Ein Gespräch mit Adam D'Angelo

Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Ein unveröffentliches Interview mit dem heutigen Opean AI-Aufsichtsrat.

Hallo!

Je alberner uns der Crypto- und Blockchain-Hype im Nachinein vorkommt, umso faszinierender sind die fundamentalen Veränderungen, die Künstliche Intelligenz (KI) seit dem Start von Chat GPT vor einem Jahr in Wirtschaft und Gesellschaft angestoßen hat. Dass Computer schon bald außer Kontrolle geraten könnten, scheint kein Plot aus einem alten Schwarzengger-Film mehr zu sein, sondern eine ernstzunehmende Möglichkeit.

Der vorläufige Höhepunkt des KI-Dramas spielte sich in den vergangenen drei Wochen ab, vor der Kulisse von Open AI, der Firma hinter Chat GPT, inszeniert als Machtkampf um die Kontrolle dieser faszinierenden, aber sicher auch gefährlichen neuen Technologie. Hauptrollen: Die Mitglieder des gemeinnützig organisierten Aufsichtsrats von Open AI auf der einen und der charismatische CEO Sam Altman auf der anderen Seite.

Was genau passiert ist, ist heute noch immer nicht wirklich klar. Gerüchteweise wollte das Board entweder die aggressive Weiterentwicklung, die Altman ohne Unterlass betreibt, nicht weiter verantworten, oder fühlte sich einfach von Altman nicht ernst genommen und ignoriert. Jedenfalls setzten die Mitglieder des Boards Altman vor die Tür seines eigenen Unternehmens. Nur um wenig später, nachdem fast die gesamte Belegschaft mit Küpndigung gedroht hatte, selbst zu gehen und den CEO kleinlaut zurückzubitten. Ein einzelnes Mitglied des Aufsichtsates gehört auch dem neuen an: Adam D'Angelo, der Gründer und Geschäftsführer von Quora (Opens in a new window), einer Frage- und-Antwort-Plattform.

Wer ist Adam D'Angelo?

Für mich ein Anlass, in dieser Blaupause stark gekürzt ein Interview mit eben diesem Adam D'Angelo zu bringen, das ich im Juli 2017 im Krautreporter-Büro in Berlin geführt, aber nie veröffentlicht habe. Das Interview ist also gut sechs Jahre alt, aber ich finde es heute wieder lesenwert. Es beschriebt die Kultur dieser Generation von Internet-Nerds, die unseren Alltag geprägt haben – D'Angelo war mit Mark Zuckerberg im Internat und der erste CTO von Facebook, bevor er 2009 Quora gründete. Das Gespräch zeigt, wie schnell Technologie unsere Welt verändert hat und weiter verändert. Es beweist auch, dass Leute im Silicon Valley schon damals viel über Machine Learning und AI nachdachten. Worüber denken sie heute nach?

Adam, es war sehr einfach, dieses Interview vorzubereiten, denn du hast selbst etwa 400 Fragen auf Quora beantwortet. Darum weiß ich, dass dein Myers-Briggs-Persönlichkeitstyp INTP ist. Das steht für Introversion, Intuition, Thinking und Perceiving. Bei Wikipedia steht, dass INTPs sich durch introvertierte Denken auszeichnen. Zu ihren Schwächen gehören die „Unempfindlichkeit gegenüber sozialen Feinheiten und schlechte organisatorische Fähigkeiten“.
Ich denke, das kommt hin, ja.

Na ja, „schlechtes Organisationstalent“ – Du leitest ein wirklich großes Unternehmen, das jeden Monat 200 Millionen Nutzer hat. War das jemals ein Problem?
Ich bin nicht von Natur aus gut organisiert, das stimmt. Als ich jünger war, war mein Zimmer immer ein einziges Chaos. Leute, die mit mir zusammenarbeiten, würden mich wahrscheinlich als einigermaßen organisiert beschreiben. Sie würden es vielleicht nicht als meine Stärke bezeichnen, aber sie halten mich auch nicht für desorganisiert.

Ja, das kann ich leider nachvollziehen…
Es gibt zwei Dinge, die helfen. Erstens gibt es in einem großen Unternehmen andere Leute, die Dinge beherrschen, die du selbst vielleicht nicht so gut kannst. Und zweitens habe gelernt, viel organisierter zu sein, je ich älter wurde und in verantwortlichen Rollen war.

Viele Menschen, die ein Technologie-Unternehmen leiten, sind eher eher introvertiert. Programmieren, Lesen, Lernen und Nachdenken über Strategie können Introvertierte von Natur aus sehr gut.

Ich habe den Eindruck, dass viele Gründer introvertiert sind. Wie redest du mit anderen? Was ist die Lösung für Smalltalk und das gegenseitige Kennenlernen und Freundschaften?
Ich weiß nicht, wie es anderen Leuten geht, aber ich mag es wirklich, mit CEOs von anderen Unternehmern zu sprechen. Trotz aller Introvertiertheit spreche ich gerne mit Leuten – auch wenn ich das vielleicht nicht den ganzen Tag lang tun möchte. Ein so wichtiger Teil der Gründung eines Internetunternehmens sind zumindest in der Anfangsphase Dinge wie Programmieren oder Lesen und Lernen und Nachdenken über die Strategie. So etwas können Introvertierte von Natur aus sehr gut. Es gibt eine Menge komplett anderer Dinge, die mit der Führung eines Unternehmens zu tun haben:  kontaktfreudig zu sein und mit vielen Menschen zu reden. Aber vielleicht wäre jemand, der super extrovertiert ist, nie Software-Ingenieur geworden, weil es ihn einfach mehr reizt, rauszugehen und mit Leuten zu reden als vor ihrem Computer zu sitzen. Deshalb braucht man eine Mischung aus diesen beiden Fähigkeiten, um ein Unternehmen zu leiten. Deswegen sind viele Menschen, die ein Technologie-Unternehmen leiten, eher introvertiert.

Mehr persönliche Dinge, die ich in deinen Antworten gefunden habe: Du warst auf der Highschool in Connecticut, nicht weit von New York entfernt. Du erzählst, dass die Leute Hühner, Pferde und Kühe hatten, aber in Wirklichkeit in der Stadt für Geld arbeiteten und in ihrer Freizeit so taten, als wären sie Bauern. Also nicht gerade das Silicon Valley. Hast du damals bereits darüber nachgedacht, ein Tech-Unternehmen zu gründen?
Als ich in der Highschool war, mochte ich Programmieren, Informatik und wollte so etwas studieren, aber ich dachte nicht zu weit in die Zukunft oder was ich tun würde. Die Tech-Industrie wie heute gab es noch nicht, aber ich habe ich mich sehr für das Internet interessiert. Es gab eine Publikation aus Großbritannien namens „The Register“, die Tech-Nachrichten in Form eines Magazins veröffentlichte. Ich habe es online gelesen. Als die ersten GPUs herauskamen, gab es Artikel darüber, und in den 90er Jahren gab es diesen Wettbewerb zwischen Intel und AMD, wer als erster einen 1-Gigahertz-Prozessor erreichen kann – ein harter Wettbewerb. Ich war immer interessiert an diesem Zeug. Aber erst auf dem College fing ich an, darüber nachzudenken, eines Tages selbst ein Unternehmen zu gründen. Eine Sache, die ich an meiner jetzigen Rolle mag, ist, dass ich in dieser Welt lebe, die ich immer so gern verfolgt habe.

Im Internat war einer deiner Klassenkameraden Mark Zuckerberg. Glaubst du, dass ihr euch irgendwie gegenseitig inspiriert habt?
Teil einer Gruppe von Programmier-Interessierten zu sein, war ziemlich wichtig für mich. Ich bin mir sicher, dass es auch für Mark wichtig war.

Im Internat war einer deiner Klassenkameraden Mark Zuckerberg. Glaubst du, dass ihr euch irgendwie gegenseitig inspiriert habt? Wärt Ihr beide erfolgreiche Unternehmer, wenn ihr euch damals nicht getroffen hättet?
Anders als auf der öffentlichen Schule gab es im Internat eine Gruppe von Schülern, die sich für Programmieren und Informatik interessierten. In Connecticut war ich wahrscheinlich die einzige mir bekannte Person gewesen, die sich für das Programmieren interessierte. Ich war damit ziemlich allein. Aber als ich dann auf das Internat kam, gab es genug solcher Leute, sodass es für eine Art Club reichte, eine Gruppe von Freunden. Teil dieser Gruppe zu sein, war ziemlich wichtig für mich. Ich bin mir sicher, dass es auch für Mark wichtig war. Danach ging ich auf die Cal Tech in Kalifornien und er ging nach Harvard. Die meisten der ersten Facebook-Mitarbeiter waren Leute aus Harvard, sie hatten gemeinsame Erfahrungen dort. Aber nachdem Facebook gestartet war, rekrutierte er Freunde auch aus dem Internet für das Unternehmen. Ich war einer von ihnen.

Und du hast damals mit der Facebook-Gründer-Crew in einem Haus gelebt, das auch in dem bekannten Facebook-Film vorkommt. Wie nah an der Wirklichkeit ist der Film?
Er ist nicht besonders realistisch. Aber einige Dinge stimmten schon, zum Beispiel die Seilbahn vom Schornstein über den Pool, der im Film vorkommt. Es gibt also kleine Details, die sie ziemlich gut getroffen haben.

War das eine Zeit, in der man Spaß hatte, Partys feierte und trank? Oder hast du in Wirklichkeit die ganze Zeit nur programmiert?
Es war viel weniger aufregend, als der Film es darstellt. Es wurde viel mehr programmiert als getrunken. Das Programmieren hat auch Spaß gemacht.

Nach deinem Abschluss warst du also der erste CTO von Facebook. Facebook prägt heute die Welt und du hast einen Teil davon aufgebaut. Wie fühlt sich das an?
Ja, es ist verrückt. Als ich bei Facebook war, war es kein sehr großes Unternehmen. Es waren ungefähr 20 Leute, als ich anfing und als ich ging, hatte es vielleicht 100 Millionen Nutzer. Es wird immer größer und größer und größer.

Dachtest du damals, dass es so groß werden würde?
Ich hatte nicht erwartet, dass es so groß werden würde, wie es heute ist. Aber ich dachte definitiv, dass es viel größer werden würde. Ich wollte aber immer selbst ein Unternehmen gründen. Zu Beginn meiner Zeit bei Facebook hatte ich das Gefühl, die Dinge zusammenzuhalten, und es herrschte ein ziemliches Chaos, und ich hatte das Gefühl, wenn ich gegangen wäre, wäre das schlecht für das Unternehmen gewesen. Aber als ich Facebook verließ, hatte ich das Gefühl, dass dieses Unternehmen auf einem guten Weg ist und weiter wachsen wird, ob ich nun hier bin oder nicht.

Bei der Moderation von Inhalten setzt Quora Machine Learning ein. Wie funktiniert das?
Unser maschinelles Lernsystem bewertet die Kommentare, indem es aus Daten lernt, in denen wir festgestellt haben, was akzeptabel ist und was nicht. Es geht nicht nur darum, Schimpfwörter oder gemeine Kommentare zu erkennen; es ist viel differenzierter. Das System sagt voraus, ob ein Kommentar gegen die Regeln verstößt, akzeptabel ist oder sich in einer Grauzone befindet, in der eine menschliche Überprüfung erforderlich ist. So kann sich unser Team auf die nicht eindeutigen Fälle konzentrieren.

Ein wichtiger Bereich ist die Weiterentwicklung von Machine Learning und Künstlicher Intellingenz. Diese Entwicklungen werden für die Gestaltung unserer künftigen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sein.
Adam D’Angelo 2017

Wenn man sich deinen Twitter-Feed anschaut, scheinst du dich für verschiedene Themen wie Künstliche Intelligenz für Sprach- und Bild-Generierung, Kryptowährungen und Sozialwissenschaften zu interessieren. Welche technologische Entwicklung findest du mittelfristig am interessantesten?
Ein wichtiger Bereich ist die Weiterentwicklung von Machine Learning und Künstlicher Intellingenz. Vor allem die Robotik befindet sich an einem faszinierenden Punkt. Derzeit sind gute Roboter teuer und klobig, aber wir nähern uns einem Punkt, an dem komplexere Roboter, die in der Lage sind, sich in komplexen Umgebungen zurechtzufinden und beispielsweise Treppen zu steigen, machbar und erschwinglicher werden. Diese Entwicklungen werden für die Gestaltung unserer künftigen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sein.

Bis nächste Woche,
👋 Sebastian

PS:

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