ich Maßnahmen erklärt, die meiner Meinung nach dazu geeignet wären, das „System Flüchtling“ in Deutschland zu reformieren. Denn nichts weniger braucht es.
Den Gesetzesentwurf der CDU, um den es gehen wird, finde ich inhaltlich sogar gut. Wenig, nicht ausformuliert, aber ein richtiger Weg.

Die bloße Erwähnung, dass ich tendenziell politisch eher links bin und Mitglied der Grünen, führt aber bei sehr vielen Menschen dazu, mich oder Äußerungen von mir sofort in eine Ecke zu stecken.
Es geht aber nicht um mich. Das ist das Grundproblem: viele projizieren etwas auf den vermeintlichen politischen Gegner. Und das ist es, was die Gesellschaft spaltet.

Es geht mir nicht darum, „Rotgrün den Arsch zu retten“. Ich habe die SPD bereits vor Monaten öffentlich für unwählbar erklärt. Ich möchte die SPD in der kommenden Legislatur gar nicht an der Regierung sehen.
Ich möchte erklären, damit die Menschen eigenverantwortlich und selbstbestimmt eine sachliche Perspektive einnehmen können. Viel viel mehr als gegen Konservative habe ich nämlich gegen Populismus!

Ich möchte die Erklärung eines Problems der „politischen Bildung“ vermeiden. Denn die meisten verstehen darunter wohl Schulbildung.
Was ich festgestellt habe, ist ein Mangel an Kenntnissen über die politischen Abläufe. Wie etwas entschlossen wird, wie etwas im Bundestag funktioniert und was das Affentheater, dessen Zeuge wir derzeit werden, eigentlich bedeutet.

Ganz persönlich bin ich erschüttert, wie wenige Kommentatoren wohl wissen und wie wenige Deutsche anscheinend in der Lage sind zu unterscheiden, zwischen dem, was in der Sache passiert und dem, was ihnen an Theater vorgeführt wird.

Ich bin für eine bedingungslose Abschiebung straffällig gewordener Migranten.
Ich bin für eine starke Einschränkung des subsidiären Schutzes.
Ich bin für eine massive Förderung der Ausländerbehörden und der Polizei.
Ich bin für eine zügige Abschiebung aller, die keine Aussicht auf einen Aufenthaltstitel bzw. Asyl haben.
Ich bin dafür, dass Deutschland seine wirtschaftliche und politische Macht weit selbstbewusster in den Ring wirft, um andere Länder dazu zu bringen, zu kooperieren.
Ich bin dafür, dass das gesamte „System Flüchtling“, das aus der Zeit von Gastarbeitern stammt, umgekrempelt wird.

Leider ist es immer nötiger, sich zunächst zu positionieren, bevor man etwas sagt. Hiermit erledigt. Genug also, steigen wir durch.
Zu welchem Schluss Sie am Ende meines Textes kommen, ist mir völlig gleich. Hauptsache sie tun es sehenden Auges.
Außer Sie wählen die AfD, dann kann auch mein Text nichts mehr rausreißen.

„Aber man kann doch nicht jedem fünften Wähler…“
Doch, Annerose-Pocahontas, auf meinem Blog kann ich das.

Zunächst das übliche Verfahren erklärt, dann kommen wir zum Merz-Happening. Folgen Sie mor unauffällig.

Das Kaspertheaters

Was wir in den Nachrichten sehen, ist nicht „der Bundestag“, sondern lediglich der Plenarsaal.
Und wenn dort gesprochen oder abgestimmt wird, sind die Entscheidungen längst gefallen.

Wir sehen die Aufführung eines Kaspertheaters, das eigentliche spielt sich darunter ab.
Ich sage das nicht, weil ich Wutbürger wäre. Denn so funktioniert es in den meisten „westlichen“ Demokratien. Sondern weil das Bild so zutreffend ist. Viele Verschwörungsmystiker philosophieren herum, weil sie glauben, hinter ein Geheimnis gekommen zu sein. Obwohl auch das, was unter dem Puppentheater abläuft, völlig offen ist. Es kostet nur Arbeit und Zeit, sich zu informieren.

Und da kommen die Nachrichtenmedien ins Spiel. Die grundsätzlich kurz und knapp berichten. Weil das nun einmal ihr Job ist. Aber um die meisten Meldungen wirklich zu durchdringen, muss man eben ein wenig wissen, was unter dem Puppentheater abläuft.
Hat jemand keine Ahnung, sind die Nachrichten nicht der geeignete Ort, um zu lernen. Das ist in einer Demokratie eine Holschuld.

Im Bundestag arbeiten etwa 3200 Menschen. Aber das sind nur die, die das Ding am Laufen halten.
Darüber hinaus haben wir derzeit 733 Abgeordnete. Unmöglich viele, und das haben auch viele Politiker bereits auf dem Schirm. Dafür muss die Regulierung der Wahl geändert werden.

Jeder Abgeordnete bekommt Geld, damit er Mitarbeiter beschäftigen kann. Denn jeder hat dort ein Büro. Nur einmal angenommen, jeder Abgeordnete hat vier Mitarbeiter, macht das also bereits fast 3000 Menschen.
Aber jeder Abgeordnete hat auch nochmal ein Büro in seinem Wahlkreis. Und große Parteien werden mehr Mitarbeiter haben als kleine Parteien.

Mein Gesetzentwurf

Das Parlament ist die Legislative, die gesetzgebende Gewalt. Ihre Hauptaufgabe ist also Gesetze zu verabschieden.
Also stellen wir uns einmal vor, ich wäre im Bundestag und würde gerne etwas aus meinem Fachbereich als Gesetzentwurf einbringen. Nur um es konkret zu machen, sagen wir mal, dass für Hilfslieferungen an die Ukraine von Privatpersonen kein Porto bei der Post mehr bezahlt werden muss.

Also muss ich erstmal mit einem Juristen sprechen, wie das umsetzbar wäre. Vermutlich hat meine Partei Anwälte für sowas am Start, mit denen treffe ich mich erst einmal.
Habe ich dann einen ersten Entwurf, muss ich gucken, dass ich dafür Mehrheiten bekomme. Ich muss mich also mit Abgeordneten anderer Parteien treffen und denen das schmackhaft machen. Ist meine Partei in einer Koalition mit anderen Parteien, bin ich gut beraten, auch mit denen zu sprechen. Das bedeutet zwangsläufig, dass ich auch im Bundeskanzleramt anfragen muss, wie die Stimmung da so ist. Mit meinem Parteivorsitzenden zu sprechen wäre auch nicht schlecht, das muss nämlich nicht der Kanzler sein.
Und wenn ich schlau bin, frage ich auch direkt beim wissenschaftlichen Dienst an. Vielleicht bringt das ja noch neue Erkenntnisse.

Wenn ich viele Meetings hinter mich gebracht habe, habe ich vielleicht die Hoffnung, eine Mehrheit zu bekommen. Aber dann geht der Spaß erst richtig los.
Dann muss ich das als Gesetzesentwurf, den ich einbringen will, ausformulieren. Das überlasse ich natürlich Juristen. Und die müssen das exakt so formulieren, wie es gemeint ist. So genau, wie es irgendwie geht.
Bei einer Gesetzänderung steht im „Referentenentwurf“ üblicherweise das aktuelle Gesetz drin, wie es geändert werden soll und was damit bewirtkt werden soll.

Denn es müssen alle Eventualitäten, an denen jemand bei der Abstimmung rummäkeln könnte, beseitigt sein. Sind sie das nicht, spricht man sonst später von einem „schludrigen“ oder „schlecht gemachten“ Gesetz. Wie beispielsweise beim „Heizungsgesetz“. Das ist nur ein Beispiel. Bei einem Gesetzgebungsverfahren, der Besteuerung von E-Zigaretten, war ich quasi live dabei.

In unserem Beispiel müsste also geklärt sein, bis wohin die Portofreiheit gehen soll, wie die Post herausfindet, was wirklich Hilfslieferungen sind, bis zu welcher Obergrenze das geht und was als private Spende gilt, und so weiter.
Kleinscheiß, der zu kleinscheißig für die Nachrichten ist.

Die Ausschüsse

Steht mein Gesetzentwurf dann, lasse ich ihn auf die Tagesordnung setzen.
Bis es soweit kommt, sind also sicher schon Wochen vergangen. Je nach Aufwand, den ich einbringe, und Dringlichkeit vielleicht Monate.

Dann wird aber noch nicht abgestimmt. Sondern dann kommt die „Erste Lesung“.
Die Parteien erhalten Redezeit. Dafür schicken Sie dann ihre Politiker vom Fach ans Rednerpult, live übertragen vom Bundestag und auf phoenix. In meinem Post-Entwurf wären das sicher Redner aus dem Bereich Verteidigung oder Außenpolitik.

Wer wann wie lange reden darf, ist genau festgelegt. Je nachdem wie groß die Fraktion, also die Abordnung der Partei im Bundestag ist. Auch die Reihenfolge ist festgelegt.
Hat die Bundesregierung einen Beauftragten, darf der auch nochmal etwas dazu sagen. Recht bekannt ist der Drogenbeauftragte, in meinem Fall wäre es der Postbeauftragte oder sowas. (Nein, gibt es natürlich nicht.)

Dann wird aber immer noch nicht abgestimmt. Sondern dann wird beschlossen, dass mein Gesetzesentwurf an die zuständigen Ausschüsse überwiesen wird. Auch darüber wird abgestimmt.
Es gibt vier ständige Ausschüsse, die im Grundgesetz - also unserer Verfassung, Frau Weidel - vorgesehen sind: Auswärtiges, Verteidigung, EU und Petitionsausschuss. Darüber hinaus kann das jeweilige Parlament neue Ausschüsse bilden.

Jeder Ausschuss hat einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. Und aus jeder Partei einen Obmann. Darüber hinaus sitzen da dann die Fachpolitiker. In der gleichen Zusammensetzung wie im Parlament.
Mein Gesetzentwurf würde also vermutlich an den Ausschuss für Verteidigung und EU gehen, und vielleicht an den Ausschuss für Post. (Nein, gibt es natürlich nicht.)

Strack-Zimmermann besucht Manöver

Foto: Strack-Zimmermann (FDP) besucht ein Manöver. Nicht, weil ihre Partei so wichtig wäre, sondern weil sie Vorsitzende des Verteidigungsausschuss ist.

Und der Ausschuss gibt dann eine Beschlussempfehlung ab.
Um das vorweg zu nehmen: Das Ding heißt „Beschlussempfehlung“. Auch wenn der Ausschuss zu dem Schluss kommt, das etwas besser nicht beschlossen werden sollte, heißt das so. Ich komme darauf zurück.

Alles längst erledigt

Dann geht mein Entwurf wieder zurück ins Parlament. Da kann dann in der „Zweiten Lesung“ entschieden werden. Es kann aber auch wieder an den Ausschuss zurückverwiesen werden, oder an andere Ausschüsse. Es können auch Änderungen an dem Gesetzestext vorgeschlagen werden.
Dann kommt es zu einer „Dritten Lesung“.
Aber in den allermeisten Fällen beschließt das Parlament dann das, was der oder die Ausschüsse empfohlen haben.

Foto: Hammelsprung (Abre numa nova janela)im November.
Wenn die AfD für bestimmte Abstimmungen, beispielsweise nachts um zehn, plötzlich eine Feststellung der Beschlussfähigkeit oder einen „Hammelsprung“ fordert, ist das reiner Populismus. Weil sie genau weiß, dass die meisten ihrer Wähler nicht kapieren, dass die Entscheidung längst gefallen ist. Und glauben, dass die Abgeordneten, die nicht anwesend sind, einen Lenz machen.

Anschließend muss das Ding dann vom Bundesrat, der so genannten Länderkammer, abgesegnet werden. Und dann geht es zum Präsidenten, der seinen Prinz August darunter setzt.
Und damit wäre es dann Gesetz.

Aus diesem Ablauf wird klar, dass das, was im Parlament - also dem, was wir in den Nachrichten sehen – besprochen wird, gar keine wirklichen Folgen hat. Das ist politisches Blabla.
Ich habe schon Reden und Abstimmungen gesehen, nachts um zwei vor einer Handvoll Abgeordneter, in der ein Politiker quasi aus einer Broschüre zum Thema vorgelesen hat. Schon nett als Rede verpackt, aber er hatte die Broschüre, die ich fachintern auch kannte, tatsächlich vor sich liegen.
Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Abgeordneter sich wegen einer Rede an die Stirn gefasst hätte und gesagt hätte „Ja, Mensch, alter Rochen, noch nie so gesehen, gutes Argument, ich ändere meine Meinung.“

Im Grunde war bereits alles an dem Punkt durch, an dem ich eine Mehrheit für mein Gesetz hinter den Kulissen durch Telefonieren und Händeschütteln bekommen habe. Wenn der Ausschuss dem auch noch zugestimmt hat, ist eh alles gegessen.
Im Grunde bräuchten wir alle uns gar nicht den Plenarsaal angucken, sondern nur das, was aus den Ausschüssen kommt.

Und nur um es mal deutlich zu sagen: In diesen Ausschüssen wird weit inhaltlicher gearbeitet und gestritten, als im Parlament. In meinem Bereich innere und äußere Sicherheit bzw. Verteidigung sind Ausschussmitglieder auch der CDU, die ich tatsächlich sehr zu schätzen weiß. Und von denen ich dann gar nicht so weit entfernt bin. Und ich weiß, dass meine eigene Partei jetzt nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte ist.

Das vorausgesetzt schauen wir uns doch einmal an, was Friedrich Merz in der vergangenen Woche veranstaltet hat. Einiges hatte ich bereits angesprochen.
Ich mag unangebrachte Vereinfachungen trotz rheinischem Lameng nicht. Trotzdem werde ich von Merz persönlich sprechen, denn er ist sehr eindeutig der Betreiber des Ganzen.

Merz auf einer CDU Bühne

Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Am 16.12.24 wurde durch den Bundestag eine Neuwahl beschlossen.
Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, keine neuen Anträge oder Gesetze mehr einzubringen. Also alles, was bis dahin noch auf Halde lag, hätte warten sollen.
Das ist fair von allen, da sonst nicht nur die Gefahr gewesen wäre, schnell noch etwas durchzudrücken. Wie das beispielsweise in den letzten Sitzungstagen der Amtszeit von Königin Merkel noch passiert ist. Sondern auch, dass Dinge eingebracht werden, deren einziger Zweck ist, den Wahlkampf zu beeinflussen.

Am Donnerstag, dem 23.01.25, sagte Merz dann, was er tun würde, wenn er die Wahl gewinnt. So weit, so in Ordnung.
Die Vorschläge, die er da geäußert hat, fand ich übrigens nicht verkehrt. Und da wären viele Parteien, auch SPD und Grüne, sicher mitgegangen.

Und nur einen Tag später, am Freitag den 24.01.25, sagte Merz plötzlich, die CDU wolle Anträge in den Bundestag einbringen. Entgegen der Absprache.
Das finde ich persönlich schon mal unter aller Sau. Denn es ist klar erkennbar, dass er das nur tut, um die Wahl zu beeinflussen.
Es ist völlig gleich, worum es geht. Es hätte auch embryonale Stammzellenforschung oder Einfuhrzölle für Cocktailschirmchen betreffen können.

Im Grunde ohne Not. Denn die CDU hat in Umfragen einen derartigen Vorsprung, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn Merz nicht der nächste Kanzler wird.
Meine Interpretation ist, dass er damit der AfD Wähler abnehmen wollte. Und ich glaube tatsächlich, er dachte, deshalb bekommt er auch die Stimmen von der SPD und den Grünen. Und damit die Mehrheit.
Er hat sich verzockt. Und ich hoffe erklären zu können, wie und warum.

Der kleine und der große Plan

Als erstes hat er einen „Fünf-Punkte-Plan“ eingebracht. Was ich schon sehr populistisch finde.
Denn komplexe Themen wie Migration auf fünf Punkte herunterzubrechen ist schon sehr für Idioten gemacht. Deutschland den Deutschen.
Zudem war dieses Ding aber gar kein Gesetzentwurf. Also das, was ich vorher beschrieben habe. Sondern ein so genannter Entschließungsantrag. „Der Bundestag wolle beschließen…“, eine reine Absichtserklärung.
Die einzelnen Punkte, die ich selber übrigens teilweise sogar vorher schon öffentlich geäußert habe, sollten auf die Agenda des Bundestages gesetzt werden. Kurz vor einer Neuwahl mit nur fünf verbleibenden Sitzungstagen.
Nichts davon, was da drinsteht, hätte eine direkte Auswirkung. Nichts davon wäre verbindlich. Nichts davon hätte irgendetwas geändert. Die Details habe ich hier… (Abre numa nova janela) erklärt.

Doch es kommt noch besser.
Der Antrag stammt vom 17.12.24, einen Tag nach dem Beschluss der Neuwahl. (Drucksache 20/14253 bzw. 20/14698) Der war also gar nicht neu.
Das heißt, die CDU hat sich einen Tag, nachdem die Neuwahl beschlossen war, bereits zusammengesetzt (oder Merz innerer Kreis) und hat das Ding geschrieben. Deshalb unterstelle ich, das Teil war von vorn herein als Wahlkampfnummer geplant. Und wurde dann nur zurückgehalten, wegen der Absprache, nichts mehr einzubringen. Es stand sogar schon auf der Tagesordnung für den 19.12.24.

Eine Zusammenfassung findet Ihr hier… (Abre numa nova janela)

Und dann hat Merz gesagt, er würde das Ding trotzdem noch vor der Wahl zur Abstimmung bringen. Zur Not auch mit den Stimmen der AfD zusammen. Denn er konnte sicher sein, dass die das populistische Ding natürlich als Geschenk mitnehmen. Er hat der SPD und den Grünen damit die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: „Entweder Ihr stimmt mir zu, oder ich ziehe das ohne Euch durch.“

Da dort aber Dinge drinstehen, die entweder offenbar gegen die Verfassung oder das EU-Recht sind, oder gar nicht einfach umgesetzt werden können - weil wir nämlich viel zu wenig Bundespolizisten dafür haben, um 3900 Kilometer Grenze abzuriegeln - haben die dann gesagt „ohne uns“. (Alles andere wäre Sache der Länder, wie Bayern gezeigt hat.)
Wie ich persönlich finde zu Recht. Denn es ändert doch eh nichts. Es ist Kaspertheater. Nicht, weil ich es inhaltlich ablehne.
Und genau diese Differenzierung wird aber nun zum Problem. Aber es geht ja noch weiter.

Beschlossen wurde das dann mit den Stimmen der AfD am Mittwoch, dem 29.01.25.

Als nächstes hat er einen langen Plan eingebracht, der 27 Punkte beinhaltet. Dabei waren unter anderem auch so Klamotten wie Ukraine und Vorratsdatenspeicherung. (Drucksache 20/14699)
Der wurde dann mit großem Ballett abgelehnt. Nicht einmal die AfD hat zugestimmt! Voll vor die Wand gefahren. (Siehe hier… (Abre numa nova janela))
(Abre numa nova janela)
Darüber spricht aber irgendwie keiner mehr.

Ich musste sogar ins Sitzungsprotokoll (Abre numa nova janela), um das nachzuvollziehen. Denn vorher hatte das Ding ja nicht einmal eine Drucksachen-Nummer.

Das Gesetz

Und am Tag darauf hat die CDU dann noch einen Gesetzesentwurf eingebracht. (Drucksache 20/12804) Und da wird es jetzt auch spannend.
Das ist das Ding, was auch abgelehnt wurde, was ich aber auch ganz ok fand. Kernpunkt waren drei Dinge:

  • Der Familiennachzug für Menschen, die subsidiären Schutz genießen, soll gestoppt werden.
    Nur etwa 2% der Erstanträge auf Asyl erhalten tatsächlich Asyl in Deutschland. Der Rest wird geduldet, erhält „subsidiären Schutz“ oder muss durch die Gerichte.
    Das bedeutet, Deutschland duldet diese Menschen hier. Das kann es tun, es steht ihm frei. (Merkel 2015, die hat gar keine „Grenzen geöffnet“.) Die Menschen aus der Ukraine haben hier beispielsweise fast ausschließlich subsidiären Schutz, kein Asyl. Und die werden in dem Ding sogar ausdrücklich genannt.
    Bedeutet also, eigentlich hat die CDU auch versucht, den Familiennachzug für Ukraineflüchtlinge zu unterbinden. Das wurde so aber nicht kommuniziert. Wären viele sicher nicht so glücklich mit gewesen. Dann lässt man das weg, die Drucksache liest eh keine Sau.

  • Im Aufenthaltsgesetz sollte im ersten Paragraphen wieder das Wort „Begrenzung“ aufgenommen werden. Was aber eher symbolisch wäre und keine direkte Auswirkungen hätte.

  • Die Bundespolizei soll berechtigt werden, in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgegriffene, ausreisepflichtige Personen in Haft zu nehmen und „rauszuschmeißen“.
    Finde ich selber gut, da müsste noch viel mehr gemacht werden.
    Das Problem ist, und dazu habe ich auch mit einem Geh-endlich-arbeiten-für-meine-Steuern-Kumpel (Insider) und Fachmann für genau diesen Bereich von den Bundes-Sheriffs gesprochen: Den Täter von Aschaffenburg hätten sie trotzdem nicht festnehmen dürfen. Nicht einmal bei einem Gericht den Status abfragen hätten sie dürfen.
    Das beträfe also nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Menschen, die an Flughäfen oder Bahnhöfen aufgegriffen werden. Wir haben derzeit aber etwa 220.000 Ausreisepflichtige in Deutschland. Würden die alle an Bahnhöfen herumlungern, hätten wir noch ganz andere Probleme.

Das Ding wurde dann abgelehnt, diesmal knapp.
Spannend daran ist aber, dass der eingebrachte Entwurf schon vom 09.09.24 stammt. (Drucksache 20/12804) Also weit bevor die jetzige Regierungskoalition auseinandergebrochen ist.

In einem vorherigen Kommentar (Abre numa nova janela) habe ich geschrieben, dass Ding sei „auf einem Bierdeckel geschrieben“ worden. Dabei bleibe ich. Ein Kommentator auf X (Abre numa nova janela) fand das falsch und antwortete, der habe sogar eine Beschlussempfehlung vom Ausschuss bekommen. Weshalb ich gefragt habe, ob er überhaupt wisse, wie so ein Gesetzesentwurf normalerweise aussehen würde. Überraschenderweise bekam ich die ehrliche Antwort „Nein“. Weshalb es bei mir der Groschen gefallen ist und überhaupt zu diesem Beitrag geführt hat.

Dieser Gesetzentwurf stammt vom September und wurde im Ausschuss für Inneres beraten. Der hat eine „Beschlussempfehlung“ gegeben. Und die Empfehlung war, das Ding abzulehnen. Mit Stimmen der SPD, Grünen, Linken und FPD. (Drucksache 20/13648) Das war am 06.11.2024.

Das bedeutet, es war eigentlich seit November klar, dass das Ding wohl nicht durchkommt. Seit November!
Dass es jetzt ausgerechnet einen Tag nach den anderen beiden Beschlüssen auf dem Plan stand… ich weiß gerade nicht ob Zufall oder Absicht.

Trotzdem wurde es jetzt zum Beschluss dem Parlament vorgelegt. Denn inzwischen war die FDP ja nicht mehr in der Regierungskoalition. Es hat dann um eine Stimme nicht gereicht.
Was gut so ist, wie ich meine. Denn das Ding ist so wischi-waschi ins Luftleere formuliert, dass sich anschließend wieder die Juristen die Köppe hätten zerbrechen müssen, wie man das umsetzt. Und dann wäre es vermutlich wieder vor Gericht gelandet.

Zusammenfassung

Fassen wir zusammen:

  • Im September 24 schmiedet die CDU ein Gesetz, das den üblichen Prozess durchlaufen muss.

  • Im November sagt der Ausschuss: „Aus dem Gesetz wird nüscht“.

  • Im Dezember werden Neuwahlen angesetzt.

  • Einen Tag nach dem Beschluss für Neuwahlen schmiedet die CDU einen einfach zu verstehenden Fünf-Punkte-Plan, der aber inhaltlich folgenlos wäre, nicht sofort umsetzbar ist und dessen Umsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen geltendes Recht verstößt. Von Außenpolitischer Wirkung mal ganz ab.

  • Es wird eine Absprache getroffen, bis zur Wahl Ende Februar nichts Neues einzubringen.

  • Merz haut am 23.01.25 Teile des Plans raus, was er machen würde, wenn er König von Deutschland ist.

  • Am nächsten Tag sagt Merz, er wird diesen Plan dem Parlament zur Abstimmung vorlegen. Auch, wenn er nur mit Stimmen der AfD durchgeht. Und das – nochmal – obwohl er keine akuten Auswirkungen hätte und alles andere als dringlich ist.

  • Der Plan kommt zu Abstimmung, SPD und Grüne gehen das Pokerspiel ein und setzen dagegen, er wird angenommen.

  • Ein weiterer Plan zum gleichen Thema, der direkt danach von der CDU eingebracht wurde, wird in Bausch und Bogen von allen anderen Parteien abgelehnt.

  • Am nächsten Tag wird die Gesetzvorlage vom September abgestimmt und knapp abgelehnt.

Warum jetzt? Warum so?

Und da schließt sich der Kreis zu meiner Einleitung.
In meiner Wahrnehmung - und der vieler anderer - ist das eine riesige Luftnummer. Eine Posse, noch dazu völlig ohne Not. Denn absolut alles, was dort beschlossen oder abgelehnt wurde, hätte die CDU auch nach der Wahl gemütlich umsetzen können. Sogar besser und ausgereifter.

Mehr noch: Sie hätte es zum Bestandteil von Koalitionsverhandlungen machen können. Was aber vermutlich nicht einmal nötig gewesen wäre. Denn bei vielen Dingen stimmen ja sogar die Grünen zu, und die SPD hätte man sicher auch von vielem überzeugen können. Wenn sie es nicht eh schon sind. Beispielsweise bei den Befugnissen für die Bundespolizei. Das Thema schwelt nämlich seit Monaten im politischen Berlin und die beiden Polizeigewerkschaften sind da auch dran. (Aber: Zu wenig Personal. Zu wenig Nachwuchs.)

Ich kann nur immer wieder betonen: Es geht gar nicht um das Inhaltliche!
Ich selber finde das ziemlich ok und würde in vielen Punkten sogar viel weiter gehen.
Es geht um die Art und Weise, was vor allem Merz da gemacht hat. Und die CDU kann gar nicht anders, als das jetzt zu verteidigen. Denn sonst würden sie ihren Kanzlerkandidaten schwächen.

Genau das hat auch Michel Friedman, zumindest mal ehemaliger Bundesvorstand der CDU, in der Tagesschau gesagt. Der deshalb ausgetreten ist.
Natürlich kann eine Partei ihre Anträge und politische Ziele nicht danach ausrichten, wer ihnen zustimmen könnte. Denn sonst könnte ja niemand mehr etwas anvisieren, was vielleicht auch der AfD gefallen könnte. Das wie und wann war halt scheiße.
Und das verstehen wohl viele nicht, oder wollen es nicht verstehen.

Friedman bei der Tagesschau, Screenshot.

Auch ich erwarte ja nicht, dass sich jeder mit Drucksachen und Daten auseinandersetzt. Dafür sind so Deppen wie ich da, um es zu klamüsern und zu erklären. Aber es ist derzeit wirklich erschreckend - und das meine ich wirklich so: ich bin erschrocken - bei wie vielen Menschen offenbar eine populistische, vereinfachte und maximal verzerrende Version hängen geblieben ist.
Nur deshalb schreibe ich den Unfug hier und mülle mir die Festplatte mit Drucksachen voll.

Es wird reduziert auf „Endlich sagt es mal einer“ und „Endlich mal etwas dagegen tun“… Obwohl effektiv rein gar nichts getan wird. Und auch nicht getan werden sollte. Und jetzt gerade auch gar nicht getan werden kann.
„Das ist eine Woche, die für Klärung gesorgt hat.“ sagte Merz. …ja, Fritze. Du hast, wie ein Zauberer auf einem Kindergeburtstag, einen Trick vorgeführt. Ohne Not, ohne inhaltlichen Nutzen. Das Kaninchen sitzt immer noch im Zylinder.

Demonstration an der Siegessäule Berlin, Menschen bis zum Horizont.

Alleine in Berlin haben mindestens 160.000 Menschen dagegen demonstriert. Weil die meisten davon wohl verstanden haben, was Merz da gemacht hat. Und die werden jetzt geframed als „die Linken“. (Dank und Gruß an die CDUler, die mir geschrieben und geantwortet haben, dass sie dabei waren.)
Und von den Medien werden die Demos als „gegen Rechts“ getitelt. Sie waren aber nicht einfach „gegen Rechts“.

Ich persönlich habe keine große Angst und glaube Merz auch, dass er nicht mit der AfD koalieren will. Weil es sonst nämlich zum Bürgerkrieg innerhalb der CDU käme. Aber ich kann nachvollziehen, wenn Menschen diese Angst haben. Absolut.

Mal etwas Konstruktives mit Substanz. Bitte.

Neun Seiten habe ich gebraucht, um das zu erklären.
Ich bleibe dabei: Ich bin erschüttert, wie viele Menschen ihre politischen Wünsche, ihre Ängste und ihre Meinung über die Fakten stellen. Und gar nicht bereit sind darüber zu sprechen, was da tatsächlich gelaufen ist. Oder sogar bereit sind, die Zustimmung der AfD abzunicken. Die es ja gar nicht gebraucht hätte.

Viele Kommentare habe ich auf Facebook und X bekommen, die in den Sermon einstimmen: „Endlich wird mal etwas getan! Endlich hört jemand auf die Mehrheit!“
Nein, da hört gar keiner.
Abgesehen davon, dass Deutschland eigentlich die Lehre gezogen hatte, dass auch die Mehrheit mal richtig daneben liegen kann. Und wir keine Österreicher mehr einbürgern sollten. (Memo 1949: Österreichische Gefreite einbürgern = doof. Dächer kaputt. Heute Abend Steckrüben. Wieder.)

Würde die CDU auf die Wähler hören, würde sie das ganze System hinterfragen (Abre numa nova janela) und beispielsweise mal abfragen, warum die Ausländerbehörden auf Kreisebene organisiert sind. (Ein großes Thema beim Attentäter von Solingen (Abre numa nova janela).)

Es wurden Symbole in die Köpfe der Menschen gepflanzt. Die einfach zu verstehen sind. Ein Priming, ein Framing, ein Spalt, ein „wir oder die anderen“. „Die Linken wollen nichts dagegen tun“ und „Die Linken sind für ungebremste illegale Migration“. Und damit „Die Rechten sind alles Ausländerfeinde“.

Weil die Menschen das mal eben in der Frühstückspause auf dem Handy rezipieren, haben sie kaum Zeit nachzudenken. Demokratie erfordert aber sich schlau zu machen, aktiv einzubringen und wenigstens mal dahinter zu schauen. Hinter das Kaspertheater.
Demokratie wurde in Athen erfunden… Ach würden die Menschen nur kapieren, wie das tatsächlich abgelaufen ist.

Demokratie erfordert, dass man verstehen kann, dass dieser ganze Affentanz völlig losgelöst vom Inhaltlichen ist. Und dass es bei den Demonstrationen eben nicht darum ging, ein Zeichen gegen „Rechts“ zu setzen. Sondern gegen die Zusammenarbeit mit „Rechtsextrem“. Für einen kurzfristigen, politischen Erfolg. Der am Ende des Tages aber gar nichts ändert.

Demokratie erfordert so viel mehr.
Und seit 1991 nehme ich einen Unwillen wahr, das zu leisten.

Da Sie bis hierhin durchgehalten haben, bedanke ich mich. Irgendwie habe ich dies nämlich für mich geschrieben.
Ich habe versprochen, zu welchem Schluss Sie am Ende meines Textes kommen, ist mir völlig gleich. Aber alleine die Tatsache, dass ich als Linker aber ziemlich Liberaler, der für solche und noch härtere Maßnahmen ist, diese Merz-Aktion nicht gut findet, sollte doch wenigstens zu denken geben. Darüber nachzudenken, ob die Projektionen, das ewige Schwarz und Weiß, nicht eher spaltet. Und ob man das nicht konstruktiv und ruhig hätte lösen können.

Dann können wir vielleicht auch mal über sinnvolle Maßnahmen diskutieren, um die Kuh vom Eis zu bekommen.

Bitte. Denken Sie.
Es ist ganz leicht.

Tópico Medien und Politik

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