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Neuro-Realtalk: Können Globuli Ritalin ersetzen?

Ich möchte hier einige neue Rubriken einführen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Neurodivergenz (ADHS / Autismus) auseinander setzen. “Real-Talk” soll Streitpunkte in der Öffentlichkeit / Medien aufgreifen. Und da passt eine Meldung der FAZ zur Nicht-Wirkung von Globuli bei ADHS als Einstieg


Aktueller Streitpunkt:

In den letzten Monaten wurde viel über die Möglichkeit diskutiert, ob homöopathische Mittel wie Globuli eine Alternative zu etablierten medikamentösen Behandlungen bei ADHS, insbesondere Ritalin, sein können.
Zumindest gab es da eine sensationelle Studie, die das behauptete.
Die Studie deutscher Forscher, die eine solche Alternative in Aussicht stellte, wurde jedoch aufgrund methodischer Fehler zurückgezogen. Liest man jedenfalls jetzt in der FAZ (u.a. auch online) (Opens in a new window)


Dies hat eine neue Welle der Debatte entfacht. Denn natürlich wurde diese angebliche Meta-Studie jetzt quasi als Beweis angeführt, dass Homöpathie (doch) wirkt. Was natürlich eine Sensation gewesen wäre, da bisher ja jeglicher Wirknachweis nach Kriterien der „Schulmedizin“ = evidenzbasierten Wissenschaft fehlt.

Nun fürchte ich, dass das Zurückziehen der Studie (weil sie eben gerade nicht Kriterien einer guten Wissenschaft entsprach, weil z.B. Klienten, die angeblich auf Homöopathie ansprachen vorselektioniert wurden für den Vergleich) und ganz sicher nicht reproduzierbar wäre, eben nicht allgemein zur Kenntnis genommen wird bzw. sich wie eine Art urbane Legende weiter verbreiten und halten wird.

Es reichen ja immer wieder gestreute Zweifel, dass Methylphenidat bzw. Stimulanzien gefährlich seien bzw. Homöpathie angeblich sicher bzw. sogar sicherer und schon wird ggf. eine leitlinien-gerechte Therapie nicht durchgeführt.

Es ist wichtig, wissenschaftliche Evidenz und persönliche Erfahrungen in der Diskussion um die Behandlung von ADHS zu berücksichtigen. Während einige Betroffene und ihre Angehörigen von positiven Erfahrungen mit Homöopathie berichten, unterstreicht die aktuelle Studienlage, dass Globuli keine gleichwertige Alternative zu Ritalin sind. Hier stehen also „Erfahrungsmedizin“ des Einzelfalls gegen die Kriterien der evidenzbasierten Wissenschaft / Medizin. Aber gerade diese Medizin wird ja von vielen Anhängern der Homöopathie abgelehnt. Was eine Auseinandersetzung zum Für und Wider echt schwierig macht.

Ritalin (Methylphenidat) ist ein Medikament, das seit Jahrzehnten zur Behandlung von ADHS verwendet wird. Seine Wirksamkeit ist durch eine Vielzahl von Studien gut belegt. Es wirkt auf das zentrale Nervensystem und erhöht die Verfügbarkeit von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin, was zu einer Verbesserung der Aufmerksamkeit und einer Reduktion von Hyperaktivität führt. Und in all den Jahren (ich beschäftige mich seit 1998 mit dem Themengebiet) habe ich weder aus der Selbsthilfe noch aus der Forschung (und schon gar nicht von Gerichtsprozessen gegen die Hersteller) von relevanten Nebenwirkungen gehört). Und dennoch hält sich eben diese Negativ-Vorstellung, dass Homöopathie besser sei als „echte“ Medikation.

Die Homöopathie hingegen beruht auf dem Prinzip der Ähnlichkeit und der Potenzierung, wobei die aktiven Substanzen in so hohem Maße verdünnt werden, dass in den meisten Fällen kein Molekül der Ursprungssubstanz mehr vorhanden ist. Kritiker argumentieren, dass jede Wirkung, die über den Placebo-Effekt hinausgeht, nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Wobei man eben auch einen Placebo-Effekt (oder auch einen Nocebo-Effekt) nicht vernachlässigen sollte.

Es ist essentiell, dass die Behandlung von ADHS auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsmethode sollten Wirksamkeit, Sicherheit und individuelle Gesundheitsbedürfnisse im Vordergrund stehen. Es ist unerlässlich, dass Therapien unter der Aufsicht von qualifizierten Gesundheitsfachkräften stattfinden und auf der besten verfügbaren Evidenz basieren.

Aber man muss eben auch die Betroffenen bzw Angehörigen da abholen, wo sie gerade stehen. Mit Aufklärung, mit Zeit für Beratung und Zuhören.

Das Zurückziehen der besagten Studie ist ein Beispiel dafür, wie wissenschaftliches Fehlverhalten oder methodische Mängel die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen können. Dies unterstreicht die Bedeutung rigoroser Forschungsmethoden und transparenter Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse. Ich bin gespannt, wie das weiter geht.

Im Endeffekt darf die Debatte nicht nur schwarz-weiß gesehen werden. Der Austausch zwischen Patienten, Gesundheitsfachkräften und Forschern muss fortgesetzt werden, um eine ganzheitliche und individuell angepasste Behandlung von ADHS zu ermöglichen, die sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Ansätze in Betracht zieht.

Welche Erfahrungen habt ihr so gesammelt. Mit dem Streit um Medikamente bei ADHS ? Mit Befürwortern von Homöopathie bzw. evidenz-basierter Medizin versus “Erfahrungsmedizin” ?

Schreibt mir mal

2 comments

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