Welchen Liberalismus hätten Sie gerne?
Von Manuel Benjamin Lehmann
In Verbindung mit dem zunehmenden Populismus liest man häufig, dass die Linke die Arbeiterschaft aus den Augen verloren hat und nur noch für eine urbane, woke Elite politisieren würde. Was man auch noch ab und zu liest: Der Populismus sei eine Reaktion auf die Globalisierung. Was man hingegen so gut, wie nie liest: Dass es auch eine Krise des Liberalismus sein könnte. Ich wollte wissen, was KI davon hält, und habe mich unterhalten mit ihr. Dieser Text liefert die Antwort, ob es eine Krise des Liberalismus gibt, wie ein verantwortungsvoller Liberalismus aussieht und was dies mit der aktuellen Weltsituation zu tun hat.
Anmerkung: Die Antworten der KI sind von dem Autoren gekürzt.
Was sind die Ursprünge des Liberalismus?
Individuelle Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, die Trennung von Kirche und Staat, Gewaltenteilung, Partizipation und Selbstbestimmung sowie Marktwirtschaft und Eigentumsrechte.
Magst Du dies mit der Rechtsstaatlichkeit etwas ausführen?
Dies bedeutet, dass alle Menschen und Institutionen, einschließlich des Staates, an festgelegte Gesetze gebunden sind. Diese Gesetze sollen fair sein und für alle gleichermaßen gelten.
Und die ersten Liberalen haben sich für Partizipation und Selbstbestimmung eingesetzt?
Die frühen Liberalen setzten sich für politische Partizipation ein und unterstützten die Idee der Volkssouveränität – also, dass die Macht letztlich beim Volk liegt und die Regierung Rechenschaft ablegen muss. John Locke (1632-1704) gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter des Liberalismus. Er argumentierte, dass alle Menschen von Natur aus Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum haben und dass die Hauptaufgabe der Regierung der Schutz dieser Rechte ist. In seinem Werk «Two Treatises of Government» entwickelte er die Vorstellung eines Gesellschaftsvertrags, wonach die Macht der Regierung auf der Zustimmung der Regierten basiert.
Ging die Idee der wirtschaftlichen Freiheit einher mit der Hoffnung von einer Reduktion der Armut?
Frühe liberale Denker wie Adam Smith (1723-1790) glaubten, dass wirtschaftliche Freiheit und die Entfaltung des Handels zu Wohlstand für die Gesellschaft führen könnten.
War den frühen Liberalen Stabilität wichtig?
Die Liberalen der Aufklärungszeit und des 19. Jahrhunderts erkannten, dass wirtschaftliche Ungleichheit und Armut politische Instabilität fördern könnten. John Stuart Mill und andere plädierten daher für soziale Reformen und bessere Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, um eine stabile Gesellschaft zu gewährleisten und sozialen Aufruhr zu vermeiden.
Da fallen mir die Wirtschafts-Nobelpreisträger 2024 ein. Den Preis haben sie erhalten für ihre Forschung zu wirtschaftlicher Entwicklung und Ungleichheit. Lassen sich da Verbindungen ziehen?
Ja, eine Verbindung zwischen den liberalen Grundsätzen und den Arbeiten der Nobelpreisträger 2024 lässt sich durchaus ziehen. Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson betonen, dass stabile, inklusive Institutionen essenziell sind, um langfristige wirtschaftliche Prosperität und soziale Stabilität zu gewährleisten. Dieser Ansatz reflektiert liberale Prinzipien, die darauf abzielen, durch wirtschaftliche Freiheit und institutionelle Stabilität Wohlstand zu fördern und Armut zu verringern.
Inwiefern steht der Neoliberalismus, der sich aus dem Liberalismus heraus entwickelt hat, dazu im Widerspruch?
Der Neoliberalismus, der sich im 20. Jahrhundert aus den liberalen Ideen der Aufklärung und des klassischen Liberalismus entwickelte, steht den Überlegungen der diesjährigen Wirtschaftsnobelpreisträger durchaus teilweise im Widerspruch. Während die liberalen Denker des 18. und 19. Jahrhunderts wie John Stuart Mill erkannten, dass soziale Stabilität durch Bildung, Chancengleichheit und institutionelle Gerechtigkeit gefördert werden muss, legt der Neoliberalismus einen stärkeren Fokus auf Deregulierung, freien Markt und die Minimierung staatlicher Eingriffe. Dieser Ansatz zielt darauf ab, dass der Markt sich selbst reguliert und dass wirtschaftliche Effizienz das oberste Ziel ist, oft ohne direkte Berücksichtigung sozialer Ungleichheiten.
Könnte es also Sinn machen Grenzen zu setzen, auch in einem liberalen Kontext?
Ja, auch im Rahmen eines liberalen Denkens könnte es sinnvoll sein, bestimmte Grenzen zu setzen, um die Stabilität und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern. Die ursprünglichen liberalen Denker, wie John Stuart Mill, erkannten bereits, dass wirtschaftliche Freiheit allein nicht genügt und dass soziale Reformen notwendig sind, um eine funktionierende Gesellschaft zu erhalten. Das bedeutet, dass eine stabile und faire Gesellschaft auch Grenzen und Regelungen braucht, um negative Effekte des Marktes, wie übermäßige Ungleichheit, Armut und Umweltzerstörung, zu verhindern.
Liesse sich hier eine Verbindung machen zu Anders Levermann und seinem Buch "Die Faltung der Erde" ?
Ja, es lässt sich eine Verbindung zwischen liberalem Denken und den Ideen von Anders Levermann in «Die Faltung der Welt» (Abre numa nova janela) herstellen. Levermann beschreibt die Notwendigkeit, das Wirtschaftswachstum durch gezielte Grenzen und nachhaltige Strukturen zu steuern, um die planetaren Ressourcen und das gesellschaftliche Gleichgewicht zu erhalten. Dies passt zu einem liberalen Ansatz, der zwar wirtschaftliche Freiheit fördert, aber anerkennt, dass ohne gewisse Schranken und eine Berücksichtigung des Allgemeinwohls die negativen Konsequenzen der freien Märkte – wie Ungleichheit, Umweltzerstörung und Instabilität – unkontrolliert wachsen können.
Seine zentrale Idee, dass „Faltungsprinzip“, stellt eine Art Wachstum ohne Expansion in den Raum, welches innerhalb der planetaren Grenzen verbleiben soll. Levermann schlägt vor, statt auf Verzicht zu setzen, ein nachhaltiges Wachstum durch gezielte Diversifizierung und Innovation anzustreben.
Kannst Du etwas dazu sagen, wie ein moderner Liberalismus vor diesem Hintergrund aussähe?
Ein moderner Liberalismus verbindet die klassischen liberalen Ideale individueller Freiheit und wirtschaftlicher Teilhabe mit einem stärkeren Fokus auf soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle staatliche Eingriffe. Dieser Ansatz sieht Freiheit nicht nur als Schutz der individuellen Rechte, sondern auch als Möglichkeit für alle, durch gleiche Chancen und soziale Sicherheit am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Gibt es dafür ein gutes Beispiel auf politischer Ebene?
Die Liberalen in Kanada unter Justin Trudeau haben eine wirtschaftsliberale, aber auch stark sozial orientierte und umweltbewusste Linie eingeschlagen. Sie unterstützen soziale Sicherungssysteme, setzen sich für Klimaschutzmaßnahmen ein und sehen den Staat als wichtigen Akteur in der Förderung einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft. Dies reflektiert einen modernen Liberalismus, der eine Balance zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialer Verantwortung anstrebt.
Anmerkung des Autors: Wir werden in den nächsten Jahren vermutlich gefühlte Millionen Presseartikel zu Trump und den USA lesen können und leider höchstens drei Artikel zu Kanada und Trudeaus Politik.
Ich habe den Eindruck, dass liberale Parteien zwischen neoliberalen und populistischen Tendenzen hin und her schwanken? Was könnte dafür verantwortlich sein?
Liberale Parteien haben oft mit Spannungen zwischen verschiedenen ideologischen Strömungen zu kämpfen, und viele von ihnen zeigen neoliberale oder sogar populistische Tendenzen, abhängig von der politischen Landschaft und den aktuellen Herausforderungen.
Könnte der Neoliberalimus verantwortlich sein für den zunehmenden Populismus?
Neoliberale Politiken haben in manchen Fällen zur Finanzialisierung der Wirtschaft und zu instabilen Finanzmärkten beigetragen, wie man in der Finanzkrise 2008 sah. Solche Krisen führen oft zu wirtschaftlichem Leid, das Populisten als Beweis für das Versagen des neoliberalen Systems interpretieren und ausnutzen. Sie bieten vermeintlich einfache Lösungen für komplexe wirtschaftliche Probleme und stellen sich als Alternative zur herrschenden Wirtschaftsordnung dar.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Spannungen, die der Neoliberalismus hervorruft, oft eine Grundlage für populistische Bewegungen schaffen. Diese nutzen das Misstrauen und die Frustration der Menschen gegenüber der herrschenden Wirtschaftsordnung und den politischen Eliten, um Unterstützung zu gewinnen. Während der Neoliberalismus die Märkte entfesselt und den Staat zurückzieht, greifen populistische Bewegungen häufig genau diese Folgen an und fordern ein „Zurück zu den Menschen“ – oft mit autoritären oder nationalistischen Tendenzen.
Wer ist mehr verantwortlich für den Populismus? Die Linke, die die Arbeiterschaft aus den Augen verloren hat oder der Neoliberalismus, der für Verwerfungen und Ungleichheit führt?
Die Frage, wer stärker für den Aufstieg des Populismus verantwortlich ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da sowohl linke politische Versäumnisse als auch die Auswirkungen neoliberaler Politiken als Treiber für populistische Bewegungen gelten.
Ein wichtiger Faktor ist, dass sich linke und sozialdemokratische Parteien in vielen westlichen Ländern seit den 1980er Jahren zunehmend auf gebildete, städtische Mittelschichten und liberale Werte konzentriert haben. Dadurch wurden die Anliegen der traditionellen Arbeiterklasse und der ländlichen Bevölkerung oft vernachlässigt.
Auf der anderen Seite hat der Neoliberalismus, mit seinem Fokus auf Deregulierung, Steuererleichterungen für Unternehmen und Globalisierung, zu größerer Ungleichheit und wirtschaftlicher Unsicherheit geführt. Viele Menschen, besonders in ehemals industriellen Regionen, haben ihren Arbeitsplatz oder ihre finanzielle Stabilität verloren und empfinden, dass die neoliberalen Reformen vor allem den Wohlhabenden und global agierenden Unternehmen zugutekommen.
In vielen Fällen bedingen diese Faktoren einander. Die Entfremdung der Arbeiterklasse von den traditionellen linken Parteien und die negativen Folgen des Neoliberalismus haben gemeinsam ein Klima geschaffen, in dem populistische Bewegungen leicht Fuß fassen konnten. Diese Bewegungen geben oft beiden Seiten – der „versagenden Linken“ und den „neoliberalen Eliten“ – die Schuld und bieten sich selbst als „wahre Stimme des Volkes“ an.
Müssten die Liberalen nicht viel kritischer sein gegenüber Populisten, da deren Politik die Freiheit gefährdet?
Ja, Liberale sollten prinzipiell kritisch gegenüber Populismus sein, da dieser oft eine Bedrohung für die liberalen Grundwerte wie individuelle Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz darstellt. Populistische Politik kann die demokratischen Institutionen und die Pluralität gefährden, indem sie einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet und häufig die Macht auf eine Person oder eine Gruppe konzentriert.
Anmerkung des Autors: Ich wünsche mir mehr Lösungsorientierung! Von allen! Ich bin überzeugt, dass eine nachhaltige Entwicklung so viele wirtschaftliche Chancen bietet, dass dies für liberale Parteien eine heisse Liebe sein könnte.
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(Abre numa nova janela)Foto: Tom Coe (unsplash)