Skip to main content

Eine Debatte!

Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Wie die Blaupause via Spiegel eine Diskussion über Lokaljournalismus auslöste.

Die Ausgabe wird präsentiert von der Media Innovation Masterclass.

Bring mit der Media Innovation Masterclass berufsbegleitend dein Projekt zielgenau weiter! In dem 5-monatigen und kostenfreien Qualifizierungsprogramm des Journalismus Lab, erwartet dich individuelles Coaching von Konrad Weber, Praxiseinblicke von Medienexpert*innen sowie wertvoller Austausch in der Gruppe. Bis zum 3. Dezember kannst du dich bewerben! Fragen? Dann komm morgen (28.11.) zu unserem digitalen Q&A von 12-13 Uhr.

Hallo!

Meist sind wir in der Blaupause ja unter uns, in einer Community von Leuten, die sich für etwas ziemlich Spezielles interessieren. Naturgemäß rechne ich also nicht damit, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen oder im „Spiegel“ zu landen. Umso cooler, wenn das doch mal passiert.

Du erinnerst dich vielleicht noch an die Blaupause-Ausgabe vor einigen Wochen, in der es darum ging, wie eine sinnvolle Förderung für Lokaljournalismus aussehen könnte. „Tausend neue Lokalzeitungen (Opens in a new window)“ war die Überschrift und hat zu einigen Reaktionen geführt, manche zustimmend, manche kritisch. Ich fasse hier die wichtigsten Argumente zusammen.

Ingo Dachwitz bei Netzpolitik.org über die Presseförderung

Zunächst gibt es Neues über den Kontext der Debatte: Anlass meiner Blaupause war die sogenannte Presseförderung. Das ist eine Subvention in Höhe von 200 Millionen Euro, die Presseverlage seit Jahren so vehement wie vergeblich von der Politik verlangen. Die letzte Hoffnung der Branche war, dass sich in den Haushaltsberatungen noch ein großes Häufchen Geld finden würde, doch diese zerschlug sich vor einer guten Woche. Jetzt steht endgültig fest: Es wird kein Steuergeld für die Verlage geben.

Ich war immer dagegen. Vor allem, weil so eine Subvention den Wettbewerb mit uns digitalen Medien verzerrt hätte. Wie verkorkst das gesamte Unterfangen aber von Anfang an war, hat Ingo Dachwitz von netzpolitik.org (Opens in a new window) jetzt zum ersten Mal super aufgearbeitet („Chronologie einer Geisterfahrt (Opens in a new window)“) – anhand der nun freigegeben Ministeriumsakten. Diese sind dank seiner Arbeit bei Frag den Staat (Opens in a new window) zu finden. Man versteht endlich, wer was warum und vor allem unter welchem falschen Etikett wollte, und wie wir von Krautreporter (Opens in a new window) das wackelige Gebäude am Ende mit der Androhung einer Verfassungsklage zum Einsturz bringen konnten.

Sebastian Turners Essay im „Spiegel“

Etwa gleichzeitig erschien bei Spiegel Online ein Essay des „Table Media“-Verlegers Sebastian Turner (Blaupause-Leser:innen gut bekannt – hier unser Interview aus dem Sommer (Opens in a new window)). In „Wie Hunderte neue Lokalmedien in Deutschland entstehen könnten (Opens in a new window)“ ging es um die Frage, warum es so wenige neue Medien gibt: Nie war es einfacher und billiger, neue Medien zu gründen – trotzdem macht es kaum jemand. Wie lässt sich das ändern? Subventionen für die Zustellung von Zeitungen sind der falsche Weg.

Turner schreibt: Start-ups haben nur dann eine hohe Attraktivität, wenn sie Skaleneffekte versprechen, also mit wenig Aufwand viele Kunden finden. Das hat der kleinteilige Journalismus im Lokalen kaum zu bieten, weshalb Investoren und BWL-Talente lieber Skiverleihplattformen und Unternehmenssoftware favorisieren als Lokalmedien. Warum gründen dann die Journalisten nicht? Viele wählen auch deshalb den Beruf, weil sie sich nicht um die Technik und schon gar nicht ums Geschäft kümmern möchten.

Fördern müsse man „Journalisten, die ihr Unternehmertalent entdeckt haben“, schreibt Turner – und bringt dann die Blaupause ins Spiel: Esser schätzt, dass man mit den zunächst im Bundeshaushalt vorgesehenen 200 Millionen Euro Zustellsubvention 1000 neue digitale Lokalmedien schaffen könnte. Das wären in jedem Landkreis mindestens zwei – so viel Vielfalt haben wir im Lokaljournalismus seit einem halben Jahrhundert nicht mehr.

Bäm.

Ralf Heimann reagiert im „Altpapier“

Einer derjenigen, die so ein Medium längst betreiben, ist Ralf Heimann vom Lokal-Newsletter Rums (Opens in a new window) in Münster. Gleichzeitig gehört er aber auch zu den Kolumnisten der traditionsreichen Medienjournalismus-Tageszusammenfassung „Altpapier (Opens in a new window)“ auf der Webseite des MDR – was möglicherweise darauf hinweist, dass sich im Lokalen allein im Moment kein Luxuseinkommen erzielen lässt.

Turners und meine Vorschläge fasst Ralf Heimann folgendermaßen zusammen: Der Journalist und Unternehmer Sebastian Esser schlage sogenannte „Matching Funds (Opens in a new window)“ für Aboerlöse vor, eine Art Komplementärfinanzierung, bei der der Staat auf jeden erlösten Euro einen bestimmten Betrag drauflegt. Eine andere Idee wäre, Abo-Gutscheine steuerlich zu fördern. Mit den ursprünglich angedachten 200 Millionen Euro für eine Zustellförderung ließen sich so, laut Esser, 1.000 neue Lokalmedien schaffen. An jedes einzelne würden ungefähr 200.000 Euro gehen.

Diese Idee, schreibt Ralf, sei aber mehr Theorie als Praxis. So ganz leicht sei es nicht, ein lokales Medium erfolgreich zu machen.

  • Erstens würden digitale Lokalangebote ständig mit der Lokalzeitung vergleichen, ohne über ähnliche Mittel zu verfügen. Die schiere Menge an täglicher Information – egal welche Qualität eine Lokalzeitung noch liefern kann – bleibt für viele Leute weiterhin der Standard.

  • Zweitens sei die Gewohnheit der über Generationen eingeübten Zeitungslektüre ein Wert an sich, nicht der eigentliche Inhalt. Diese Gewohnheit ließe sich in digitalen Kanälen schwer nachbilden.

  • Drittens lohne sich eine Neugründung wirtschaftlich nur in dicht besiedelten Gebieten, denn sonst sei schlicht der Markt zu klein.

Sein Fazit: Es dauert viele Jahre oder viele hunderttausende Euros, um ein neues Medium überhaupt erst einmal bekannt zu machen. Da wären 200.000 Euro dann schon recht wenig.

Peter Stawowys Antwort im „Flurfunk“

In seinem Medienblog „Flurfunk“ (Opens in a new window) beschäftigte sich wenige Tage darauf dann Peter Stawowy mit den Vorschlägen. Er argumentiert:

  • Erstens mangele es nicht an Informationsangeboten im lokalen Bereich, sondern an kritischem und distanziertem Journalismus gegenüber staatlichem und institutionellem Handeln. Stattdessen gebe es zu viele Informationen, es herrsche Nachrichtenmüdigkeit: Warum aber will die Politik weiterhin etwas fördern, von dem sich immer mehr Menschen abwenden? Glaubt wirklich jemand in den Ministerien und Parlamenten, dass die Lust der Leute auf Informationen über Politik und politische Teilhabe durch Medien wieder geweckt oder aufrechterhalten werden können? Und das, obwohl sich die Menschen auch schon vor der staatlichen, finanziellen Unterstützung immer seltener damit befasst oder sogar komplett von den Medien abgewendet haben?

  • Zweitens gebe es inzwischen auch im Lokalen sehr viel mehr Medien als allgemein angenommen, wenn man zum Beispiel Social Media mit einbeziehe. Zudem ließen sich lokale von nationalen oder internationalen Inhalten in manchen Fällen nicht klar voneinander trennen: Für das Publikum ist das nämlich tatsächlich total nachrangig, wenn nicht unwichtig, auf welcher Ebene die Informationen spielen. Da gilt immer noch das alte Prinzip, was mit Aufkommen des Web 2.0 bekannt wurde: Wenn etwas wichtig ist, werde ich es schon erfahren.

  • Drittens schlägt er stattdessen vor, sich auf Transparenz und Medienkompetenz zu konzentrieren und lokale Multiplikatoren sowie Facebook-Gruppen-Betreiber in die journalistische Verantwortung einzubeziehen. Peter betont, dass wirtschaftlich erfolgreicher Lokaljournalismus zukünftig unwahrscheinlich sei und plädiert für mehr Offenheit in der Verwaltung und allgemein für mehr Transparenz.

Ich will es für heute dabei belassen, diese Debatte abzubilden und mich zu freuen, dass es sie gibt, und dass sie schlau ist. Ich stimme dem meisten zu, das erst nach Kritik klingt. Was auch immer nach der gedruckten Lokalzeitung kommt, wird etwas völlig anderes sein. Ich würde daraus allerdings nicht schlussfolgern, dass es unmöglich ist, dezidiert journalistische – sprich von politischen und kommerziellen Interessen unabhängige – Informationen auf lokaler Ebene zu finanzieren. Es käme eher darauf an, den besten Weg dahin herauszufinden.

Tausend Experimente à 200.000 Euro würden sicher zu neuen Lösungen führen. Tausend neue Lokalmedien bleiben möglich.

Bis nächste Woche,
👋 Sebastian

PS:

Disclaimer: Sebastian Turner ist Investor in Steady.

Ich war kürzlich zu Gast im Creatorway-Podcast von Victoria Weber. Den empfehle ich sehr, du kannst dich hier kostenlos anmelden (Opens in a new window).

https://youtu.be/zfLcln3yA_Y?si=GKagFt7fHxXTrw28 (Opens in a new window)

👍 Diese Ausgabe fand ich hilfreich. (Opens in a new window)
😐 Diese Ausgabe war ganz okay. (Opens in a new window)
👎 Diese Ausgabe war für mich uninteressant. (Opens in a new window)

Lies die ausführlichere Newsletter-Version, vereinbare persönliche Termine mit mir und besuche Blaupause-Community-Calls. Jetzt ab 5€ Mitglied werden!

Mehr erfahren (Opens in a new window)

Topic Storys

0 comments

Would you like to be the first to write a comment?
Become a member of Blaupause and start the conversation.
Become a member