Die richtige Rechtsform für 🏡Immovielien 🌼 💇🏻finden
Die Suche nach der optimalen Rechtsform für gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte eröffnet spannende Möglichkeiten, um innovative Wohn- und Lebenskonzepte zu verwirklichen. In einer Zeit, in der bezahlbarer Wohnraum und nachhaltige Stadtentwicklung immer wichtiger werden, bieten sich kreative Lösungen an, die sowohl soziale als auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Der folgende Beitrag beleuchtet am Beispiel der "kleinen" Aktiengesellschaft, wie eine unkonventionelle Rechtsform erfolgreich für gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte genutzt werden kann.
Die Rechtsform allein sagt wenig darüber aus, ob ein Projekt oder ein Unternehmen gemeinwohlorientiert agiert. So firmieren das "Mietshäuser Syndikat" oder kommunale Wohnungsunternehmen auf der Basis der GmbH.
Jede Rechtsform hat hinsichtlich ihrer Finanzierung andere gesetzliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten.
Wir wollen in diesem Beitrag die n.e.s.t. Bauprojektierung und Vermietung AG in Tübingen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)näher betrachten.
Die Gründung einer Aktiengesellschaft ist aufgrund zahlreicher Beurkundungen komplexer als die einer GmbH. Wesensmerkmal ist die nicht geschlossene Zahl der Aktionäre, die einerseits ein Mitbestimmungsrecht haben und andererseits am Erfolg / Misserfolg des Unternehmens finanziell teilnehmen.
Das Grundkapital beträgt mindestens 50.000 €, welches in nummerierte Aktien zerlegt ist (z.B. 1 Aktie = 100 € Nennbetrag + x € Ausgabeaufschlag). Durch die Ausgabe weiterer Aktien ist eine Kapitalerhöhung möglich. Die Aktien können übertragen werden, müssen aber nicht zwangsläufig an der Börse gehandelt werden. Die nestbau AG hat eine eigene kleine Verkaufsplattform entwickelt.
Der Emittent muss unaufgefordert über die verschiedenenen Risiken hinweisen, die mit dem Erwerb oder Besitz von Aktien verbunden sind. Hierzu gehören neben dem allgemeinen Marktrisiko die Möglichkeit einer negativen Geschäftsentwicklung (z.B. Baupreise steigen, Mieten sinken, laufende Prozesse, …), das Insolvenzrisiko, Liquiditätsrisiken (z.B. Eigenkapitalquote, Zahlungsausfälle bei den Mietern, …). Es drohen sonst aufsichtsrechtliche Konsequenzen durch die BaFin oder Schadensersatzansprüche der Aktionäre.
Aktiengesellschaften haben vielfach einen schlechten Ruf. Für das Einwerben neuer Aktionäre oder für die Zeichnung weiterer Aktien ist deshalb das Image des konkreten Unternehmens von entscheidender Bedeutung:
https://www.nestbau-ag.de/die-nestbau-wirkung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Tue Gutes und rede darüber …
Schon in der Satzung und damit auch im Handelsregister kann der Gegenstand des Unternehmens modifiziert werden. “Nachhaltige Immobilien”, “die Berücksichtigung sozialer, ökologischer und städtebaulicher Belange”, “maßvolle Rendite” begrenzen und lenken alle unternehmerischen Entscheidungen der Nestbau AG. Satzungswidrige Maßnahmen lösen Schadensersatzansprüche bei den Organen aus!
✅ Als Nachweis wird seit 2018 eine Gemeinwohl-Bilanz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)erstellt, die für jeden zugänglich auf der Internetseite veröffentlicht wird.
Mitbestimmung und Gewinnanteilsberechtigung sind im Sinne der Nachhaltigkeit über die Satzung begrenzt. Seit Gründung der Gesellschaft im Jahr 2010 wurde noch keine Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet.
Die Besonderheit dieser AG zeigt sich im Vergleich zu einer Genossenschaft:
Während die Genossenschaft die eigenen Mitglieder fördern muss, kann die AG kapitalintensive Projekte realisieren, die für das Quartier und alle Bürger:innen sinnstiftend sind. Die Zielrichtung ist somit unterschiedlich.
Während viele Wohnprojekt- Genossenschaften bewusst auf investierende Mitglieder / Genossen und damit auf die Möglichkeit verzichten, "freies" Kapital einzuwerben, kann die AG genau dies tun. Die nestbau AG wirbt gezielt mit “Bürger-Aktien”, die auch zu Geburtstagen oder Jubiläen verschenkt werden können. Aktionäre sind Menschen, die an sinnstiftende Projekten in der eigenen Kommune oder allgemein am „Reallabor in Tübingen“ interessiert sind. Es geht nicht vorrangig um die Förderung eigener Interessen.
Gerade erst ist eine weitere "Werbephase" zur Kapitalerhöhung auf nunmehr 6.164.500 € erfolgreich abgeschlossen worden - Eintragung im Handelsregister fehlt noch. Dies signalisiert Wachstumsabsicht oder schließt Deckungslücken, zumal wenn Bauprojekte teurer werden.
Eine Kapitalerhöhung ist bei einer Genossenschaft deutlich schwerer zu händeln (Insolvenzgefahr) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Insofern müssen der Steuervorteil einer Vermietungsgenossenschaft (§ 5 Nr. 10 KStG (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)) mit den begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten einer Genossenschaft abgewogen werden.
Wer den Post “Finanzierung von Vermietungs-Genossenschaften” zum 15.07.26 nicht verpassen will, sollte zumindest den …
Die Vorstände der AG haben einen größeren Gestaltungsrahmen für die Projekte, der aber durch die Definition des “Unternehmensgegenstandes” begrenzt ist. Insofern können Wohnen, Gewerbe, Infrastruktur und Kultur problemlos vereint und “gegenfinanziert” werden ... im Sinne einer Immovielie.
Die Wahl der richtigen Rechtsform für gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte erfordert eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren. Wie das Beispiel der nestbau AG zeigt, kann eine "kleine" Aktiengesellschaft durchaus eine attraktive Option sein, um Bürgerbeteiligung, Kapitalgewinnung und nachhaltige Stadtentwicklung zu vereinen. Diese Rechtsform ermöglicht es, flexibel auf Marktbedingungen zu reagieren und gleichzeitig soziale, ökologische und städtebauliche Ziele zu verfolgen.
Obwohl sie für einzelne Wohnprojekte zu komplex ist, bietet sie insbesondere für Kommunen und regionale Kooperationen interessante Perspektiven, um Bürger aktiv in die Gestaltung ihrer Lebensräume einzubinden und gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte zu realisieren.
Mit meiner Beurteilung bin ich in gute Gesellschaft …
Ihre
Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin, (Wohn)Projektberaterin
