Puzzleteile.
Über einzelne Teile, die sich Stück für Stück finden und zu dem großen Ganzen werden, das immer viel zu groß erschien oder: aus der Nähe betrachtet, ergibt alles Sinn.
Ich muss zugeben, dass ich selbst ein wenig überrascht bin über meine aktuellen Fortschritte. Zwar erzähle ich immer davon, dass wir einen Schritt nach dem anderen gehen müssen, um zu sehen, was sich hinter dem dichten Nebel verbirgt, aber nun selbst hindurchzugehen - das ist ein neues Gefühl. Obwohl ich diesen Prozess schon mehrmals gemeistert habe, diesmal ist es irgendwie anders. Größer. Endgültiger. Das Neue bringt diesmal nur einen Hauch von Angst mit sich, zumindest zum derzeitigen Punkt. Aber vielleicht beginnen wir von vorn…
Als ich im Sommer meine Beichte darüber ablegte, dass ich einen Vollzeitjob als Redakteurin antreten würde, kostete mich das einiges an Überwindung. Es fühlte sich an, wie ein mächtiger Schritt zurück in eine Richtung, in die ich nicht einmal mehr flüchtig blicken wollte. Aber es hatte seine Gründe, dass ich diesem Impuls gefolgt bin und mittlerweile weiß ich, dass es genau der Schritt war, den ich gehen sollte, um dorthin zu kommen, wo ich hin möchte. Unter meinem Spiegel im Badezimmer klebt ein pinkfarbener Notizzettel, auf dem geschrieben steht:
Ein Schritt zurück dient manchmal nur dem Anlauf.
Wie oft habe ich beim Zähneputzen auf diesen Zettel gestarrt und versucht, mir klarzumachen, dass da was dran ist. Und nun schaue ich mir diese kleine Notiz an und weiß: Ich habe in den letzten Monaten reichlich Anlauf genommen. Ich spüre meinen eigenen Schub im Rücken und das Universum tut sein Übriges. So euphorisch sich dieser Moment kurz vor dem Abflug anfühlt, besteht aber immer noch die Möglichkeit, wieder ins Zögern zu geraten und den Schwung zu verlieren. Das ist der Hauch von Angst, der in mir wohnt. Nicht das Ziel, nicht der Weg, sondern die Möglichkeit des Zögerns. Diese Tatsache macht mich äußerst zuversichtlich. Vor allem, weil das Leben mir aktuell wenig Gelegenheit dazu schenkt, auch nur daran zu denken, jetzt stehenzubleiben. Ein bisschen könnte man das mit dem Aufräumen der eigenen Wohnung vergleichen: Man macht Platz, räumt Dinge und Erinnerungen woanders hin, wirft das ein oder andere weg, mit dem man wirklich nichts mehr anfangen kann und putzt einmal so richtig durch. Die Habseligkeiten werden neu sortiert, bekommen mehr Raum und vielleicht neue Gesellschaft. Danach sinkt man erschöpft in den Sessel und blickt sich zufrieden um. Hier und da wird noch ein wenig nachjustiert, doch nochmal umgestellt oder etwas hinzugefügt und wieder weggenommen.
Genauso fügen sich bei mir gerade viele einzelne Puzzleteile zusammen, die zwar noch kein vollständiges Bild ergeben, aber doch erahnen lassen, was hier entsteht. Es sind keine großen Momente und Ereignisse, die hier gerade stattfinden, sondern ein stilles Tun, ein Wahrnehmen von Gelegenheiten und ein bewusstes In-mich-hinein-Spüren.

Dieser aktuelle Prozess des Künstlerinnen-Daseins und der konkrete Gang in die Selbstständigkeit erfüllt mich voll und ganz. Er ist aber auch anstrengend und bedeutet, dass ich anderes für den Moment auch mal zurückstelle. Manches fehlt mir überhaupt nicht, während anderes schwerfällt. So hadere ich mit dem Kontakthalten mit Freund:innen, Menschen, die mir sehr wichtig sind, die aber auch mal etwas länger auf eine Antwort im Gruppenchat warten müssen, weil ich meine Listen abarbeite und die Handyzeit stark einschränke. Somit ist also auch der Weg meiner Erfüllung nicht ganz ohne Stolperfallen geebnet, aber vielleicht geht es genau darum: Versuchen wir nicht unser ganzes Leben lang eine gesunde Balance zu finden?
Ich habe endgültig gelernt, dass ich lieber an einem Gleichgewicht zwischen beruflicher Erfüllung und zwischenmenschlichen Beziehungen arbeite, als die Zeit mit meinen Liebsten um die 40-Stunden-Woche herum zu planen. Ich ziehe meinen Hut vor all denjenigen, die es schaffen - vielleicht sogar im Schichtdienst. Vielleicht rührt der Wunsch nach dem freien Arbeiten ja auch von meinem Unwillen (oder der Unfähigkeit) dieser Planung?
Egal wie es bei dir aktuell aussieht: Mit diesen Zeilen möchte ich dir heute ein wenig Zuversicht schenken. Einen Schritt nach dem anderen zu gehen funktioniert, auch wenn man noch nicht weiß, wo man am Ende landen möchte. Das finden wir unterwegs schon heraus.
Alles Liebe
deine Sarah
