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Tausend neue Lokalzeitungen

Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: das Print-Sterben beginnt.

Hallo!

Vor zwei Wochen erst hatte ich vermutet (Opens in a new window), dass es bald mehr gedruckten Zeitungen an den Kragen geht, nachdem zuerst unabhängige Medien, die noch drucken, in existenzielle Schwierigkeiten geraten waren.

Kurz danach trafen folgende Nachrichten ein:

  • Die „Märkische Allgemeinen Zeitung“ in Brandenburg stellt noch in diesem Monat ihre Lokalausgabe „Prignitz-Kurier“ ein, genauso auch die Ausgaben für Kyritz und Wittstock. Hier gibt es zukünftig keine gedruckte Lokalzeitung mehr.

  • Die „Hamburger Morgenpost“ erscheint im ersten Halbjahr 2024 nicht mehr täglich, sondern wird zur Wochenzeitung geschrumpft.

  • Der Kölner Verlag DuMont, in dem der „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „Kölnische Rundschau“ und der „Express“ erscheinen, schließt ihre eigene Druckerei; 200 Mitarbeitende verlieren ihre Arbeitsplätze.

Alle drei Verlage kommunizieren ihre Absicht, ihren Journalismus langfristig vor allem digital veröffentlichen zu wollen.

Es geht also los.

Warum das Print-Sterben zu lang dauert

Offen gesprochen: Ich finde das gut. Wer unter den Verlagsleuten jetzt handelt, dem werden die anderen bald folgen. Jeder weiß, dass gedruckte Tageszeitungen ein Auslaufmodell sind. Es muss darum gehen, nicht die Verlage und ihre Zeitungen zu erhalten, sondern den Journalismus, den sie produzieren, vor allem in Lokalen. Das wird schwieriger, je länger der Strukturwandel dauert. Wir müssen schnell weg vom bedruckten hin zu profitabel wirtschaftenden digitalen Apps und Webseiten, sonst gibt es bald weniger Journalismus.

In Deutschland dauert es zu lang. Nach ihren eigenen Angaben geht es der Verlagswirtschaft so schlecht, dass sie die Regierung um massive Subventionen bittet. Die Debatte darum gibt es jetzt schon mehrere Jahre und sie ist immer noch nicht vorbei – obwohl alle ahnen, dass auch diese Bundesregierung (die das Gegenteil behauptet (Opens in a new window)) kein Geld dafür locker machen wird. Wie sinnvoll wäre es, das Austragen von Zeitungen ein paar Jahre länger mit Steuergeldern zu finanzieren?

„Wir wollen nicht die deutsche Autoindustrie der Verlagswirtschaft sein“

Während der Debatte um eine Presseförderung habe ich mich ziemlich exponiert (Opens in a new window), weil die neuen digitalen Medien nicht gefördert werden sollten. Da kaum jemand die Presseförderung kritisch hinterfragte und auf deren Sinnlosigkeit hinwies (vor allem die Zeitungen nicht. Peinlich!), habe ich damals in sämtliche mir zur Verfügung stehenden Hörner geblasen und mich ordentlich unbeliebt gemacht.

Mein Problem war, dass alle gefördert werden sollten, die den Wandel verschlafen hatten – als Belohnung sozusagen –, während unabhängige Medien wie Krautreporter leer ausgegangen wären. Was ich okay fand – nur dass unsere Konkurrenz mit hunderten Millionen bedacht werden sollte, um mit Steuergeld eigene Plus-Angebote zu schaffen, die wir bei Krautreporter aus eigener Kraft aufgebaut hatten. Es handelte sich schlicht um Wettbewerbsverzerrung.

Als Krautreporter ihm schließlich mit Verfassungsklage drohte, blies der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) die Presseförderung kurz vor der Bundestagswahl komplett ab.

Die ganze Nummer war ziemlich wild. Aber ich bin immer noch zufrieden, das gemacht zu haben. Deutschland ist eh hinten dran im internationalen Vergleich. „We don’t want to be the German car industry of news publishing,“ zitiert die New York Times (Opens in a new window) vor wenigen Tagen die Chefredakteurin des Wall Street Journals. Emma Tucker will den Strukturwandel lieber aktiv betreiben will, statt es so zu machen wie die Deutschen: Wenig tun, und das zu spät. Ein brutaler Satz, der ahnen lässt, wie hinterher Deutschland und seine Wirtschaft international inzwischen wahrgenommen werden.

Drei Ideen für eine sinnvolle Förderung des Lokaljournalismus

Was mich an meiner Rolle immer etwas gestört hat: Nein zu sagen, ist nicht konstruktiv. Darum habe ich mir damals Gedanken darüber gemacht, wie eine sinnvoll staatliche Förderung aussehen würde. Folgende Ideen kamen dabei unter anderem heraus:

  • Eine Gründungsförderung für neue digitale Lokalmedien. Redakteur:innen und Reporter:innen können es sich nicht leisten, ein Jahr oder länger ohne Einkommen zu arbeiten – oder auch nur das Risiko einzugehen, mit so einem Unternehmen zu scheitern. Gerade im wirklich Lokalen werden die Umsätze und Renditen allein der Marktgröße wegen übersichtlich bleiben. Um mit einem Zwei-Personen-Medium in die schwarzen Zahlen zu kommen, brauche ich tausend zahlende Kunden à zehn Euro. Die muss man erstmal zusammenbekommen in einer Verbandsgemeinde oder einem Stadtteil. Das Problem ist die Lücke zwischen meiner Kündigung beim Traditionsblatt und dem ersten profitablen Monat. Diese Lücke könnte eine staatliche Förderung schließen, ähnlich wie es sie schon für Technologie- oder Umwelt-Unternehmer welche gibt (in Berlin „Gründungs-Bonus (Opens in a new window)“). Eine Art Gründungs-Stipendium für Journalismus-Unternehmer:innen.

  • Ein Matching-Fonds für journalistische Lokalmedien. Es bleibt schwierig, in kurzer Zeit einen ausreichend großen Abonnent:innen-Kreis aufzubauen und gleichzeitig ein Produkt zu liefern, dass das Geld wert ist. Eine staatliche Förderung, die den Markt nicht verzerrt, könnte darum in der Anfangszeit die Abo-Erlöse verdoppeln. So ähnlich wie es die (private) Initiative Newsmatch (Opens in a new window) in den USA macht: Jeder Euro, den jemand für ein lokal-journalistisches Abo ausgibt, könnte so verdoppelt werden – wobei die Förderung mit der Zeit abschmilzt, um den Aufbau eines Abo-Stamms gleich zu Anfang zu incentivieren.    

  • Lokaljournalismus-Genossenschaften. Viel Potenzial liegt darin, Lokaljournalismus als Gemeinwohl zu begreifen und aus der Community heraus staatsfern zu organisieren. Zum Beispiel in Form der alten Gesellschaftsform Genossenschaft, die von Bürgern getragen wird und den einzigen Zweck verfolgt, unabhängige Berichterstattung jenseits von staatlicher Beeinflussung zu gewährleisten. Wer so etwas vor Ort anpacken will, soll sich sehr gern bei mir melden.

Stattdessen geht sie weiter, die Debatte über eine Zustellförderung (Opens in a new window) (Presseförderung wird sie sicherheitshalber nicht mehr genannt), die das absehbare Ende nicht der journalistischen Inhalte, sondern ihres Trägermediums und dessen Distribution nur in die Zukunft verschiebt und die Kosten der Allgemeinheit aufbürdet. 

Mit den diskutierten 200 Millionen Euro könnte man stattdessen tausend digitale Lokalzeitungen schaffen.

Bis nächste Woche,
👋 Sebastian

PS:

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