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Psychoedukation über Chatbots bei ADHS



Die Möglichkeiten der Technik bzw. KI steigen von Tag zu Tag. Aber auch das Bedürfnis nach Aufklärung und Information über ADHS. Eine deutsche Arbeitsgruppe hat nun ausprobiert, wie ein Chatbot quasi sich schlägt, wenn ein Psychoedukationsmanual zu ADHS (Opens in a new window) quasi online bzw. über Technik und nicht über eine Gruppentherapie vermittelt wird.

Aufgrund der steigenden Prävalenz von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter gewinnt die Entwicklung innovativer Ansätze zur Behandlung und Bewältigung dieser Störung zunehmend an Bedeutung. Eines dieser innovativen Ansätze ist die Nutzung von Chatbots zur Psychoedukation bei ADHS im Erwachsenenalter. Psychoedukation, die Wissensvermittlung über die Störung und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien, kann für Menschen mit ADHS äußerst hilfreich sein. In dieser Diskussion werden die Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) untersucht, in der die Wirksamkeit eines selbstgesteuerten digitalen Psychoedukationsansatzes für Erwachsene mit ADHS untersucht wurde. Genauer gesagt verglichen die Forscher einen neu entwickelten Chatbot mit einer zuvor validierten Psychoedukations-App in Bezug auf die Verbesserung der ADHS-Symptome im Rahmen einer 3-wöchigen Psychoedukation.

Die Ergebnisse

Die Studie umfasste insgesamt 34 Teilnehmer, und obwohl beide Interventionen starke Effekte bei der Reduktion der Kernsymptome von ADHS zeigten, konnte keine der beiden als überlegen identifiziert werden. Die Verbesserungen der Symptome, die in beiden Gruppen beobachtet wurden, wurden sowohl in Beobachterbewertungen als auch in Selbsteinschätzungen der Patienten festgestellt. Es ist jedoch zu beachten, dass Selbstbewertungen von ADHS-Symptomen bei Erwachsenen oft unterschätzt werden, wie bereits in früheren Meta-Analysen festgestellt wurde.

Interessanterweise erzielte die vorliegende Studie ähnlich große Effektstärken bei der Reduktion von ADHS-Symptomen wie eine frühere Studie, die eine konventionelle Psychoedukations-App in Verbindung mit einer Gruppenintervention getestet hatte. In der vorliegenden Studie wurden jedoch die App und der Chatbot als selbstgesteuerte Psychoedukationsansätze ohne persönliche Treffen oder die Beteiligung klinischer Experten im Behandlungsprozess getestet. Dies deutet darauf hin, dass sowohl die App als auch der Chatbot wirksam sein können, wenn sie von Erwachsenen mit ADHS eigenständig genutzt werden, ohne kontinuierliche klinische Überwachung.

In Bezug auf die spezifischen Symptome von ADHS zeigte die Analyse signifikante und starke Effekte auf die Beobachterbewertung von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sowie auf die Selbsteinschätzung von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität in beiden Interventionsgruppen. Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu einer anderen Studie, die einen Psychoedukations-Chatbot bei Personen mit Aufmerksamkeitsstörungen untersuchte und hauptsächlich signifikante Verbesserungen bei Impulsivitätssymptomen im Vergleich zum Lesen eines Selbsthilfebuchs fand, jedoch keine Verbesserungen bei Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Studie Patienten mit ADHS nicht einschloss und nur Personen mit Aufmerksamkeitsproblemen unabhängig von der psychiatrischen Diagnose berücksichtigte.

Wissensvermittlung und sekundäre Ergebnisse

Die Auswertung der Wissensvermittlung zur Psychoedukation zeigte ähnliche Ergebnisse in Bezug auf die Wissensaneignung und die Bearbeitung von Inhalten in beiden Gruppen. Dies steht im Gegensatz zur Erwartung, dass die Nutzung des Chatbots aufgrund der stärkeren Interaktion und der individuellen Auswahl von Themen zu einer größeren Steigerung des Wissens über die Störung führen würde. Es ist jedoch auch möglich, dass eine intensivere Interaktion die Lernfähigkeit von Menschen mit ADHS verringert hat, was potenziell positive Effekte der individuellen Lernwege überdeckt hat. Zukünftige Forschung in der Psychoedukation sollte sich stärker auf die spezifischen Lernstile der Patienten konzentrieren.

Weitere sekundäre Ergebnisse umfassten Veränderungen in Depression, Angst, Stress und Lebensqualität. In Übereinstimmung mit einer früheren Studie wurden Verbesserungen in den Kernsymptomen von ADHS, jedoch keine Verbesserungen in sekundären Ergebnissen wie Depression und funktionellen Beeinträchtigungen festgestellt. Dies wirft die Frage auf, ob digitale Psychoedukation speziell auf die Verbesserung der Lebensqualität abzielen sollte. Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied könnte sein, dass in den früheren Studien die Lebensqualität als gesundheitsbezogen betrachtet wurde, während in der vorliegenden Studie die WHOQOL zur Messung der Lebensqualität verwendet wurde, die eine globale Perspektive einnimmt. Unsere Korrelationsanalyse ergab auch, dass sich ADHS-Symptome, depressive Symptome, Stresssymptome und verschiedene Lebensqualitätsaspekte im Allgemeinen miteinander korrelieren. Daher könnten Verbesserungen der ADHS-Symptome mit Verbesserungen in anderen Bereichen zusammenhängen.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sowohl eine konventionelle modulbasierte Psychoedukations-App als auch ein interaktiver Chatbot für die selbstgesteuerte Psychoedukation bei ADHS im Erwachsenenalter sicher, machbar und wirksam sind, wobei keiner der beiden Ansätze aufgrund der vorliegenden Ergebnisse bevorzugt werden kann. Starke Effekte auf die Kernsymptome von ADHS wurden beobachtet, was einen ersten Schritt zur Implementierung dieser skalierbaren und kosteneffektiven Anwendungen in der klinischen Praxis darstellt. Sekundäre Ergebnisse, wie Symptome von Depression, Angst und Stress sowie die Lebensqualität, müssen bei der weiteren Entwicklung der digitalen Psychoedukation stärker berücksichtigt werden, da sie in dieser Studie keine Verbesserung zeigten.

Es ist anzumerken, dass die bevorzugte Methode der Wissensvermittlung und letztendlich die klinische Wirksamkeit auch von individuellen Patientenmerkmalen abhängen könnten. Zukünftige Forschung sollte die Implementierung von verschiedenen Erweiterungen untersuchen, die den Patienten bei der Organisation ihrer persönlichen digitalen Psychoedukation helfen könnten, z.B. Benachrichtigungen, die an Übungen erinnern und die psychoedukativen Inhalte zusammenfassen. Darüber hinaus sollten spezifische Merkmale der Teilnehmer, die die Behandlungsergebnisse beeinflussen könnten, wie z.B. das Alter oder das Bildungsniveau, untersucht werden.

Insgesamt bieten Chatbots viel Potenzial für die Weiterentwicklung der Psychoedukation bei ADHS im Erwachsenenalter, insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Innovationsfortschritts im nicht-klinischen Chatbot-Markt. Die vorliegenden Ergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Machbarkeit und Wirksamkeit dieser digitalen Ansätze und legen nahe, dass sie als Ergänzung zur Therapie während Wartezeiten oder als Unterstützung zur medikamentösen Behandlung genutzt werden können. Es bleibt jedoch noch viel Raum für zukünftige Forschung, um die Wirksamkeit und die optimalen Einsatzmöglichkeiten von Chatbots in der Psychoedukation bei ADHS im Erwachsenenalter weiter zu untersuchen.

Ich selber verfolge den Weg auch, wobei ich jetzt nicht ein Manual verwende, sondern die Infos, die ich eben meinen Patientinnen sonst im Gespräch vermitteln würde (aber eben rein zeitmässig gar nicht immer vermitteln kann).

Wahrscheinlich werde ich diese Technik daher auch in der nächsten Coaching-Gruppe ab Mitte November mit einsetzen. (Opens in a new window) Man kann dann dem Chatbot quasi Fragen zu ADHS stellen, die sehr individuell sind bzw. wo auch Themenbereiche aufgegriffen werden, die man sonst noch nicht in den allgemeinen Büchern und Online-Infos findet.

Was denkt ihr über den Einsatz von Internet bzw. Chatbots bei ADHS ?


Quelle : Selaskowski, B., Reiland, M., Schulze, M., Aslan, B., Kannen, K., Wiebe, A., . . . Braun, N. (2023). Chatbot-supported psychoeducation in adult attention-deficit hyperactivity disorder: Randomised controlled trial. BJPsych Open, 9(6), E192. doi:10.1192/bjo.2023.573

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