Ins Glas geschaut: Andrej Marko testet PiWi aus Radebeul
Cabernet Blanc ist eine pilzwiderstandsfähige Rebsorte: Das Weingut Hoflößnitz baut sie trocken (wie hier), aber auch halbtrocken aus FOTO: ANDREJ MARKO
In der Rubrik „Ins Glas geschaut“ stellen Weinexpert*innen und Weinliebhaber*innen ihren Wein der Woche vor. Heute: Bio-Spezialist Andrej Marko testet trockenen Cabernet Blanc vom Weingut Hoflößnitz in Radebeul.
von Andrej Marko
Der Wein: Weingut Hoflößnitz, Cabernet Blanc, trocken, 2017, 12,0 % vol., 17,50 Euro ab Hof.
Der Grund: Insgesamt gibt es drei Gründe. Erstens bin ich bekennender Biowein-Anhänger und Hoflößnitz war im gesamten Anbaugebiet Sachsen das erste biozertifizierte Weingut. Zweitens breche ich gern eine Lanze für pilzwiderstandsfähige Sorten, die PiWis. Wobei man heutzutage ja schon als Befürworter zählt, wenn man solche Züchtungen nicht wie die unzähligen selbsternannten Traditionalisten rundheraus als neumodischen Quatsch und unnütz abstempelt. Und schließlich war es mal spannend zu erkunden, wie sich so ein Wein im fünften Jahr präsentiert.
Hier liest Du auch Alles über die Weintrends 2022: Teil 1 geht über allgemeine Weintrends (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Teil 2 dreht sich um Bio- und Naturweintrends sowie die Auswirkungen des Weinrechts auf den Verbraucher. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Wir sind in Radebeul, auf halbem Weg zwischen Dresden und Meißen. Hoflößnitz fußt auf jahrhundertealter Tradition und einem Ensemble pittoresker Fachwerkhäuser. Und doch soll es modern und zukunftsorientiert vorangehen, so schreibt es die Satzung der Stiftung vor, die das Weingut mit der Deutschen Einheit übernahm. Ökologie und das Anpflanzen einer Vielzahl an PiWi-Sorten eingeschlossen.
Das Weingut Hoflößnitz in Radebeul: Ökologischer Betrieb mit unterschiedlichen PiWi-Sorten FOTO: MAX SCHRÖDER
Cabernet Blanc hat eine spannende Herkunft. Eine pilzwiderstandsfähige (aber für sich uninteressante) Sorte wurde mit Cabernet Sauvignon vermählt. Letzterer hat selbst prominente Eltern: Cabernet Franc und Sauvignon Blanc. Jetzt wird’s mir fast zu bunt: Aus einer weißen Sorte entsteht eine rote und daraus wieder eine weiße? Gregor Mendel hätte seine wahre Freue daran.
Viele finden geschmacklich im Cabernet Blanc den Sauvignon Blanc wieder. Für mich ist oft die Paprikanote am prägnantesten, die ich eher aus der Cabernet Franc/Cabernet Sauvignon-Linie ableite.
Und wie schmeckt dieser nun? Schon in der Nase ist sie da, die typische Paprika. Aber nicht grüne Paprika, sondern eher die im Glas eingelegte Paprika. Ah, so altert Cabernet Blanc also. Am Gaumen setzt sich Paprika fort und wird begleitet von einer leicht scharfen Bitterkeit. Die irritiert etwas und ich frage mich, ob sie schon immer da war oder auch eine Alterserscheinung ist. Jedenfalls maskiert sie gut die laut Analyse vorhandene Restsüße von 5g, die sonst sicher leichter wahrnehmbar gewesen wäre.
Im Weinberg des Weinguts Hoflößnitz: Kellermeister Felix Hößelbart (l.) und Geschäftsführer Jörg Hahn FOTO: MAX SCHRÖDER
Der Wein wurde im Jahr der Abfüllung beim Internationalen PiWi Weinpreis mit Gold und 93 Punkten ausgezeichnet. Aktuelle Jahrgänge würden 17,50 Euro ab Hof kosten, wenn sie nicht ausverkauft wären. Ich wäre jetzt am liebsten ein wenig enttäuscht. Aber ich reklamiere den Fehler für mich selbst: Einfach zu lange im Keller vergessen. Hätte ich ihn etwas früher aufgemacht, zu Paprikagemüse, zu geschmortem Chicorée, zur Artischocke, er hätte wunderbar gepasst. Und dafür breche ich jederzeit die nächste Lanze.
Andrej Marko, 47, war jahrzehntelang Kaufmann bei der Berliner Pharmasparte des Bayer-Konzerns . Er und seine Frau Claudia machten dann ihre Leidenschaft zum Geschäft in Berlin: Weine von kleinen, ökologisch arbeitenden Erzeuger*innen. Schwerpunkt: Deutschland und Österreich. Warum heißt der Laden www.weinmoral.berlin (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)? Andrej Marko sagt: "Kann die Menschheit vollständig ökologisch ernährt werden? Fangen wir doch mal bei einem Genussmittel an: Moral beginnt mit Wein." FOTO: FOTO HOLLIN
Zuletzt in der Rubrik "Ins Glas geschaut" erschienen: +++ Anja Zimmer testet Doctor Riesling vom Weingut Wwe. Dr. H. Thanisch - Erben Thanisch (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) +++Die Test-Highlights aus 2021 liest du übrigens hier! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Demnächst im WeinLetter - das Döner-Experiment! Welcher Wein passt zu diesem Klassiker der deutschen Esskultur? (Mit scharf und Knoblauchsauce) Vorschläge bitte an weinletter@posteo.de! Und wenn du sonst noch Fragen oder Antworten hast: Immer her damit!