Erdung in unsicheren Zeiten
Zeiten, in denen du dich verwirrt, unsicher oder „abgehoben“ fühlst, verlangen einfache Bewältigungsstrategien. Übungen zur Erdung können dir helfen, wieder mit der Gegenwart in Kontakt zu kommen. Sie unterstützen dich, mit belastenden Gedanken, Emotionen und Ängsten umzugehen. Sie dienen als sanfte Erinnerung, wieder im „Hier und Jetzt“ anzukommen und zentriert zu bleiben.
Erdung – Begriffsherkunft und Bedeutung
Der Begriff Erdung kommt aus der Physik und bezeichnet Maßnahmen, die eine Verbindung zur Erde herstellen und damit einen Potentialausgleich bewirken. Das kann auch im übertragenen Sinn gedeutet werden und die Verbindung deines Körpers zum Boden, zur Erde meinen. So wurden „Erdung“, „Erdigkeit“ oder „Grounding“ in viele Bereiche der Körpertherapie, Körperarbeit und Körperpsychotherapie übernommen. Diese Bedeutung hat auch längst Eingang in unsere Umgangssprache gefunden. Wenn eine Kursteilnehmerin sagt: „Ich bin hier, um mich besser zu erden“, wissen alle Anwesenden, wovon sie spricht. Und wir wissen um die Bedeutung dieses Begriffs im übertragenen Sinn: Besser „geerdet“ zu sein, heißt, in Kontakt mit der Erde, der „Materie“, mit allem Stofflichen und mit dem eigenen Körper zu sein.
Es heißt, einen Standpunkt zu haben, mit beiden Füßen fest am Boden zu stehen und sich mit der Natur und anderen Menschen verbunden zu fühlen. Wenn du geerdet bist, hast du Vertrauen darin, dass die Erde dich trägt. Du kommst auf dem „Boden der Realität“ an und lässt dich auf diese Verbindung ein. Das vermittelt Eigenständigkeit, Sicherheit, ein Grundvertrauen in dich selbst und ein Gefühl für deine Grenzen. Du konzentrierst dich auf dein Inneres, äußere Einflüsse und Reize werden weniger wichtig. Du hast einen guten Kontakt zur Wirklichkeit und das Bild, das du dir von dir selbst machst, wird ersetzt durch reale Empfindungen.
Erdung ist aber nicht nur eine wichtige Grundlage für Tänzerinnen, eine gute Erdung ist auch hilfreich bei Ängsten und Trauma. Wenn du dich erdest, wendest du dich von verunsichernden Vorstellungen und Bildern hin zu deinem körperlichen Dasein im Hier und Jetzt. Eine gute Erdung bedingt auch das Lösen von inneren Blockierungen und Starrheit und kann sich nur einstellen, wenn du lernst, Gefühle zuzulassen, dich dem Leben zu öffnen und dich nach außen mitzuteilen.
Erdung lässt sich also aus verschiedenen Perspektiven betrachten.
Physische Erdung
Physische Erdung dreht sich um die Frage, wie du eine gute Verbindung zum Boden aufbauen, guten Kontakt zu deinem Körper bekommen und in Fühlkontakt mit dir selbst sein kannst. Es geht darum, deine Verbindung zur Materie, zu allem Stofflichen um dich, zur Natur und zur Erde aufzubauen und festigen.
Physische Erdung fördert körperliche und psychische Stabilität. Du nimmst den Boden unter deinen Füßen, deinen Körper und die Welt um dich selbst mit deinen Sinnen wahr.
Psychische Erdung
So wie du weißt, was mit „ich bin geerdet“ gemeint ist, weißt du auch, was Redewendungen wie „zu sich stehen können, gut dastehen, sich einer Sache stellen, verwurzelt sein oder bodenständig sein“ bedeuten.
Körperlich gut geerdet zu sein, hat Einfluss auf dein seelisches Befinden. Es gibt dir das Gefühl, gut im Leben zu stehen und nicht in der Luft zu hängen. Du stellst dich der Realität, kennst deine Stärken und Schwächen und fühlst dich bodenständig und verwurzelt. Weil Körper und Seele nicht unabhängig voneinander gesehen werden können, zeigt sich eine Veränderung von einem dieser beiden Aspekte immer auch im anderen. Deshalb kannst du durch Körperübungen dein körperliches und auch dein seelisches Wohlbefinden unterstützen.
Erdung üben
Erden heißt zuallererst (wieder) im Körper anzukommen. Der einfachste Weg dazu ist Atmen. Atme aufmerksam und bewusst aus und vertraue darauf, dass dein Körper von selbst wieder einatmet. Meist halten wir den Atem an, indem wir nicht mehr ausatmen. Dehnen, Strecken, Gähnen hilft, wieder im Körper anzukommen. Spür dabei deinen Körper in der Bewegung. Gehen und Laufen und natürlich Tanzen sind ebenso effektive Übungen, um gut am Boden anzukommen.
Übungen zur Erdung können also alles sein, was deine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und deinen Körper lenkt. Sie beruhigen den Körper und relativieren das Gefühl von Bedrohung. Sie durchbrechen den Mechanismus „Kampf, Flucht oder Erstarren“ und vermindern das Gefühl des Getrennt-Seins. Im Tanz sind Erdung und ein guter Kontakt zum Boden grundlegende Prinzipien. Diese Erdigkeit trainieren wir durch besondere Aufmerksamkeit auf die Füße:
Ein guter Kontakt der Füße zum Boden beginnt mit der bewussten Wahrnehmung deiner Füße. Du konzentrierst dich auf die Empfindungen in deinen Füßen, spürst die Temperatur, Haut, Muskeln, Sehnen. Versuche dabei, Worte zu verwenden, die nicht werten. Sind deine Füße kühl oder eher warm? Kannst du deine Zehen spüren, die Haut deiner Fußsohlen? Die Muskeln? Gibt es Bewegung in deinen Fußsohlen? Vielleicht ein Kribbeln, Ziehen oder Zucken? Sei so genau wie möglich. Spür deine lebendigen Füße. Wie ist der Kontakt zum Boden? Spür, wie deine Füße den Boden berühren und wie sie gestützt werden. Lass den Kontakt deiner Fußsohlen zum Boden zu. Lass deinen Atem durch die Füße in den Boden fließen. Lass dabei deine Beine so locker wie möglich. Die Knie sind nicht durchgestreckt. Spür jetzt mit jedem Ausatmen den Kontakt zur Erde.
Weiterführende Übungen:
Abrollen
Balancieren
Kreisen auf den Fußsohlen
Bewusstes Wahrnehmen der Füße im Gehen
Vorstellen von Wurzeln in den Boden
Einen Rhythmus nur mit den Füßen hörbar machen
Außerdem wird unsere Standfestigkeit auch durch Aufmerksamkeit auf Spannung/Entspannung im Körper trainiert. Entspannung in Schultern und Nacken bewirkt eine gute Verbindung zum Boden, eine leichte Spannung im Beckenbereich ebenso. Beides wirkt übrigens auch umgekehrt – gute Erdung entspannt Schultern und Nacken und bringt dein Becken in eine anatomisch richtige Haltung. Auch Durchlässigkeit in den Gelenken (vor allem Sprung-, Knie- und Hüftgelenken) erdet uns.
Diese Verbindung zum Boden ist niemals starr, sondern lebendig und beweglich.
Andere Möglichkeiten sind z.B. bewusstes Abklopfen einzelner Körperteile, bewusstes Atmen oder Achtsamkeit auf deine Umgebung oder deine Bewegung.
Erdung oder Schwere
Der für Depressionen typische Antriebsmangel drückt sich auch in Körperhaltung und Bewegung aus. Die Bewegungen sind kraftlos, das Gesicht ausdruckslos, ein Gefühl von großer Anstrengung und Schwere herrscht vor. Diese Schwere ist keine Erdung und entsteht durch zu wenig Spannung im Körper. Der Körperschwerpunkt scheint im Boden zu versinken. Bewusstes Aufrichten und Übungen zu Spannung und Entspannung können dem entgegenwirken. Wichtig ist es in diesem Fall, einen guten Kontakt zum Boden zu haben, ohne darin zu versinken.
Warum du dich erden solltest
Eine besondere Aufmerksamkeit deiner Bodenständigkeit gegenüber lohnt sich. Nach einiger Zeit entwickelst du Gefühle von:
Bodenhaftung
Sicherheit
Zentrierung und Lockerheit gleichzeitig.
Dich zu erden ist eine gute Übung, die dir hilft, dich in einer hektischen und unsicheren Welt zu zentrieren. Sie unterstützt dich nicht nur dabei, mehr im Moment zu leben, sondern auch, dein inneres Gleichgewicht zu finden und zu bewahren.
Du hast Lust, das auch mal selbst auszuprobieren?
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