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Museumstage.

Würdest du heute ein Museum betreten, das eine Ausstellung über dein Leben zeigt: Was denkst du, wie fühlt sich das an? Möchtest du dein Geld zurück oder gehst du lächelnd durch den Raum?

Ich hatte in den letzten zwei bis drei Wochen reichlich Gelegenheit, mich mit dieser Frage zu beschäftigen - ich war richtig krank. Es tat mir im Herzen weh, dich deshalb versetzen zu müssen, was diesen Newsletter angeht, doch die Erholung war sehr nötig und ich gebe mein Bestes, dir nun wieder regelmäßig tiefe Einblicke in mein Autorinnen-Dasein zu geben. Und komische Fragen zu stellen. Wenn ich dir auf eine Nachricht noch nicht geantwortet haben sollte: Ich lese jede einzelne und bin immer wieder aufs Neue dankbar und gerührt, wie aufmerksam ihr meine Zeilen lest und freue mich riesig über den Austausch mit euch! Genau darum geht es hier in unserem Safe Space - danke, dass du da bist und diesen Newsletter zu einem so besonderen Ort machst.

Hast du Lust, mit mir in die Museumsfrage einzutauchen? Dann mach dich auf einen eventuellen Aha-Moment gefasst!

Ich gehe total gern ins Museum und liebe die Atmosphäre, die immer eine gewisse Ehrfurcht in mir aufkommen lässt. Zuletzt war ich im Jüdischen Museum hier in Berlin und ließ mich zwei Stunden lang durch die Ausstellung Access Kafka (Opens in a new window) treiben, die ich dir wärmstens empfehlen kann. Das Museum, über das wir heute sprechen, hat damit aber wenig zu tun. Wenn du John Strelecky gelesen hast, dann ist dir der Ausdruck „Museumstag“ ganz sicher schon einmal begegnet. Er ist im Grunde ganz einfach erklärt und ich würde ihm eine nähere Verwandtschaft mit den „Marmeladenglasmomenten“ zuschreiben. Du weißt schon, das sind Momente, die so schön sind, dass wir sie am liebsten in ein Marmeladenglas stecken und so immer festhalten möchten. John Strelecky sieht das Ganze so: Stell dir vor, jeder Tag in deinem Leben wird in einem Museum durch ein Bild repräsentiert. Wenn du dein Leben hauptsächlich mit Dingen verbracht hast, auf die du eigentlich überhaupt keine Lust hast und du die Tage einfach nur irgendwie überstehen wolltest, dann wandelst du bestimmt ganz schön bedrückt durch deine eigene Ausstellung, oder? In dem Fall hätte ich gern mein Eintrittsgeld zurück. Sorgst du aber dafür, dass in diesem Museum Bilder hängen, die dich glücklich und zufrieden zeigen, in einem Leben, das dich erfüllt, dann drehst du doch viel lieber noch eine Extrarunde, nicht wahr? Es ist völlig klar, dass die Ausstellung unseres Lebens nicht ausschließlich Meisterwerke zeigt. Manche Bilder sind unspektakulär oder erinnern uns an einen Tag, der nicht gut war. Und genau diese Balance macht das Gesamtwerk aus. Aber denk mal darüber nach: Wie muss das Verhältnis sein, damit du mit einem guten Gefühl aus dem Museum gehst?

Diese Theorie ist ein Aufruf, so viele gute Museumstage wie möglich zu erschaffen. Vielleicht erinnerst du dich noch an den Beitrag, in dem ich vom Navigationssystem des Universums sprach? Jaja, es wird wieder kosmisch… Aber auch ganz nüchtern und ohne Räucherstäbchen betrachtet, macht das zumindest in meinen Augen Sinn: Das Universum gibt uns immer mehr von dem, womit wir unsere Zeit verbringen. Du hast einen Vollzeitjob, der dich eigentlich total nervt, aber dennoch machst du Überstunden? Herzlichen Glückwunsch, du wirst befördert und darfst in Zukunft noch mehr Zeit mit dem Job verbringen, auf den du zuvor schon keine Lust hattest. Du fängst an, regelmäßig zu schreiben, deine Texte zu veröffentlichen und bekommst die Chance, in einem Literaturmagazin veröffentlicht zu werden? Das motiviert dich, weiterzuschreiben und deine Werke zu veröffentlichen, bis ein Verlag auf dich aufmerksam wird? Das kann man auch ganz logisch betrachten, denn schließlich kommt es dabei ja auch immer darauf an, mit welchen Menschen man sich umgibt und in welche Richtung unsere Augen und Ohren offen sind. Wer zum Beispiel als Schreibende:r Lesungen besucht, trifft dort vermutlich mehr Gleichgesinnte als auf der Weihnachtsfeier des Bürojobs. Also, auch ohne Universum und kosmischen Algorithmus ergibt die Sache Sinn. Oder?

Fassen wir zusammen: Wenn uns mehr von dem wünschen, das uns Freude bringt, dann müssen wir es selbst in unser Leben einladen, damit es sich willkommen fühlt und immer weiter wachsen kann. Jetzt aber auch mal ein bisschen Realtalk: Ich weiß, dass wir nicht alle jeden Tag Stunden damit verbringen können, an unserem Roman zu schreiben, Musik zu machen oder sonst das zu tun, was uns Freude bringt. Wir haben Rechnungen zu zahlen, vielleicht auch Kinder und Haustiere zu versorgen oder schlichtweg nicht immer ausreichend Energie für all das. In den letzten beiden Wochen gab es für mich auch mehr Museumstage, die ich mir erst gar nicht anschauen will… zu lange schlafen, zu viel Netflix, so gut wie kein Schreiben, nicht mal für den Newsletter hat es gereicht. Selbst meine Bücher haben mich zwischenzeitlich ganz traurig angeschaut, weil ich keine Kraft hatte, sie zu öffnen. Auch wenn die Energie nach und nach zurückkehrt, ist mein Alltag noch nicht wieder museumsreif. Es sei denn, man erfreut sich an den düsteren Kapiteln einer Geschichte. Doch Stück für Stück lade ich meine guten Museumsmomente wieder ein, ganz bewusst. Mit diesem Newsletter, mit dem Buch, in dem ich jeden Tag ein paar Seiten lese, dem Fertigstellen einer Kurzgeschichte für einen Literaturwettbewerb… jeden Tag ein kleiner Schritt bringt uns auch vorwärts. Und diese kleinen Schritte fühlen sich sehr gut an und zaubern mir jeden Tag ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht. Ist das nicht einfach schön? Ein aufrichtiges In-sich-hinein-Lächeln…

Auch ich muss noch lernen, dass nicht jeder Tag ein guter Museumstag sein kann und auch nicht sein muss. Mir hilft es dennoch, immer wieder mal Bilanz zu ziehen und zu prüfen, ob ich meine eigene Ausstellung gern besuchen würde. Denn wenn man sich das Ganze immer wieder mal von außen anschaut, kann man auch ganz gut feststellen, ob man wirklich einen guten Museumstag hat. Bleib doch mal ein bisschen länger vor dem ein oder anderen Bild stehen und spüre in dich hinein, ob dieses Werk nur hübsch aussieht oder sich auch gut anfühlt. Deine Ausstellung muss niemand anderem gefallen, außer dir selbst. Nur du allein hast Zutritt zu diesem Museum und umgekehrt. Das ist übrigens auch eine hervorragende Methode, wenn du noch nicht so richtig weißt, was du in deinem Museum sehen möchtest. Es heißt ja immer, wir sollen das tun, was uns wirklich Freude macht - was uns glücklich macht und erfüllt. Aber woher sollen wir das wissen? Im Grunde ist das ganz einfach: Wir müssen es ausprobieren. Wie hast du denn herausgefunden, was dein Lieblingsessen ist? Richtig, wir haben uns durch viele Gerichte probiert und irgendwann beschlossen, dass dieses eine uns am besten schmeckt. Warum sollten wir das nicht mit anderen Dingen auch so machen?

Bis nächste Woche (wirklich!)!

Alles Liebe

deine Sarah

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