Empathen bzw. Empathinnen nach Judith Orloff
Hochsensibel bzw. Hochsensitiv oder eine neue Mode ?
In den vergangenen Wochen habe ich mich etwas mehr mit dem Thema "Empathen" nach Judith Orloff beschäftigt bzw. mir ein Buch von ihr (Opens in a new window)runtergeladen.
Ehrlich gesagt : Mit dem Thema "Hochsensibilität" stehe ich ja eher auf Kriegsfuss, da nach meiner Erfahrung sich einige Klienten und Klientinnen, die sich selber dazu zählen, nun alles andere als einfühlsam bzw. sensibel verhalten. Ja eher mit der Brechstange die Grenzen von anderen Menschen und uns Therapeuten missachten und dafür fordern, dass sich die gesammte Welt nun um sie drehen soll (oh, ich ahne schon berechtigten Widerspruch.....). Da Hochsensibilität ja nach den Auffassungen der dortigen Autorinnen eher eine "Gabe" und keine Beeinträchtigung sein soll, habe ich auch wenig therapeutisch damit zu tun (obwohl jede 2. Patientin / Patient meiner Klinik sich in den Büchern sofort wiederfindet). Anders ausgedrückt : Dahinter können auch ganz erhebliche Interaktions- bis Persönlichkeitsstörungen oder schwerere Traumatisierungen stecken und nicht bloss eine angeborene tolle Eigenschaft...
Aber beschäftigen wir uns ein wenig genauer mit dem Gedanken der EmpathInnen / Empathen:
Was sind Empathen / Empathinnen?
Empathie ist die Fähigkeit, die Gefühle und Perspektiven anderer Menschen nachzuvollziehen und zu verstehen. Es geht darum, sich in die Lage des anderen hineinversetzen zu können und dessen emotionalen Zustand wahrzunehmen. Empathie ist eine wichtige Fähigkeit, um erfolgreich in sozialen Beziehungen zu sein und das Wohlbefinden anderer zu fördern.
Doch es gibt auch Menschen, die besonders empfindsam für die Gefühle anderer sind, sogenannte "Empathen". Sie sind in der Lage, die Gefühle anderer besonders intensiv wahrzunehmen und zu spüren. Dies kann sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein.
Denn manchmal ist man (bzw. eine Empathin) dann eben überhaupt nicht mehr bei sich selber und den eigenen Grenzen und Bedürfnissen sondern ganz und gar emotional woanders. Und das kann dann beispielsweise ein Tier, ein anderes Thema oder eben andere Personen sein, denen JETZT mit allen Mitteln geholfen werden muss (obwohl man selber schon Oberkante belastet und erschöpft ist).
Und viele ADHSler haben andererseits tatsächlich dann die Schwierigkeit, dass sie einen Perspektivwechsel nicht gut hinbekommen. Sie erkennen zunächst nicht, wie eine andere Person in der gleichen Lage empfindet, denkt und handeln würde. Sie können sich also quasi schlecht in die "Schuhe des Anderen hinein denken". Und doch sind wir quasi ständig diesen emotionalen Einflüssen bei der emotionalen Reizoffenheit bei Reizfilterschwäche intensiv ausgesetzt.
Aber zurück zu Empathen und ihrer besonderen Offenheit für die Empfindungen von anderen Menschen:
Ich spreche manchmal auch von "Spiegelschwamm", weil diese Menschen eben sehr empfindsam Gefühle, Spannungen und sonstigen Empfindungen ihrer Umgebung "aufsaugen". Aber irgendwie die darin enthaltenen besonderen emotionalen negativen Energien, emotionale Aufladung (emotional load) nicht so richtig selber wieder loswerden. Quasi wie ein Schamm, der nicht wieder sauber gewaschen werden kann bzw. irgendwie ständig nass, schwer und belastet bleibt und auf Dauer darunter kaputt geht.
Laut der Psychotherapeutin und Bestsellerautorin Dr. Judith Orloff gibt es zentrale Aspekte der Empathie, die man beachten sollte:
Empathen sind besonders sensibel für die Gefühle anderer. Sie können diese oft besser wahrnehmen als andere Menschen.
Empathen können schnell von den Gefühlen anderer überwältigt werden. Sie müssen daher lernen, ihre eigenen Grenzen zu setzen und sich selbst zu schützen.
Empathen haben oft ein starkes Interesse an anderen Menschen und ihren Geschichten. Sie sind gute Zuhörer und nehmen sich Zeit, um anderen zuzuhören.
Empathen können schnell von negativen Gefühlen angesteckt werden. Sie müssen daher lernen, sich von diesen zu distanzieren und sich selbst zu schützen.
Empathen haben oft eine tiefe Verbundenheit mit Tieren und der Natur. Sie sind oft besonders sensibel für die Umwelt und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit.
Empathen können schnell von Lärm und übermäßigen Reizen überwältigt werden. Sie benötigen daher oft Ruhe und Entspannung.
Empathen haben oft eine hohe Intuition und können Gefühle und Gedanken anderer Menschen ohne Worte wahrnehmen.
Empathen können schnell von der Belastung anderer Menschen beeinträchtigt werden. Sie müssen daher lernen, sich selbst zu schützen und ihre eigenen Bedürfnisse zu berüsichtigen. Womit wir beim Thema Selbstfürsorge wären.
Nach Dr. Judith Orloff gibt es mindestens drei Arten von Empathen: emotional, körperliche und natürliche Empathen.
Emotionale Empathen: Diese Personen nehmen die Emotionen anderer Menschen sehr stark wahr und können sie leicht nachfühlen. Sie haben eine starke Verbindung zu den Gefühlen anderer und können diese leicht übernehmen.
Körperliche Empathen: Diese Personen können körperliche Beschwerden anderer Menschen spüren und haben oft auch ähnliche Beschwerden. Sie sind sehr sensibel für Schmerz und Unwohlsein anderer. (und das kann dann wiederum selber bei ihnen körperliche Symptome / Schmerzen auslösen)
Natürliche Empathen: Diese Personen haben eine starke Verbindung zur Natur und können die Energien und Gefühle von Pflanzen, Tieren und der Erde wahrnehmen. Sie haben oft eine tiefe Verbindung zur Natur und sind sehr sensibel für Veränderungen in ihrer Umwelt.
Wer meine Blogartikel oder Vorträge verfolgt weiss ja, dass ich mich u.a. auch mit Emoflex beschäftige, weil gerade diese Klientengruppe häufig in eine Art innere Blockade ("stucked") bzw. Überforderung (englisch "overwhelmed") kommt, die man eigentlich mit den üblichen psychiatrischen Kategorien und Behandlungsansätzen von "Depression" oder "Burnout" irgendwie nur unzureichend erfasst. Ich halte diese Methode bzw. als Tool gerade für Empathen für super geeignet mit den Besonderheiten der Empfindungen und daraus resultierender Stressbelastungen umzugehen. Daher biete ich ja dazu eben auch Coaching bzw. Kurse (Opens in a new window) an und nutze die Methodik quasi täglich in der Klinik.
Manchmal denke ich, dass einigen meiner Klienten (oder mir?) quasi eine Art semi-permeable Schutzschicht fehlt, die negative Energie, Missgunst etc von anderen Menschen bzw. meiner Umwelt ein wenig filtert, so dass diese negativen Energien nicht so ungefiltert (ähnlich einer zu intensiven "Sonneneinstrahlung") auf mein Emotionssystem einwirken.
Rejection sensitive dysphoria ist dann für mich fast wie ein emotionaler Sonnenbrand. Ich vertrage einfach nur eine geringere Dosis / Zeit. Bin aber eben häufig doch besonderen "Einstrahlungen" ausgesetzt.
Und habe mir dies ja als Therapeut auch bewusst so ausgesucht.
Nicht selten fühlen sich dann die Klienten eben auch von "wenig empathischen" Fachleuten umso weniger verstanden, ja geradezu vorgeführt.
Gemeinsamkeiten / Überschneidungen von Empathen zu anderen "Diagnosen"
Man könnte (wie Orloff) sicher ganze Bücher / Workshops / Kurse zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu introvertierten Menschen (bzw. bei Sozialer Phobie), bei ungünstigen / traumatischen Kindheitserlebnissen (sog. Adverse childhood events, ggf. mit Bindungs- und Entwicklungstraumata) bzw. komplexer PTBS, aber eben auch Autismus-Spektrum oder ADHS schreiben. Vielleicht machen wir es ja mal zum Thema für ein nächstes Webinar (schreib in den Kommentaren, wenn es dich interessieren würde).
Viele Aspekte greifen ineinander über. Andere sind nur aus der individuellen Biographie und eigenen Lebensentwicklung zu verstehen und lassen sich gerade nicht in Schlagwörtern wie "Hochsensibel" oder so in eine Schublade packen.
Welche Erfahrungen hast du mit dem Thema Empathinnen / Empathen gemacht?
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