Matthias Ecke, Nazigewalt, und die unerträgliche Leichtigkeit des bürgerlichen Antifaschismus
(source: ideogram.ai (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))
Liebe Leute,
Gestern hörten wir, dass der SPD-Politiker Matthias Ecke brutal verprügelt wurde, we're all assuming von Nazis.
Heute abend wird's Demos geben, wo Menschen *zeigen* können, wie scheiße sie das finden.
Meine Frage: was passiert am Tag *nach* den Demos?
Bürgerlicher Protest gegen Nazigewalt
Ich frage nicht, um schlechte Stimmung zu machen. Ich frage, weil ich da ein gewisses Muster erkenne: Problem erkennen - Demonstrieren - Problem wieder aus den Augen verlieren und strukturell vorantreiben - Beim nächsten Mal, wenn Scheiße passiert, dann wieder demonstrieren.
Dieses Muster kennen wir a. von den großen Klimaprotesten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) - zuerst die Hambis, dann FFF: dass es für das Bürgertum immer schön ist, sich *gut anfühlt*, offen zu zeigen, dass man für das Richtige ist, dann geht man nach hause, und wählt Parteien, die das Problem verstärken.
Dieses Muster kennen wir von den großen anti-AfD-Demos Anfang des Jahres: alle gemeinsam auf der Straße, Hand in Hand gegen die Gefahr... und dann geht's am nächsten Tag weiter mit "Bauchschmerzen", aber trotzdem straight in die GEAS. und Scholz im Spiegel für Abschiebung.
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Wen trifft Nazigewalt?
Und jetzt wird es Demos geben, wir werden das Gefühl haben können, auf der richtigen Seite zu stehen - und dann? Wie werden die Demos dazu beitragen, dass Menschen wie Matthias Ecke oder die vielen anderen Menschen, die im Alltag von Nazis angegriffen werden, sicherer sind?
Wichtig: ich will nicht die Angriffe auf Politiker*innen kleinreden, aber die beschworene "Gefahr für die Demokratie" fängt nicht erst dann an, wenn sichtbare Mandatsträger*innen attackiert werden. Migrantisch gelesene, queere, trans Menschen: wir fühlen sie schon lange.
Es gibt also all diese Menschen, die sich berechtigterweise wegen der vielen rechten Gewalt unsicher fühlen. Aber zum x-ten Mal: wie helfen die große Demos dabei, Nazigewalt zu bekämpfen? Die Nazis üben die Gewalt ja nicht aus, weil sie die Mehrheit sind, sondern umgekehrt.
Was tun gegen Nazigewalt?
Jetzt werden wieder ganz viele kluge Menschen sagen: wenn Gewalt, dann 110 anrufen. Klar, das ist für Viele der richtige Weg, aber:
- es gibt Menschengruppen mit schlechtem Verhältnis zur Polizei, aus guten Gründen;
- es gibt nicht einen Cop für jede*n Lokalpolitiker*in.
(dementsprechend hat irgendein rechtsoffener Polizeigewerkschaftshansel nach dem Angriff auf Göring-Eckhardts Auto auch gesagt, dass es halt auf dem Land schwierig sei, rechtzeitig überall zu sein.)
- und schlussendlich wisst Ihr auch vom “Polizeiproblem” hierzulande: Können wir wirklich *bundesweit* einer Reihe von Institutionen vertrauen - den BRD-Sicherheitsapparaten - Nazi-Gewalt zu bekämpfen, wenn es seit Beginn der BRD kein Set von Institutionen gegeben hat, dass tiefer und unwiderruflicher von Nazis durchsuppt war?
Natürlich gibt es viele Orte in der BRD (oder zumindest manche), wo es genügend nicht-, vielleicht sogar antifaschistische Cops gibt, um in diesen Orten das Gefühl schaffen zu können, nicht akut von Nazigewalt bedroht zu sein.
Aber es gibt halt auch die vielen Orte, wo das nicht so ist. Das hat wie gesagt nicht nur mit Nazicops zu tun, auch mit der Tatsache, dass z.B. Wahlkampf einfach zu viele Menschen und Auftritte und Orte beinhaltet, als dass man sie alle durch Cops schützen könnte. Fakt.
Ich ende jetzt mal nicht mit meinem üblichen "antifaschistische Gegengewalt organisieren (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)", sondern frage ehrlich in die Runde: wenn Ihr nicht wollt, dass wir Gegengewalt organisieren, wie reagieren wir dann auf die Gewalt von der anderen Seite, eingedenk der Punkte oben?
Mit traurig-wütendenden antifaschistischen Grüßen,
Euer Tadzio