WeinLetter #62: So läuft das mit dem Wein im ICE-Bordrestaurant!
Liebe Wein-Freund:in,
Du liest den WeinLetter #61. Heute gibt's: Den schnellsten Wein der Welt! Naja, der deutschen Welt. TGV? Ist schneller. Oder der CRH380BL? Ist schneller. Aber keine Ahnung, ob die Chinesen im Bordrestaurant Wein ausschenken. Also: Heute geht's ins Bordrestaurant des ICE. Direkt in die Weinkarte! Denn da passierte Unfassbares!!! Rheinhessen. Rheinhessen. Rheinhessen. Pfalz. Rheinhessen hat auf der Speisekarte der Bordrestaurants in den ICE eindeutig gewonnen. Drei von vier Weinen kommen aus Rheinhessen. Wie das? Hat da die Ebsch-Mafia zugeschlagen? Und dann kommen zwei Winzer auch noch aus demselben Dorf? Aus Dittelsbach? WhereTF? Gut, Rheinhessen ist das größte Weinanbaugbiet Deutschlands mit seinen 27.000 Hektar. Aber wie kommt man bei einem 25 Prozent-Anteil auf 75 Prozent der ICE- und IC-Speisekarten? Ein Fall für Sherlock WeinLetter! Wer wählt die Weine auf der Speisekarte aus? Etwa Hartmut "Bahnchef" Mehdorn a. D. oder Stuart Pigott? Und: Schmeckt das wie im echten Restaurant - und überhaupt? Hier gibt’s die Antworten auf die wichtigsten Bahn-Fragen! Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte weiter. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Aber vor allem:
Trinkt friedlich!
Euer Thilo
Die 0,25-Liter-Flaschen sind das untrügliche Zeichen für: Hier bin ich im Bordrestaurant der DB FOTO: THILO KNOTT
Die 7 Wahrheiten über die Weinkarte im DB-Bordrestaurant des ICE
von Thilo Knott
1. Welche Weine gibt‘s gerade in ICE- und IC-Bordrestaurants der DB?
Wein steht in 345 Bordrestaurants und Bordbistros in ICE-Zügen sowie in ,knapp 100 Bordbistros und 50 Reisecafés in Intercity-Zügen auf der Getränkekarte. Im Juni gab es einen Wechsel. Neu im Programm sind diese Weine in der 0,25-Liter-Flasche:
David Spies: Riesling, trocken, 2022, 11 % Vol. alc., Rheinhessen, 8,90 Euro im Bordrestaurant.
Über David Spies schrieb der Eichelmann: „Die neue Kollektion ist ganz stark, das Gesamtniveau ist sehr hoch.“ Er kommt aus - genau - Dittelsheim in Rheinhessen.
Stefan Winter: Grauburgunder, trocken, 2022, 12,5 % Vol. alc., Rheinhessen, 8,50 Euro im Bordrestaurant.
Stefan Winter ist seit rund 10 Jahren VDP-Mitglied. Er kommt - wie David Spies - aus Dittelsheim in Rheinhessen. Er ist übrigens der Mann von Juliane Eller, die ebenfalls einen Grauburgunder im Bordrestaurant ausgeschenkt hat (Juwel Weine) - bis ihr Mann kam.
Heinrich Gies & Sohn: Cabernet Sauvignon, trocken, 2021, 13 % Vol, alc., Pfalz, 8,90 Euro im Bordrestaurant.
Die Winzergenossenschaft Vier-Jahreszeiten hat das Weingut Heinrich Gies 2011 übernommen. Sitz ist Friedelsheim in der Pfalz.
Sebastian Erbeldinger: Rosé, trocken, 2022, 11 % Vol. alc., Rheinhessen, 7.90 Euro im Bordrestaurant.
Den Rosé von Sebastian Erbeldinger führt die Bahn nur in den Sommermonaten bis August. Er stammt aus Bechtheim, Rheinhessen.
David Spies, Dittelsheim, Rheinhessen FOTO: JÖRG SÄNGER/WEINGUT SPIES
2. Wer wählt die Weine für das ICE-Bordrestaurant aus?
Die Deutsche Bahn ist ein Staatsunternehmen. Der Wahl der Weine voraus geht eine öffentliche Ausschreibung. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn betont: „Wichtig ist uns vor allem, dass wir deutsche Weine anbieten. Der ökologische Fußabdruck eines deutschen Weins ist einfach kleiner als der eines importierten Weines. Zudem ist Deutschland ein Weinland und das Angebot guter Weine ist groß.“ Der Tempranillo, der jahrelang auf der Karte der DB-Bordrestaurants stand, ist verschwunden. Bestandteil der sehr ausführlichen Ausschreibung ist die Festlegung der Rebsorten. Aber enthalten sind zum Beispiel auch Vorgaben zur Etikettierung.
Seit 2011 unterstützt das Deutsche Weininstitut in Bodenheim die Deutsche Bahn logistisch bei der Ausschreibung der Weine sowie der Durchführung der Verkostung. Mehr als 100 Weine wurden zur Verkostung des neuen Sortiments angemeldet. In zwei verdeckten Verkostungsrunden wurden hernach die besten vier Weine ermittelt.
Drei von vier aus Rheinhessen? Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts, sagt: „Grundsätzlich wünschen wir uns, dass möglichst verschiedene Anbaugebiete vertreten sind, aber es gibt keine Vorgaben. Alle Weine werden verdeckt verkostet und die Qualität zählt. Da kann dann so ein Ergebnis rauskommen, mit zwei Weinen aus demselben Ort sowie einem weiteren Wein aus dem Nachbarort.“
Stefan Winter, Dittelsheim, Rheinhessen FOTO: WEINGUT WINTER
3. Was konsumieren die Gäste in den ICE-Bordrestaurants der DB?
Die Deutsche Bahn hat 2022 mit dem gastronomischen Angebot einen Umsatz von 90 Millionen Euro gemacht, sagte eine DB-Sprecherin auf Anfrage. 65 Prozent des Umsatzes realisiert sie mit Getränken. Die Rangliste bei den Getränken führen die Heißgetränke an. Kaffee, Tee und Schokolade haben einen Anteil am Getränkeumsatz von knapp 50 Prozent, Bier und alkoholfreie Getränke teilen sich Platz zwei mit jeweils 22 Prozent. Wein und Schaumwein machen deutlich unter zehn Prozent aus.
Wein hat also den geringsten Anteil am Getränkeabsatz in den Bordrestaurants der Deutschen Bahn. Sie greifen eher zum Bier. Wie im „richtigen Leben“ außerhalb der Bordrestaurants auch: Der Bierabsatz lag 2022 laut Statistischem Bundesamt in Deutschland bei 8,8 Milliarden Liter, die Branche verzeichnete sogar einen Anstieg von 2,7 Prozent nach jahrelanger – ähem – Durststrecke. Der Weinkonsum in Deutschland ging 2022 hingegen um 4 Prozent auf 1,7 Milliarden Liter zurück.
Dass überhaupt Alkohol in den Zügen der Bahn ausgeschenkt wird, ist übrigens immer wieder umstritten. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer fordert immer wieder das Verbot von Alkohol in den Zügen – zur Sicherheit des Personals. Die Bahn sagt dazu klar: „Pläne, in unseren Fernverkehrszügen ein generelles Alkoholkonsumverbot einzuführen, gibt es nicht.
Jochen Volz, Kellermeister beim Weingut Gies & Sohn, Friedelsheim, Pfalz FOTO: WEINGUT GIES
4. Welchen Wein trinken die Menschen im ICE-Bordrestaurant am liebsten?
140.000 Liter Wein wurden 2022 in den Bordrestaurants der Deutschen Bahn getrunken. Gewinner ist der Grauburgunder: Mit 65.000 Litern wurde er am häufigsten nachgefragt – also fast die Hälfte. Dem Grauburgunder folgt Riesling mit 36.000 Litern. 35.000 Liter an Rotwein wurde konsumiert. Deutschland bleibt ein Weißweinland.
5. Welche Weine wurden im ICE-Bordrestaurant bisher ausgeschenkt?
Das Deutsche Weininstitut hat die zwölf vergangenen Jahre dokumentiert. Bei den Weingütern, die mehrere Jahre „an Bord“ waren, wurden u. a. Folgejahrgänge vom gleichen Wein produziert. Nur bei den Weingütern ab 2020 hat man auf den Ursprungsjahrgang zurückgegriffen – wegen Corona und den geschlossenen Bordrestaurants. Hier ist also die exklsuive Liste der bisherigen Weine vor der Umstellung:
2011:
Weingut Matthias Keth, Weißburgunder, trocken, 2011, Offstein, Rheinhessen.
Weinhaus Brogsitter: Grauburgunder, trocken, 2011, Rheinhessen.
Wein- und Sektgut Barth: Riesling Classic, 2011, Hattenheim, Rheingau.
Vier Jahreszeiten Winzer eG, Portugieser „Dürkheimer Feuerberg“, trocken, 2011, Bad Dürkheim, Pfalz.
Bioweingut Lorenz: Urschrei Cuvée, trocken, 2010, Friesenheim, Rheinhessen
Weinhaus August Kesseler: „pinot noir N“ Spätburgunder, trocken, 2010, Assmannshausen, Rheingau.
Weingut Fritz Allendorf: „Mönch“ Riesling Brut, 2011, Oestrich-Winkel, Rheingau
2018:
Weingut Keth: Weißburgunder, trocken, 2017, Rheinhessen.
Weingut Krämer: Riesling „Straight“, 2017, Rheinhessen
Weingut Lergenmüller, Spätburgunder, trocken, 2017, Pfalz
2020:
Juwel Weine: Grauburgunder, trocken, 2019, Rheinhessen.
Weingut Leitz, Eins-Zwei-Dry, Riesling, trocken, 2019, Rheingau
Weingut Spies, Rosé, halbtrocken, 2019, Rheinhessen
Weingut Hirsch: Rot und Wild, Rotwein Cuvée, trocken, 2018, Württemberg
Sebastian Erbeldinger, Bechtheim, Rheinhessen FOTO: WEINGUT ERBELDINGER
6. Ist Wein trinken im DB-Bordrestaurant wie im echten Restaurant?
Nein. Es gibt zwar die Mitmenschen, die einen Cappuccino bestellen und an dem Glas dann einen Sprinter lang von Berlin bis Frankfurt nuckeln. Aber ansonsten ist das Bordrestaurant auf Durchlauf ausgerichtet. Also: Nix für Dauergäste. Das erklärt den hohen Bierabsatz. All die Vorbereitung von Wein, die freilich auch in einen Fetisch ausarten kann, fehlt tatsächlich. Und nicht jeder führt einen Dakanter oder eine Karaffe mit sich in der Handtasche. Dem Rosé zum Beispiel, dem hätte Luft gutgetan, das ist aber schwierig – denn dafür bräuchte man Zeit und Kühlgeräte. Es gibt auch – anders als im Restaurant – keine Jahrgangstiefe. 2023 wird 2022 (weiß) und Rot (2021) ausgeschenkt. Jung und frisch. Wer also auf gereifte Weine steht, der muss seinen Romanée-Conti mitbringen für die Reise in der Deutschen Bahn.
7. Jetzt aber: Wie schmecken die vier Weine aus dem DB-Bordrestaurant?
Ich habe alle Weine im Bordrestaurant gekauft, mit nach Hause genommen, teilweise über zwei Tage getestet. Frei raus: Mir hat der Riesling von David Spies am besten gefallen. Das ist schon gute Gutsweinqualität. Er ist geschmacklich im Steinobst-Segment unterwegs: Pfirsich. Eine Spur Zitrone. Er ist kein Säurebrett wie viele junge Basis-Rieslinge, die Säure ist vielmehr gut eingebaut in den Wein. Das macht Spaß. Anders als beim Grauburgunder von Stefan Winter. Da britzelt’s im Mund. Die Säure ist schon eine Herausforderung. Da kommen die Birnennoten kaum gegen an. Er hatte aber in letzter Zeit auch starke und nicht vergleichbare Konkurrenz. Ich teste mich gerade durch exquisite Grauburgunder, vor allem aus Baden. Zum Beispiel den „Musbrugger“ von Hanspeter Ziereisen oder das Große Gewächs „Ihringer Winklerberg“ vom Weingut Stigler. Die Rebsorte hat auch gute Vertreter!
Zum Rosé von Sebastian Erbeldinger sage ich (fast) nichts. Hier verschwindet die anfänglich dominierende Süßnote, wenn er länger im Glas ist. Ich kann ihn ansonsten schlicht nicht bewerten, ich trinke keinen (deutschen) Rosé. Auch wenn der Trend dort hinzugehen scheint, halte ich die Roséisierung für einen oenologischen Irrweg. Er führt zu nix, zumindest nicht in die Zukunft des Weinmachens in Deutschland.
Und now to something completely different: Cabernet Sauvignon. Aus Deutschland. Das ist mutiger als einen gefälligen Merlot anzubieten. Er ist immerhin aus 2021. Hat eine gute Struktur. Ist aromatisch vielleicht ein bisschen unterkomplex – das hat mit dem zu tun: Schwarze Johannisbeere. Sie dominiert sowohl Geruch wie Geschmack. Und geht auch nicht weg. Da wäre man mit einer Cuvée wie zuletzt auf der milderen, sicheren Seite – den Versuch finde ich aber spannend.
Der Feinschmecker hat über das Bordrestaurant einmal geurteilt: „Ja, es gibt bessere Bratwürstchen als im ICE-Bordrestaurant, dafür gibt es aber auch keine Würstchenstube, die 250 km/h schnell ist.“ Es gibt auch keine Weinkarte, die 250 km/h schnell ist.