💰 Finanzierung einer Vermietungs-Genossenschaft
Genossenschaften sind demokratisch (nicht unbedingt basisdemokratisch), müssen keinen Profit machen und gelten als krisensicher. Die Genossenschaft haben es wohl auch deshalb als erster Eintrag Deutschlands auf die Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) geschafft.
Gleichzeitig sind sie extrem erfolgreich: In Deutschland sind 23,4 Millionen Menschen im Jahr 2023 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) Mitglied einer Genossenschaft, das ist jede:r vierte Deutsche und ungefähr so viel, wie die katholische Kirche Mitglieder hat. Aber Genossenschaften sind längst ein globales Phänomen. Ich will dich nicht mit Zahlen bombardieren, aber die hier fand ich besonders beeindruckend: Zehn Prozent der arbeitenden Weltbevölkerung ist in einer Genossenschaft angestellt. Und auch bei einigen der großen Unternehmen Deutschlands handelt es sich um Genossenschaften: bei den Raiffeisenbanken zum Beispiel, aber auch aber bei EDEKA und DATEV. Genossenschaften sind nicht zwangsläufig großartige, soziale Unternehmen aus Sicht aller Beteiligten. Denn eine Genossenschaft soll vor allem ihre Mitglieder fördern und sie in ihren Interessen unterstützen. Bei EDEKA sind das die selbstständigen Kaufleute, die die einzelnen Supermärkte leiten. Für EDEKA stehen also deren Interessen im Vordergrund – und nicht die der Konsument:innen oder der Umwelt. Und auch die KPMG, einer der vier großen Wirtschaftsprüfungsverbände der Welt, ist eine Genossenschaft. Ihre Mitglieder sind die Wirtschaftsprüfer, aus denen sie hervorgegangen ist. Und deren Interessen dürften sich deutlich von den Mitgliedern einer als Genossenschaft geführten solidarischen Landwirtschaft unterscheiden.
Aber trotzdem machen zwei Dinge die Genossenschaften so besonders:
Erstens sind sie auf das Wohl ihrer Mitglieder ausgerichtet. Diese sollen der Genossenschaft zwar langfristig verbunden sein, können aber auch - unter Maßgabe der Satzung - leicht kündigen.
Und zweitens sind sie insoweit demokratisch, dass alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht haben – egal, wie viel Kapital sie in die Genossenschaft gesteckt haben - und dass alle gleich behandelt werden müssen.
Damit kommen wir zum Hauptthema:
Wie können sich NEUE Vermietungsgenossenschaften finanzieren?
Zunächst müssen alle Möglichkeiten zur kostengünstigen Projektrealisierung genutzt werden (vergünstigte Grundstücksvergabe, KfW und EOF Förderung, Einzelförderung durch ein besonderes Konzept). Primär reden wir also vom Neubau - wenngleich eine Genossenschaft selber auch “nur” Bestand langfristig mieten oder pachten könnte 😉.
Gleichzeitig sind die Mitglieder / Genossen der entscheidende Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg einer Genossenschaft. Diese müssen als Geldgeber:innen gewonnen werden.
Nutzende Mitglieder
Bei einer Genossenschaft sind die Mitglieder gleichzeitig auch Leistungsbezieher. In einer Wohnungsgenossenschaft müssen die Mieter zwingend Mitglieder der Genossenschaft sein. Die potenziellen Mieter müssen die Genossenschaft sowohl ideell als auch finanziell durch ihre Kapitaleinlagen unterstützen.
Bei jungen Genossenschaften müssen die potenziellen Mieter das Eigenkapital der Genossenschaft aufbringen, bevor diese Fremdmittel bei der Bank einwerben kann. Bei einem Eigenkapitalanteil von 30 bis 40 % der künftigen Gesamtkosten eines Bauprojekts müssen die potenziellen Mieter Pflichtanteile in erheblicher Höhe einzahlen - noch bevor sie einziehen.
Diese Pflichtanteile errechnen sich aus einer Ex-Ante-Betrachtung der künftigen Kosten. Um Mitglieder zu gewinnen, müssen das Projekt, die Mitbewohner und die Zahlungsverpflichtungen attraktiv sein.
Zu hoch kalkulierte wohnungsabhängige Pflichtanteile könnten zwar die Risiken eines Bauvorhabens besser abdecken, wirken jedoch abschreckend auf Interessierte.
Zu niedrig kalkulierte Pflichtanteile führen bei Baukostensteigerungen oder Bauverzögerungen zu erheblichen Finanzierungslücken.
Finanzierungslücken können aufgrund gesetzlicher Regelungen nicht durch nachträgliche Anpassungen der Pflichtanteile geschlossen werden. Gleichzeitig können keine neuen Mieter als Genossen angeworben werden, wenn das Objekt bereits geplant ist und alle Wohnungen “zugewiesen” sind. Insofern können nicht beliebig viele neue Mitglieder aufgenommen werden. Damit sind faktisch die Einnahmen aus wohnungsabhängigen Pflichteinlagen „gedeckelt“.
In der Vergangenheit wurden diese Finanzierungslücken durch qualifizierte Nachrangdarlehen einzelner Bestandsmitglieder gefüllt » Link zum Post #22 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Um Mitglieder jedoch zur Zahlung zu bewegen, wurde vielfach das individuelle Nutzungsentgelt für die Gewährung hoher Nachrangdarlehen reduziert. Dies geschah mitunter sogar ohne schriftliche Vereinbarung und wurde erst bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs (im Falle von Tod oder Kündigung des Mitglieds) bekannt.
Neben dem buchhalterischen Durcheinander gibt es auch steuerliche Probleme:
https://www.nwb-experten-blog.de/muessen-genossenschaftsmitglieder-mietminderungen-versteuern/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Korrekterweise könnten freiwillige Geschäftsanteile bezeichnet werden. Diese könnten verzinst (>Kapitalertragssteuer) werden. Ein "Abwohnen" wäre jedoch nicht möglich. Die Zinsen müssen aus den Einnahmen finanziert werden.
Gibt es noch andere Finanzierungsbausteine? 🤔
Investierende Genossen
Gerade kleine Genossenschaften, die Einfluss auf das Projekt und auf die Auswahl ihrer Mitbewohner:innen nehmen wollen, verzichten bewusst auf investierende Mitglieder.
Diese "Fördermitglieder" müssen bereits in der Satzung vorgesehen sein. Zur Vermeidung einer Abhängigkeit begrenzt bereits das Genossenschaftsgesetz deren Einfluss. In der Satzung sind weitere Modifikationen möglich.
Sie allein können "freies" Kapital in die Genossenschaft einbringen. Unter dem Aspekt der Finanzierung kommt den investierenden Genossen durchaus eine Schlüsselrolle zu.
Beispiel A
Betrachtet man eine neue Wohnungsgenossenschaft als Start-up, so können investierende Mitglieder das Initial - Kapital einbringen. Das Projekt kann auf einer unternehmerischen Grundlage solide geplant werden, bevor die künftigen Mieter (mit ihren spezifischen Bedürfnissen) eingebunden werden.
Es hat viel Mühe gekostet, die BAFA davon zu überzeugen, dass auch Vermietungs-Genossenschaften INVEST-Förderung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) bekommen können: d.h. investierende Mitglieder können für ihr Wagniskapital bei einer anerkannten Genossenschaft einen 15-prozentigen steuerfreien Erwerbszuschuss (ab 10.000 €) bekommen.
(S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Aufwendige Anträge, Haushaltssperre und lange Bearbeitungszeiten sind jedoch eine hohe Belastung in der praktischen Umsetzung: https://www.linkedin.com/posts/neues-amt_genossenschaft-genodigital-invest-activity-7204155257189253121-IYrg?utm_source=share&utm_medium=member_desktop (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Die „Neue Amt Altona eG (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ und die „Wir bauen Zukunft eG (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ gehören zu diesem sehr kleinen Kreis anerkannter Genossenschaften.
Für weitere Informationen verweise ich auf
https://www.business-angels.de/invest-zuschuss-fuer-wagniskapital/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Beispiel B
Nicht jeder kann die KFW 134 Förderung nutzen. Vielen Genossen fällt es schwer, die wohnungsabhängigen Pflichtanteile zu finanzieren. Auch wenn diese Anteile für EOF-geförderte Wohnungen niedriger bemessen sind als für freifinanzierte Wohnungen, gibt es hilfsbedürftige Menschen, die sich eine Mitgliedschaft nicht leisten können. Für diese könnten investierende Mitglieder einen "Sozialfonds" bilden, aus dem einzelne Genossen unterstützt werden. Aufgrund des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes muss das Verfahren definiert werden, um Willkür zu vermeiden.
Die Stiftung trias, gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen, und WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen e.V. haben ein gemeinsames Sondervermögen für ein Pilotprojekt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) gebildet. Als Projekt wurde
die Kooperative Grossstadt eG in München mit ihrem Projekt metso’metso ausgewählt.
Auch diese Idee ist reproduzierbar!💥
Gesamtüberblick
Für den Überblick stelle ich den Mitglieder der Community meine MINDMAP über die unterschiedlichen Zahlungsflüsse zur Verfügung.
(S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Fazit
Die Rechtsform der Genossenschaft und das spezifische Geschäftsmodell bestimmen das Finanzierungskonzept. Zudem unterscheiden sich Genossenschaften hinsichtlich ihrer Größe, der unterschiedlichen Zielgruppen und ihres Investitionsbedarfs voneinander, obwohl für alle die im Gesetz festgelegten Leitplanken für die Finanzierung von Genossenschaften zu berücksichtigen sind.
Eine frühzeitige, neutrale Beratung ist dabei hilfreich. Kennen Sie eigentlich schon mein Buchungstool für Beratungen?
https://calendly.com/majchrzak-rummel-info (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Ich wünsche einen schönen und erholsamen Sommer 🏕 🏖
Angelika Majchrzak-Rummel