Warum es sich nicht lohnt, wie Rechtsextreme zu reden
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Ehmer ist CEO von Burger King Deutschland, zeichnet sich für uns aber auch für seine klare Kante gegen jegliche Form von Diskriminierung und Rechtsextremismus aus - auch in seinem Blog (Öffnet in neuem Fenster).
Zwar gehts im Podcast eigentlich um Führung und Management - Themen, die uns nicht persönlich betreffen. Aber die angenehm unaufgeregte Art von Interviewerin und Gesprächspartner und ihre inhaltliche Kompetenz sind eine enorme Bereicherung! 💡
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Um was geht’s?
Es sind kaum noch fünf Monate bis zu der Wahl des Thüringer Landtags am 1. September. Jetzt ist Wahlkampf. Die Thüringer CDU rechnet auf ihren Wahlplakaten vor allem mit Rot-Rot-Grün ab. Die Slogans setzen keine eigenen Themen, sondern polarisieren mit ihrer Kritik an der bestehenden Landesregierung (Öffnet in neuem Fenster).
Darunter sind Sprüche wie: “Fachkräfte fehlen. Vor allem in der Regierung”, “Letzter bei Gründungen, aber bei Bürokratie ganz weit vorne” und auch “Nachts alleine nachhause? Die Angst läuft mit.”
Der thüringische SPD-Innenminister Georg Maier schreibt in einem Post auf X (Öffnet in neuem Fenster)dazu: “Ich dachte Angstmacherei sei Sache der Links- und Rechtspopulisten. Jetzt versucht sich auch die @cdu_thueringen daran. Wird aber nicht funktionieren. […]”
Auch die EU-Abgeordnete und -Spitzenkandidatin der SPD Katarina Barle (Öffnet in neuem Fenster)y (Öffnet in neuem Fenster)schreibt auf de (Öffnet in neuem Fenster)r Kurznachrichtenplattform (Öffnet in neuem Fenster): “Welch ein widerliches Plakat der @cdu_thueringen! Frauen hatten schon immer Angst, nachts allein nach Hause zu gehen. Von Bayern bis Schleswig-Holstein, 1950 oder heute. Weil Männer Gewalt gegen Frauen ausüben. In der Öffentlichkeit, noch häufiger in Beziehungen.”
Mit einem ähnlichen Werbeslogan über Menschen - vornehmlich Frauen - die sich nachts nicht alleine nach Hause trauen, hat bereits die AfD 2021 vor der Bundestagswahl Werbung gemacht. Die Plakate hingen unter anderem in Oberhausen, wie ein Bildcredit der Fotoagentur Imago angibt (Öffnet in neuem Fenster).
Wer spricht da?
Das aktuelle Plakat stammt von der Thüringer CDU. Ihr Parteichef ist Mario Voigt. Er ist es auch, der sich am 11. April ein TV-Duell mit dem Vorsitzenden des rechtsextremistischen Landesverbands der AfD Thüringen, Björn Höcke, auf “Welt-TV” liefern will. An dem Tag also, an dem vor 79 Jahren die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora befreit wurden. Nicht nur deshalb gibt es Kritik an dem Vorhaben.
Vor einem Gespräch mit Björn Höcke warnen viele. Auch wenn es unter manchen Journalist:innen (Öffnet in neuem Fenster) noch immer die Meinung gibt, man dürfe das Gespräch nicht scheuen und müsse den Bürger:innen die Deutungshoheit überlassen.
Expert:innen sehen das anders: Warum man nicht “mit Rechtsextremen reden (Öffnet in neuem Fenster)” sollte, haben wir bereits in einem früheren Newsletter zusammengefasst.
Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hatten wir darin so zitiert: “Die geschliffene, bürgerliche Sprache und Attitüde blendet viele. Das ad hoc zu dechiffrieren ist schwer.” (Öffnet in neuem Fenster) Selbst Strobl, die sich seit Jahren mit dem Thema auseinandersetzt, komme immer wieder an ihre Grenzen, schreibt sie. Auch ihr falle mitunter erst Tage später noch etwas in Texten oder Reden auf.
Mit dem TV-Duell will Voigt wohl in die Offensive gehen. Denn nach den Landtagswahlen könnte Thüringen vor ein scheinbar unlösbares Problem gestellt werden. Bereits die bestehende Rot-Rot-Grüne-Koalition hat im Landtag keine Mehrheit. Und Umfragen zufolge liegt die AfD derzeit bei rund 30 Prozent.
Die “Zeit im Osten (Öffnet in neuem Fenster)” schreibt dazu: “Die Union müsste sich entweder mit der AfD oder mit der Linken zusammentun, um eine Mehrheit zu bekommen, was sie beides ausschließt. Was also tun? Ein Teil der Antwort sieht so aus, dass sich sowohl CDU also auch Linke innerlich mit einer Sache abzufinden beginnen. Nämlich damit, dass Platz eins an die AfD gehen könnte. Aber wenigstens um Platz zwei will man kämpfen. Wer hinter der AfD zweitstärkste Kraft wird, der könnte immer noch den Ministerpräsidenten stellen. Die Strategie besteht also darin, die AfD gewissermaßen zu ignorieren.”
Mario Voigt hat diese Strategie nun geändert.
Er will sich nicht nur dem Gespräch mit der AfD stellen. Seine CDU übernimmt auch Narrative und Themen der rechtspopulistischen Partei.
Ob sich das lohnt, haben wir mit Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky besprochen.
“Wer die AfD wählt, misstraut oft etablierten Parteien. Das ändert sich nicht, nur weil diese AfD-Themen übernehmen.”
Marcel Lewandowsky ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich mit Strategien im Umgang mit populistischen Parteien, der Analyse von Einstellungen zur Demokratie und Maßnahmen der Demokratiebildung. Sein neues Buch heißt “Was Populisten wollen (Öffnet in neuem Fenster)” und erscheint am 8. Mai bei Kiepenheuer & Witsch.
WRR: Übernehmen andere Parteien Narrative oder Sprache der AfD?
Lewandowsky: Ja, vor allem setzen einige Parteien verstärkt auf das Thema Migration. Das Problem: Sie versuchen, immer strengere Positionen einzunehmen. Das ist nicht nur die CDU/CSU, das ist in Teilen auch die SPD. Aktuell muss ich da an das Spiegel-Cover mit Olaf Scholz denken und das Zitat: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben (Öffnet in neuem Fenster)".
Es geht aber nicht nur um das Thema, das übernommen wird. Es geht auch um eine sprachliche Annäherung an die AfD. Das lässt sich vor allem bei der CDU beobachten, die der rechtspopulistischen Partei nahekommt. Ein Beispiel dafür ist Friedrich Merz, der von “kleinen Paschas (Öffnet in neuem Fenster)” gesprochen hat oder davon, dass Geflüchtete beim Zahnarzt angeblich besser an Termine kommen würden (Öffnet in neuem Fenster) als Deutsche.
Die thüringische CDU hat ihren Wahlkampf eingeläutet und ihre Plakate dazu vorgestellt. Ein Motiv sticht heraus (Öffnet in neuem Fenster), weil es eine fast perfekte Kopie eines AfD-Plakates ist. Der Text auf der CDU-Version: “10 Jahre Rot-Rot-Grün bedeutet: Nachts allein nach Hause? Die Angst läuft mit.” Auf dem AfD-Plakat stand: “Ich liebe die Nacht. Aber nicht den Nachhauseweg. Sicherheit für unsere Städte.”
Im Subtext werden hier die Themen Migration und Kriminalität miteinander verbunden. Es ist für mich nicht überraschend, dass sich eine konservative Partei wie die CDU ähnlicher Sprachmuster und Themen wie die AfD bedient, um deren Wähler zurückzugewinnen. Auf dem demokratischen Spektrum sind sie am nächsten dran und sollten sie deshalb auch am ehesten erreichen können.
Gelingt diese Strategie der Nachahmung?
Nein, im Gegenteil: Wenn sogenannte “Mainstream-Parteien” anfangen, wie rechtspopulistische Akteure zu sprechen oder zu handeln, dann trägt das eher dazu bei, dass in erster Linie rechtspopulistische Positionen und Narrative sagbar und in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. Und das nutzt in erster Linie Rechtspopulisten, weil sie durch die Übernahme ihrer Themen durch etablierte Parteien mehr Legitimierung erfahren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wir sehen immer mehr rechte Positionen, die das Asyl- und Menschenrecht abwickeln wollen. Während der sogenannten Flüchtlingskrise war der “Mausrutscher (Öffnet in neuem Fenster)” ein Skandal [Anm. d. Redaktion: 2016 forderte die damalige stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende und Europaabgeordnete Beatrix von Storch auf Facebook, notfalls auch geflüchtete Frauen und ihre Kinder mit Waffengewalt am Grenzübertritt zu hindern – später ruderte sie zurück, sie habe das nur aus Versehen veröffentlicht und sei auf ihrer Computermaus abgerutscht].
Ganz ähnliche Positionen finden wir aber heute in der Union. Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn sprach beispielsweise davon, “irreguläre Migrationsbewegungen (Öffnet in neuem Fenster)” gegebenenfalls “mit physischer Gewalt” aufzuhalten. Da spielt es dann keine Rolle mehr, ob solche Aussagen danach eingefangen werden. Sind Sätze wie dieser in der Welt, werden damit Positionen, die aus Sicht des Grundgesetzes mindestens fragwürdig sind, zum “Mainstream”. Ob das dann demokratieschädigend ist, ist eine andere Frage. Theoretisch kann es ja eine Demokratie ohne Recht auf Asyl geben. Aber in Deutschland ist das Recht auf politisches Asyl Teil der Verfassung.
Welche Folgen hat es noch, wenn konservative Parteien inhaltlich und sprachlich nach rechts rücken?
Es sorgt nicht dafür, dass Rechtspopulisten Wähler verlieren. Sondern, wenn überhaupt, dass sie dazugewinnen. (Öffnet in neuem Fenster) Wir vermuten, das liegt daran, dass rechtspopulistische Parteien großteils nicht aus Protest, sondern tatsächlich wegen ihrer Themen gewählt werden. Und die haben sie selbst gesetzt und besetzt. Ohne die erfolgreichen Rechtspopulisten würden diese Themen in der Form nicht auf der Agenda anderer Parteien stehen. Sie haben damit ein inhaltliches Vakuum gefüllt.
Hinzu kommt, dass Rechtspopulisten stark davon profitieren, dass sie sich von den politischen Eliten nicht nur abgrenzen, sondern sie als Gegner von Demokratie und Freiheit zeichnen. Und ihre Anhänger denken zu großen Teilen genauso. Dagegen können die “Mainstream-Parteien” nur schwer an - weil sie genau die Eliten sind, die die Rechtspopulisten und ihre Anhänger so verachten.
Können AfD-Wähler überhaupt “zurückgeholt” werden?
Die AfD hat eine große überzeugte Kernwählerschaft. Nur wenige sind bereit, andere Parteien zu wählen. Wer die AfD wählt, misstraut oft etablierten Parteien. Das ändert sich nicht, nur weil diese AfD-Themen übernehmen.
Dazu kommt, dass es die Partei geschafft haben, ihren Wählern zu vermitteln, wir würden in einer totalitären Diktatur ohne Meinungsfreiheit leben. Bei vielen Anhängern hat sich das Bild verfestigt, dass sie mit ihrer Wahl für die AfD auch für die Demokratie stimmen würden. Diese Entwicklung lässt sich nur in Deutschland, sondern in vielen westlichen Demokraten beobachten. Rechtspopulisten können nicht mit den eigenen Waffen geschlagen werden.
Dann ist die Frage, ob die Brandmauer der konservativen Parteien zu AfD hält, oder?
Ja. Ich sehe, dass die Union mit sich ringt. Vor allem in Ostdeutschland stellt sie das vor große Probleme. Es könnte bei den kommenden Landtagswahlen dazu kommen, dass die CDU in eine Kooperation mit der AfD, der Linken oder mit dem BSW muss.
Von diesen Wahlen hängt viel ab und auch vom Weg, welchen die CDU wählt. Sollte sie sich für eine Zusammenarbeit mit der AfD entscheiden, dann entscheidet sie sich für eine Partei, die nicht unsere Vorstellungen von demokratischen gesellschaftlichen Werten teilt.
Was können die anderen Parteien der AfD entgegensetzen?
Da muss man sich ehrlich machen: Wir kennen keine kurzfristig erfolgreiche Strategie. Eine langfristige Möglichkeit wäre, dass sich etablierte Parteien wieder mehr auf andere Themen konzentrieren, die ihnen ihre politische Identität gegeben haben. Die Anhänger der AfD wählen die Partei vor allem wegen demokratiepolitischer und migrationspolitischer Themen. Sie profitiert davon, dass die anderen Parteien vor allem die Migrationsfrage hochhalten.
Zum Schluss noch einen Blick in die USA, wo sie für einige Jahre gearbeitet haben. Dort macht sich mit Donald Trump ein großes AfD-Vorbild für eine zweite Amtszeit bereit. Vor allem Björn Höcke übernimmt in letzter Zeit viele Narrative Trumps. Warum?
Zuerst einmal hat das großen Symbolcharakter. Höcke gibt sich damit als thüringischer Staatsmann, der er ja werden will, und stellt sich größer dar, als er eigentlich ist.
Dazu kommt, dass Höcke und die AfD den Anschein erwecken wollen, Teil einer großen internationalen Bewegung zu sein - sie alle ziehen sozusagen am gleichen Strang. Die Neue Rechte glaubt, dass es zu einem autoritären Umkippen kommen könnte. Und Trump steht für die Abwicklung all dessen, was man hasst: das Woke, die akademische Linke, die Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg.
Dazu kommt, dass Trump mit seinem Project 2025 (Öffnet in neuem Fenster) in aller Öffentlichkeit und Lautstärke eine autoritäre Richtung einschlägt. Würde ihr die USA folgen, könnte das zu einem internationalen Kipppunkt werden. Die USA als ein quasi-autoritärer Musterstaat und Vorbild für Populisten und Autokraten auf der ganzen Welt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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