Mythos “soziale Hängematte”
In Österreich gibt es viele Vorurteile über Sozialhilfe und Menschen, die diese beziehen. Eines der häufigsten ist der Mythos der "sozialen Hängematte". Unterstützt von gewissen politischen Kräften und Medien kursiert in manchen Köpfen das Bild, dass Menschen, die Sozialhilfe bekommen, faul sind und sich ein schönes Leben auf Kosten des Staates machen. Sie denken, dass Sozialhilfeempfänger:innen nicht arbeiten wollen, sondern lieber auf Kosten der Allgemeinheit ein angenehmes Leben führen und die Unterstützung ausnutzen.
Dieses Bild wird auch von verschiedenen Trash-TV-Formaten unterstützt, in denen Sozialhilfeempfänger:innen so porträtiert werden, als würden sie den ganzen Tag nur auf der Couch sitzen, rauchen, fernsehen und Alkohol konsumieren. Die Wohnungen, in denen sie leben, seien verwahrlost, und das Geld vom Sozialamt ermögliche ihnen ein relativ sorgenfreies Leben.
Doch wie sieht die Realität aus? Sind Sozialhilfeempfänger:innen tatsächlich so wie in diesen Sendungen dargestellt? Unterstützt die Sozialhilfe einfach nur faule Menschen, die nicht arbeiten, nichts beitragen wollen?
SPOILER: Nein! Sehen wir uns das genauer an…
Was ist Sozialhilfe eigentlich?
Sozialhilfe ist eine wichtiger sozialstaatlicher Pfeiler in der Unterstützung von Menschen, die kein oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Sie ist eine finanzielle Unterstützung, die vom Staat an bedürftige Menschen gezahlt wird und soll den Grundbedarf an Lebensmitteln, Kleidung, Unterkunft und medizinischer Versorgung sichern. Sozialhilfe soll sicherstellen, dass niemand in Armut leben muss. Tatsächlich wird aber von zahlreichen Expert:innen und Institutionen kritisiert, dass die Sozialhilfe nicht armutsfest ist (siehe auch Armuts-/Sozialbericht 2024 (Abre numa nova janela)).
Wer bekommt überhaupt Sozialhilfe?
Sozialhilfe erhalten Menschen, die kein eigenes Einkommen haben oder deren Einkommen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu gehören:
Langzeitarbeitslose
Alleinerziehende
Menschen mit Behinderungen
Chronisch Kranke
Ältere Menschen mit zu geringen Pensionsansprüchen
Geringverdiener (Working Poor)
Aber Sozialhilfe erhalten vor allem auch Kinder und Jugendliche als Mitunterstützte oder Menschen, die wegen Care- und/oder Pflege-Arbeit keiner oder nur eingeschränkter Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Wie bekommt man Sozialhilfe?
Um Sozialhilfe zu bekommen, muss man einen Antrag stellen und nachweisen, dass man bedürftig ist. Das heißt, man muss belegen, dass man kein oder nur wenig Einkommen und keine Ersparnisse hat. Das beinhaltet verschiedenste Dokumente sowie eine völlige Offenlegung der eigenen Finanzen - oft über mehrere vergangene Monate vor Antragsstellung.
Ist das wirklich alles so einfach und bequem?
Nein, natürlich nicht. Der Prozess der Antragstellung kann mitunter länger dauern und jeder Antrag wird genau geprüft. Hier einige Aspekte:
Strenge Kontrollen: Um Sozialhilfe zu bekommen, müssen Antragsteller:innen strenge Kontrollen durchlaufen. Ihre finanzielle Situation wird genau überprüft. Wer Vermögen hat oder Einkommen verschweigt, verliert die Unterstützung und muss die zu Unrecht erhaltenen Leistungen zurückzahlen.
Arbeitsbereitschaft: Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger:innen sind - mit wenigen Ausnahmen - verpflichtet, aktiv nach Arbeit zu suchen, vorgeschlagene Jobs des AMS anzunehmen oder an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Es gilt die sogenannte Bemühungspflicht - sie müssen also regelmäßig nachweisen, dass sie sich um Arbeit bemühen.
Geringe Beträge: Die Höhe der Sozialhilfe liegt knapp unter dem Existenzminimum und weit unter der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdungsschwelle und ist nicht armutsfest. Menschen, die Sozialhilfe bekommen, leben meist in sehr bescheidenen Verhältnissen.
Gesellschaftlicher Druck: In Österreich wird Lohnarbeit als wichtig und wertvoll angesehen. Während Pflege oder Carearbeit nicht als solche bewertet und schon gar nicht anerkannt werden. Besonders Menschen, die Sozialhilfe beziehen, stehen oft unter großem Druck, wieder Arbeit zu finden. Das Vorurteil der "sozialen Hängematte" führt oft zu Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung.
Individuelle Schicksale: Viele Menschen, die Sozialhilfe beziehen, haben schwierige und nicht selbst verursachte Lebensumstände. Krankheiten, Unfälle, psychische Probleme oder familiäre Verpflichtungen können Gründe dafür sein, dass eine Erwerbsarbeit nicht möglich ist. Auch die staatlichen Rahmenbedingungen (Kinderbetreuungsplätze, Pflegepersonal, etc.) können eine große Rolle spielen.
Wer sind denn diese Sozialhilfebezieher:innen?
Eine alleinerziehende Mutter kann durch die Betreuung ihrer Kinder oft nicht in Vollzeit arbeiten. Die Sozialhilfe hilft ihr, über die Runden zu kommen, bis ihre Kinder größer sind und sie wieder mehr arbeiten kann.
Menschen, die lange Zeit aufgrund von Care-Arbeit, Erkrankungen oder Pflege nur Teilzeit arbeiten konnten, sind aufgrund geringer Pensionsansprüche auf Sozialhilfe/Mindestsicherung angewiesen, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Ein junger Mensch mit einer schweren Krankheit, der aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht arbeiten kann, erhält Sozialhilfe, um medizinische Behandlungen und seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.
Was bleibt vom Mythos der „sozialen Hängematte?
Das Vorurteil ist leider noch weit verbreitet, aber es hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Die Realität der Sozialhilfe in Österreich ist komplex und vielfältig. Sozialhilfe ist eine wichtige Unterstützung für Menschen in Not und soll ihnen dabei helfen, ein menschenwürdiges Leben zu führen.
Die Menschen, die Sozialhilfe beziehen, tun dies aus einer echten Notlage heraus und nicht, um dem Arbeitsmarkt zu entkommen oder die Gesellschaft auszunutzen. Menschen, die Sozialhilfe beziehen, sind oft mit Scham, Ausgrenzung und Vorurteilen wie diesem konfrontiert - bereits im Prozess der Antragstellung und auch als Bezieher:innen. Daher suchen viele Menschen trotz gravierender Notlage gar nicht erst um Sozialhilfe an (siehe Non Takers (Abre numa nova janela)).
Es ist wichtig, dieses Vorurteil zu hinterfragen und die tatsächlichen Lebensumstände der Betroffenen zu verstehen. Es geht hier um Menschen mit realen Problemen und Schicksalen. Nur so können wir eine gerechte und solidarische Gesellschaft fördern - Armut bekämpfen, nicht Armutsbetroffene!
PS: Wir werden hier in Zukunft mehr über die Sozialhilfe in Österreich schreiben und aufklären!