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Das Europawahlprogramm der AfD (Teil 1)

Hallo,

du liest die neue Ausgabe von “Wie Rechte reden”. Fast genau einen Monat vor der Wahl des Europaparlaments am 9. Juni analysieren wir in dieser Ausgabe das Europawahlprogramm der AfD. Zehn Kernpunkte hat sie dort vorgestellt. In dieser Ausgabe geht es um die ersten fünf.

☝️ Nächste Woche kommt Teil zwei mit den restlichen Themen.

Wer sich noch umfassender über die AfD informieren möchte, anstatt sich nur mit ihren und anderen Narrativen von rechts zu beschäfitgen, sollte übrigens den Newsletter “Adé AfD (Öffnet in neuem Fenster)” der Journalistin und Autorin Franzi von Kempis abonnieren. Sie beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie wir innerhalb von Diskussionen die Demokratie stärken können.

2019 erschien ihr Buch “Anleitung zum Widerspruch (Öffnet in neuem Fenster)”. Es liefert Antworten auf Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien und erklärt dir, was du sagen kannst, wenn du schlicht nicht weiter weißt und dich sprachlos fühlst. Zum Beispiel: Was sage ich bei islamfeindlichen Sprüchen, wenn jemand etwas von einer jüdischen Weltverschwörung oder der Klimawandel-Lüge erzählt?

Also hüpft rüber zu Substack und abonniert gern!

Alles Liebe!

Maria & Johannes

Maximilian Krah - Listenplatz 1

Wir wollen uns nicht nur die zehn Kernpunkte der AfD anschauen, sondern euch auch ihre zwei wichtigsten Politiker für die Europawahl vorstellen.

Dr. Maximilian Krah steht auf Listenplatz 1 von 35 der AfD und ist damit Spitzenkandidat der Partei. Ihn stellen wir euch diese Woche vor, nächste Woche dann Platz 2 - Petr Bystron.

Maximilian Krah wurde 1977 in Räckelwitz, in der sächsischen Oberlausitz, geboren. Krah ist in dritter Ehe verheiratet und hat acht Kinder. “Ich muss also zugeben, es gibt ein [Familien-] Ideal und ich bin dem Ideal nicht gerecht geworden”, sagte der Katholik kürzlich im Podcast “Jung und Naiv. (Öffnet in neuem Fenster)

Sympathisch gesteht er einen vermeintlichen Makel ein. Er wirkt im Interview nahbar und wählbar.

“Auf den ersten Blick könnte man ihn für gemäßigt halten”, schrieb der Spiegel (Öffnet in neuem Fenster) bereits vergangenes Jahr. Doch der Schein trügt. Er sei ein “rechtsextremer Hardliner” heißt es im Text weiter, der rechten Vordenkern wie Götz Kubitschek oder dem Faschisten Björn Höcke, Vorsitzender der rechtsextremen AfD in Thüringen, ideologisch nahestehe. 

Das zeigen beispielsweise Aussagen aus den Jahren 2015 und 2016, als Krah vor einer “Umvolkung” und “orientalischen Landnahme” warnte. Zitate, die im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (Öffnet in neuem Fenster) auftauchen, in dem es um die Gefährlichkeit der AfD für die freiheitlich-demokratische Grundordnung geht.

Maximilian Krah studierte Jura und gründete anschließend eine Kanzlei. Über 20 Jahre lang war er Mitglied der CDU, bevor er 2016 in die AfD eintrat. Dort war er zeitweise stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Sachsen, die vom Verfassungsschutz ebenfalls als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird. 2019 wurde Krah in das Europäische Parlament gewählt. Kurzzeitig wollte er Dresdens Oberbürgermeister werden (Öffnet in neuem Fenster). Seit 2022 ist er Mitglied im AfD-Bundesvorstand.

Wo er die AfD politisch verortet - daran lässt Maximilian Krah keinen Zweifel. Auf einem Parteitag sagte er, die AfD sei eine der spannendsten Rechtsparteien Europas. Erst kürzlich erschien sein sogenanntes Manifest mit dem Titel “Politik von rechts”, in dem unter anderem die “Menschenwürde im Grundgesetz” sehr anders interpretiert werde als es der Mainstream tue. So steht es auf der zugehörigen Webseite (Öffnet in neuem Fenster). Lesende erfahren dort auch, dass Deutschland seine Herausforderungen meistern könne und wie das Land “endlich wieder mächtig wird.”

Krah gehört nicht zum radikalen Flügel seiner Partei, die den Austritt aus der EU fordern. In einem Artikel, so berichtet der Spiegel, den er gemeinsam mit Fraktionskollege Nicolaus Fest für die rechte Zeitung “Junge Freiheit” schrieb, hieß es, dass es zwar “sehr gute Gründe gebe, das Projekt EU nicht nur für gescheitert, sondern für eine akute Bedrohung jeder Demokratie zu halten.” Wählende wollten sich aber nicht von der Idee eines geeinten Europas verabschieden.

Krah will die EU stattdessen reformieren. Auf ihrem Parteitag in Magdeburg vergangenen Sommer beschloss die AfD, sich unter der Fraktion “Identität und Demokratie” gemeinsam mit anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa zu firmieren. Die ID ist bislang die sechststärkste Fraktion im Europaparlament.

Zwar agitiert die AfD gegen die EU, sie stellt sich denonoch zur Wahl und will ihren Einfluss in dem Staatenbund vergrößern. Krah plädierte auf demselben Parteitag auch dafür, die ID-Fraktion durch weitere rechte Kleinparteien, etwa aus Polen, Bulgarien, Ungarn, zu einer “ID plus (Öffnet in neuem Fenster)” zu erweitern und die EU so zu verändern.

In Brüssel hat sich Krah bislang kaum hervorgetan. Seine lautstarke Sympathie für Russland und zahlreiche Treffen mit russischen Oligarchen (Öffnet in neuem Fenster) sind - zumindest für die AfD - keine Besonderheit. Dagegen fiel er innerparteilich mit seiner Nähe zu China aus dem Rahmen. So ließ er sich von chinesischen Institutionen einladen und besuchte ein Forschungszentrum des IT-Konzerns Huawei. 

Und China ist es auch, das ihn zuletzt in die Schlagzeilen brachte: Ende April wurde der langjährige Mitarbeiter Krahs Jian G. verhaftet. Der gebürtige Chinese steht im dringenden Verdacht, chinesischer Spion zu sein. Der Generalbundesanwalt wirft ihm “Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall” vor. 

So soll G. unter anderem interne Diskussionen über Entschließungsanträge an Mitarbeiter:innen eines chinesischen Geheimdienstes weitergeleitet haben. Er ist jetzt in Untersuchungshaft. Krah wird in dem Spionageverfahren der Bundesanwaltschaft laut ZEIT (Öffnet in neuem Fenster) als Zeuge, nicht als Beschuldigter geführt.

Trotzdem hat der Generalbundesanwalt diese Woche die Büroräume von Krah untersuchen lassen. Die Razzia steht im Zusammenhang mit der Verhaftung Gs.

Nach kurzer Zwangspause durch seine Parteiführung trat Krah vergangene Woche wieder in Chemnitz und Dresden auf. 

Wie steht die AfD überhaupt zur EU?

“Wir streben die geordnete Auflösung der EU an.”

Dieser Satz stand im Leitantrag der AfD für ihren Europaparteitag im vergangenen Jahr. Der Plan: eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen.

Dass die AfD der Europäischen Union in ihrer gegenwärtigen Form kritisch gegenübersteht, ist kein Geheimnis. Immerhin war das einer der Gründungsfunken der Partei.

Trotzdem zog sie diesen Leitantrag später zurück. Die Auflösung des Staatenbunds fordern, das wollte sie dann doch nicht in einem offiziellen Dokument. Laut Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster) distanzierte sich insbesondere die Parteispitze, Alice Weidel und Tino Chrupalla, von dem Satz. Er sei auch nur aus einem “redaktionellen Versehen” veröffentlicht worden.

Alice Weidel soll nicht nur gegen den Leitantrag gewesen sein, sondern sich auch 2021 gegen einen Austritt Deutschlands aus der EU positioniert haben - dem so genannten “Dexit”. Das bekräftigte sie auch auf dem Europaparteitag der AfD. Laut Phoenix (Öffnet in neuem Fenster) sagte Weidel, dass ein Austritt Deutschlands aus der EU “nicht unserer Programmatik” entspreche und, dass man “im Zielbild ein Europa der Interessen- und Wirtschaftsgemeinschaft” anstrebe.

Das ist interessant, weil Weidel wenige Monate später selbst wiederum den “Dexit” ins Spiel brachte. Gegenüber der Financial Times (Öffnet in neuem Fenster) sagte sie im Januar, dass es ein Referendum über den Verbleib in der EU geben sollte - wenn sich die EU nicht nach den Wünschen der AfD wandeln würde.

Ob der AfD ein “redaktioneller Fehler” unterlaufen war oder nicht: Die Partei verankert immer wieder ihre EU-kritische Position im Diskurs und testet dabei offenbar aus, wie die Öffentlichkeit auf Begriffe wie den “Dexit” reagiert.

Stellt sich die Frage: Wie stellt sich die AfD eine EU nach ihren Ideen vor und was steckt hinter ihren Wahlsprüchen?

PUNKT 1: EIN NEUES HAUS FÜR EUROPA

Die AfD schreibt in ihrem Wahlprogramm (Öffnet in neuem Fenster), dass sie “Europa stärken” wolle - nicht aber die EU. Sie unterscheidet bewusst zwischen Europa und der Europäischen Union.

Das “neue Haus” Europas ist nichts anderes als die rhetorische Umgestaltung des Staatenbundes, der laut AfD “in allen Bereichen, die Europa existenziell betreffen” versagt habe und der sich zu einem “undemokratischen Konstrukt” entwickelt habe, das “immer mehr Gewalt” an sich ziehe und von einer “intransparenten, nicht kontrollierten Bürokratie” regiert werde.

Die AfD plant anstelle der EU einen “Bund europäischer Nationen”.

Anders ausgedrückt: “Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.” (Björn Höcke (Öffnet in neuem Fenster))

Ziel der AfD ist es, die angeblich zunehmende Zentralisierung und Bevormundung der EU zu beenden und die “nationale Souveränität” und die “kulturelle Identität” der Länder zu erhalten.

👉 Hier finden sich zwei typische populistische AfD-Narrative. Das erste ist die Eliten-Kritik (Öffnet in neuem Fenster). Sie dient in erster Linie der Abgrenzung “nach oben”. Etablierte Politiker:innen bezeichnet die AfD häufig als moralisch böse, abgehobene oder weltfremde Elite. So entsteht ein Feindbild, das für eine Vielzahl vermeintlicher Fehlentwicklungen im Land oder in der EU verantwortlich gemacht werden kann.

Durch diese Rhetorik werden politische Repräsentant:innen in Brüssel und damit die Demokratie als Ganzes infrage gestellt.

Das schreiben Rico Behrens und Stefan Breuer in “Rechtspopulismus - Herausforderung für die Demokratie”.  Mit dem Narrativ, dass “das Volk” von falschen, geradezu korrupten Eliten repräsentiert werde, gehe die Dämonisierung von Politiker:innen einher, denen man vorwirft, nur ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

👉 Das zweite Narrativ, das die AfD hier bedient, ist der sogenannte “Niedergang des Eigenen”. Der wird laut Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster) immer wieder im Diskurs der rechtspopulistischen Partei nachgewiesen. Begründet sei der Niedergang vor allem in der Globalisierung und der europäischen Integration - beides habe, aus Sicht der AfD, die Souveränität Deutschlands ausgehöhlt.

Dazu komme, dass man sich immer mehr vom Ideal der “sozialen Markwirtschaft” entfernt und dass die Einführung des Euro und die “Rettungspolitik” nach der Wirtschaftskrise 2008 die deutsche Wirtschaft geschwächt habe.

Die EU wird also dafür verantwortlich gemacht, die sogenannte “nationale Identität” zersplittert und geschwächt zu haben.

PUNKT 2: UNSER LAND ZUERST

Die Inspiration ist nicht wirklich versteckt: Mit dem Slogan “America First” zog Donald Trump 2016 nicht nur in den Wahlkampf, er hat ihn auch zum Motiv seiner Präsidentschaft gemacht und war damit erfolgreich.

Die AfD hat ihre Übersetzung des Trump-Slogans, “Unser Land zuerst”, erstmals 2022 benutzt. Damals setzte der sächsische Landesverband bei seinen “Montagsdemos” darauf, um die Deutungshoheit “innerhalb der aufkommenden sozialen Proteste gegen steigende Energie- und Lebensmittelpreise” (Öffnet in neuem Fenster) zu erlangen.

👉 Mit “Unser Land zuerst” wolle sich die AfD demnach vor allem als volksnahe “Kümmerer-Partei” inszenieren. Um diesen Punkt argumentativ zu stärken, erzähle die AfD Katastrophen herbei. 2022 sprach sie deshalb von drohenden “Energieengpässen, Blackouts und Verelendung”. Im aktuellen EU-Wahlkampf setzt sie dafür auf das Thema Migration. Diese stehe angeblich dem “Frieden und Wohlstand in Deutschland und Europa” im Weg - besonders der “politische Islam”.

Übrigens: Bewusst schreibt die AfD hier nicht vom Islam, nicht vom Islamismus, sondern vom “politischen Islam”. Dabei handelt es sich laut Bundeszentrale für politische Bildung (Öffnet in neuem Fenster) um einen Kampfbegriff ohne eindeutige Definition, weshalb er “als Sammelbezeichnung für politische Aktivitäten von Muslimen” gelte. Die Vagheit mache den Kampfbegriff “zu einer Projektionsfläche für Feindbilder und muslimfeindliche Ängste - also potentiell zu einem Instrument des Populismus”.

Wenn sie den “politischen Islam” als “eine Gefahr für Deutschland und Europa” bezeichnet, will die AfD Ängste schüren und sich als Löser inszenieren, um die angeblich drohende Katastrophe abzuwenden.

Es gibt auch eine Innenperspektive zu dem Slogan “Unser Land zuerst”. Die kommt von einer neurechten Medienagentur (Öffnet in neuem Fenster), die zu “Okzident Media” gehört. Das ist laut Belltower News (Öffnet in neuem Fenster) ein Unternehmen der rechtsextremen Identitären Bewegung, die “Dienstleistungen im Social Media Bereich, Kampagnenplanung und Marketingberatung” anbietet.

Dort wird der AfD-Slogan als “simpel gehalten, nicht überabstrahiert und gesellschaftlich anschlussfähig” bewertet.

👉 Sein Ziel sei es demnach, nicht nur in die eigene Blase zu kommunizieren, sondern an unterbewusst-emotionale Attribute wie Stolz, Ehrgefühl, Sicherheit und Beständigkeit anzuknüpfen und auf die Festigkeit und das Band einer gemeinsamen Nation zu verweisen.

Darauf dürfte die AfD auch abzielen, wenn sie die “deutsche Leitkultur” unter dem Slogan “Unser Land zuerst” ins Spiel bringt, die für alle gelten müsse.

Dabei handelt es sich um ein altes Narrativ, auf das vor allem die CDU gesetzt hat (und es aktuell wieder beleben möchte).

Auch die AfD macht es nun sich zu eigen und erklärt die deutsche Leitkultur zum Gegensatz (Öffnet in neuem Fenster) von “Multikulturalismus”. Warum sie das macht, erläutert Politikwissenschaftlerin Christina Zuber im WDR-Podcast Politikum so:

👉 “Der Begriff [Leitkultur] wird als sehr exklusiv, also ausschließend, wahrgenommen.” Er stehe dafür, dass klar sei, “wie die Dinge in Deutschland ausgestaltet sind”. Wer dazukomme, könne keinen Beitrag leisten, sondern müsse sich ‘rein-assimilieren’.

Laut Zuber gelte deshalb rechtsnationalistischen Parteien, die Nationen als abstammungsbasiert definieren würden: “Haben die Großeltern nicht die richtige ethnische Zugehörigkeit, wird es schwierig mit der Teilhabe.”

PUNKT 3: FESTUNG EUROPA

Migration in die EU führe zur “Überforderung”, man habe keine Kontrolle mehr über die deutschen Grenzen und sei aufgrund des “Zustroms” von Geflüchteten längst “fremd im eigenen Land”.

👉 Hier finden sich viele rechtspopulistische Deutungen wieder, die bei einer Entmenschlichung von Geflüchteten beginnt (Zustrom), von einer rein negativen Perspektive auf Migration begleitet wird (Überforderung) und bei einem Slogan, den früher auch die NPD nutzte (fremd im eigenen Land), endet. Letzteren hat sich mittlerweile die AfD zu eigen gemacht hat.

Dazu schreibt der Grünen-Politiker Andreas Graf von Bernstorff (Öffnet in neuem Fenster): “Die Übergabe von der NPD zur AfD erfolgt auf offener Bühne. Alexander Gauland hält am 2. Juni 2016 auf dem Marktplatz in Elsterwerda eine Rede (Öffnet in neuem Fenster). Jemand aus dem Publikum hält ihm ein Schild entgegen. Gauland nickt und liest die Aufschrift laut ab, ‘Heute sind wir tolerant - und morgen fremd im eigenen Land‘ und baut den Spruch zustimmend in seine Rede ein.”

Dahinter steht die große Verschwörungserzählung vom sogenannten Großen Austausch. Dessen angebliches Ziel ist es, die “Stammbevölkerung” durch “kulturell fremde Bevölkerungsgruppen” zu ersetzen. Auf diese Weise soll die “nationale Identität” zerstört werden, die vor allem aus der angeblichen Gleichheit eines Volkes entsteht. So erklärt es das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster).

👉 Die Antwort der AfD auf den drohenden “Großen Austausch”: Sie will eine “Festung Europa”. Damit übernimmt sie ein Narrativ, der rechtsextremen Identitäten Bewegung (IB). Die setzte den Begriff bereits 2016 bei einer ihrer PR-Aktionen.

Belltower News (Öffnet in neuem Fenster) schrieb damals, dass “neurechte junge Männer” ein Banner ans Brandenburger Tor gehängt und für eine “Festung Europa” geworben hätten. Sie würden “sich, ‘ihr’ Land und gar Europa bedroht” sehen, weshalb sich Europäer:innen gegen angeblich ‘einfallende’ Muslim:innen wehren müssten.

Verknüpft mit dem Sprachbild einer Festung ist auch immer die implizite Bereitschaft, sie gegen Invasor:innen zu verteidigen. Notfalls mit Gewalt (Öffnet in neuem Fenster), so interpretiert beispielsweise die '“Rechercheplattform zur Identitären Bewegung” das Narrativ.

PUNKT 4: FREIHEIT STATT BRÜSSEL

Dieser Slogan suggeriert, dass es “Freiheit” nur ohne Brüssel gebe, also ohne die Europäische Union. Die EU wird somit gleichgemacht mit Unfreiheit und mit - das hatten wir schon - Bevormundung und Zentralisierung von Macht.

Will Deutschland frei sein, ist das nur mit einer EU möglich, wie sie sich die AfD wünscht und wie sie in der gegenwärtigen Situation nicht existiert.

👉 Belege für diese Unfreiheit liefert die AfD in ihrem Wahlprogramm anhand typischer “Kulturkampf”-Themen: Verbrennermotor, Gasheizung, Tempolimit.

Damit positioniert sie sich gegen bestehende Klimaschutzbestrebungen der EU. Der Grund: Die AfD leugnet den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel und schreibt verhöhnend vom “angeblichen Klimawandel”. Diese Position nutzt sie, um sich als Fundamental-Opposition zu inszenieren.

Im Europawahlprogramm zählt sie viele EU-Klimaschutzpläne auf, die sie vereiteln will - von einer geplanten Erhöhung der Luftverkehrssteuer, über die Erhaltung des Verbrennungsmotors bis hin zu Bauvorschriften für klimaneutrale Wohnhäuser und den schnelleren Ausbau “sogenannter Erneuerbarer Energien”.

Das alles bedient ein zentrales Narrativ der Partei. Das geht laut Politikberater Martin Fuchs (Öffnet in neuem Fenster) so: “Die Welt ist im Wandel, alles verändert sich sehr schnell. Aber du bist okay. Du musst dich nicht ändern.”

Aus dieser Erzählung leitet die AfD ihre Argumentationen ab. Eine ist: Gibt es keinen Klimawandel oder trägt der Mensch keine Verantwortung dafür, müssen wir Deutschen uns auch nicht ändern. Deshalb will sich Alice Weidel ihr Schnitzel nicht verbieten lassen, wie sie in einer viralen Rede (Öffnet in neuem Fenster) gerufen hat. Das gleiche gilt fürs Fliegen oder den Verbrennermotor. Alles soll bleiben, wie es ist. Deshalb inszeniert die AfD Klimaschutz als Kulturkampf.

👉 Daraus folgt zugleich: Verantwortung tragen immer die anderen. Nicht die menschengemachte Erderwärmung bedroht das deutsche Volk. Vielmehr bedrohen progressive Akteur:innen unseren Wohlstand, weil sie unsere Gesellschaft transformieren wollen. Neben der EU sind das vor allem die “ideologischen” Grünen.

Aus dieser Logik heraus lehnt die AfD grüne Initiativen grundsätzlich ab und positioniert sich möglichst extrem dagegen. So schafft und stärkt sie ein Feindbild (Öffnet in neuem Fenster), auf das sie die Unzufriedenheit ihrer Anhänger:innen lenkt.

PUNKT 5: GESUND OHNE ZWANG

Auch hier positioniert sich die AfD einmal mehr gegen eine angebliche Fremdbestimmung aus Brüssel - was durchaus als Meta-Narrativ verstanden werden kann, das die AfD immer wieder mit ihren Slogans verknüpft. In diesem Fall geht es ihr nicht nur um die EU, die AfD stellt sich auch gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Die WHO wurde vor allem während der Coronavirus-Pandemie zu einem Feindbild rechter Akteur:innen und der Verschwörungsszene.

Das zeigt beispielhaft eine Petition (Öffnet in neuem Fenster), die mehr als 500.000-mal unterschrieben wurde und die den sogenannten “Pandemievertrag” verhindern will. Laut Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster) soll der Vertrag eine “koordinierte Vorgehensweise der WHO-Mitgliedstaaten bei zukünftigen Pandemien” festlegen.

In der Petition aber steht eine ganz andere Deutung: Demnach ziele der Pandemievertrag (und damit die WHO) darauf ab, die freie Meinungsäußerung einzuschränken, die invasive Überwachung zu verstärken und “unsere geschätzten bürgerlichen Freiheiten” auszuhöhlen.

Dazu heißt es weiter im Beitrag der Tagesschau: “In verschwörungsideologischen Kreisen wird das geplante Abkommen als vermeintliche Machtergreifung der WHO interpretiert, um die Souveränität der Staaten auszuhebeln.” Kein Wunder, dass die AfD das Thema für sich entdeckt und kürzlich in einem Antrag an die Bundesregierung die “Ablehnung des WHO-Pandemievertrags sowie der überarbeiteten Internationalen Gesundheitsvorschriften” gefordert hat.

👉 Die AfD-Strategie dahinter: Sie will sich im EU-Wahlkampf anschlussfähig für das große und mobilisierungsfähige Milieu von Verschwörungsanhänger:innen machen.

Dazu zählen Impfgegner:innen und Coronaleugner:innen. Aber nicht nur: Vor allem zu Beginn der “Coronaproteste” standen viele unterschiedliche Gruppen Schulter an Schulter. Zusammengehalten wurden sie offenbar neben einer geteilten Überzeugung existierender Verschwörungen auch von einer Offenheit nach rechts: “Studien in mehreren Ländern zeigen, dass sich der Verschwörungsglauben stärker bei Menschen, die sich politisch rechts verorten, und die eher rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien wählen, manifestiert”, erklärt Psychologin Pia Lamberty bei Correctiv (Öffnet in neuem Fenster).

👉 Diese Menschen versucht die AfD mit ihrem Slogan “Gesund ohne Zwang” zu adressieren. Deshalb wird beispielsweise die Ablehnung einer Impfpflicht (“die körperliche Unversehrtheit ist unantastbar”) mit EU-kritischen Positionen verwoben.

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