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Dein Gehirn kann nur bis 4 zählen

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: darüber, wie das Gehirn Zahlen verarbeitet.

Wir starten mit einem kleinen Spiel. Wenn am Anfang der Linie unten die Null ist und am Ende eine Milliarde. An welcher Stelle würdest du die Zahl eine Million markieren?

Die meisten Menschen versagen (Abre numa nova janela) bei diesem Spiel, das zeigen Studien. Sie setzen die Million ungefähr beim Mittelpunkt. Ich markiere mal mit einem X, wo die Million eigentlich liegt.

Die Million liegt fast ganz am Anfang der Linie, so nah an der Null, dass ich es hier kaum besser darstellen kann, als die Markierung direkt nach der Null einzufügen. Ich habe das Beispiel bei meinem ehemaligen Krautreporter-Kollegen Tarek Barkouni geklaut. Er schreibt (Abre numa nova janela): Das Gehirn versteht große Zahlen nicht. Und er hat recht. Und diese Einsicht hat Auswirkungen auf unseren Alltag: auf unseren Umgang mit Geld, Zeit, Distanzen, Politik. Aber eigentlich ist die Einsicht noch viel krasser: In unserem Gehirn verschwimmen nämlich alle Zahlen, die größer sind als 4.

Glaubst du nicht? Dann begleite mich heute mal in die numerische Kognitions- und Neurowissenschaft. Die untersucht, wie unser Gehirn Zahlen verarbeitet. Mit erstaunlichen Erkenntnissen.

Eins, zwei, drei, vier, ganz viele

Wir lassen die Milliarden und Millionen für den Anfang mal hinter uns und starten kleiner, viel kleiner. Du stehst in der Küche und möchtest den Tisch decken. Dafür greifst du beherzt in die Schublade mit den Gabeln. Wenn du eine Gabel erwischst: Gar kein Problem, dein Gehirn muss nicht groß zählen. Bei zwei Gabeln? Easy. In Sekundenbruchteilen erkennt dein Gehirn: Das sind zwei. Drei sind ebenfalls kein Problem. Vier Gabeln zählt dein Gehirn blitzschnell zusammen. Aber dann … wird es schwierig. Wenn du in die Schublade greifst und fünf Gabeln erwischst, braucht dein Gehirn länger. Deutlich länger.

Vor mehr als 150 Jahren entdeckte der Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph William Stanley Jevons etwas Merkwürdiges über die Zahl Vier. Während er so darüber nachdachte, wie sich der Verstand Zahlen vorstellt (so berichtet es der Atlantic (Abre numa nova janela)), warf er eine Handvoll schwarzer Bohnen in einen Karton. Er warf einen kurzen Blick auf den Karton und schätzte, wie viele es waren. Danach kontrollierte er, wie viele es tatsächlich waren. Und Jevons hatte anscheinend Zeit. Denn er wiederholte dieses Experiment 1.000 mal. Und er erkannte ein Muster. Befanden sich vier Bohnen (oder weniger) im Karton, lag er mit seiner ersten schnellen Schätzung immer richtig. Waren es mehr, lag er oftmals falsch. Seine Erkenntnisse veröffentlichte (Abre numa nova janela) er 1871 im Nature Magazin (ja, so lange gibt es das schon). Was ist da los? Was hat unser Gehirn gegen alles, was mehr als vier ist?

Ein Neuron für die eins, eins für die zwei …

Tatsächlich geht man davon aus, dass zwei verschiedene Bereiche in unserem Gehirn für Zahlen zuständig sind. Einer für alle Zahlen bis 4 und einer für alles darüber hinaus. Der eine hilft uns dabei, reale Dinge zu zählen. Der andere ist eher für Schätzungen zuständig. Neurowissenschaftler der Universitäten Bonn und Tübingen konnten etwas machen, das man normalerweise nicht macht: In einer Studie (Abre numa nova janela) mit Epilepsiepatient:innen konnten sie Elektroden ins Gehirn implantieren und so erstmals die Aktivität einzelner Neuronen direkt messen.

Das Erstaunliche: Scheinbar gibt es spezialisierte Neuronen für bestimmte Zahlen: Ein Neuron könnte auf die Zahl 3 reagieren, ein anderes auf die 2. Überraschend war auch, dass Mengen (also Gruppen von Punkten) und Zahlen (Ziffern) von verschiedenen Neuronengruppen verarbeitet werden. Unser Gehirn erfasst Mengen intuitiv, während Zahlen erst gelernt werden müssen. Ab fünf Objekten zeigt sich eine drastische Veränderung: Während Neuronen für kleinere Mengen spezifisch feuern, reagieren sie ab fünf unspezifischer. Das Gehirn beginnt zu „schätzen“.

Die Verarbeitung der Zahl Null unterscheidet sich übrigens fundamental von anderen Mengenangaben: Während Neuronen bei anderen Zahlen erwartungsgemäß reagieren, erzeugt eine leere Menge ein völlig anderes neuronales Signal. Dies erklärt, warum Menschen oft zögern, wenn sie auf „Null“ antworten.

Hier wird unser Unvermögen zum Problem

William Stanley Jevons, der Mann mit den schwarzen Bohnen, stellte schon vor 150 Jahren fest, dass unser Gehirn gar nicht mal so gut im Schätzen ist. Und besonders schlecht ist es darin, sich sehr große Mengen vorzustellen. „Die Antwort auf die Frage, warum wir Probleme mit großen Zahlen haben, ist relativ einfach: Wir brauchten sie nicht. Wir nutzen sie selten in unserem Alltag. Für Urmenschen waren große Zahlen ziemlich unnötig. Unsere Vorfahren brauchten nur ein grundlegendes Gefühl für kleine Mengen, wie die Anzahl der Menschen in ihrer Sippe, die Anzahl der Tiere in ihrem Jagdgebiet oder die benötigte Anzahl von Pfählen für ihre Zelte“, schreibt Tarek.

Dass wir aber auch heute noch so schlecht darin sind, wirkt sich auf unseren Alltag aus. Und das ausgerechnet in Bereichen, die wichtig sind für unser Zusammenleben und für eine gerechte Gesellschaft.

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