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Gegen Rechts: ‘Oma’ sein, wirkt

Hallöchen,

heute kriegt ihr von uns mal ein Interview der etwas anderen Art: Sibylle Straubel ist bei “Omas gegen Rechts” aktiv. Wir freuen uns, dass sie sich Zeit genommen hat, zu erzählen, wie Aktivismus in ihrer Gruppe aussieht. 👇

Außerdem möchten wir für unseren Freund Ralf Grabuschnig werben: Ralf befasst sich schon seit langem in seinem “Déjà-vu Club” (Öffnet in neuem Fenster) mit historischen Eregnissen. Sein Credo: Die Welt von heute von den Wurzeln her begreifen. Hier bietet er jede Woche tiefgehende Analysen historischer Geschehnisse für seine Mitglieder. Wem das zu viel zum Lesen ist, dem schickt Ralf seit neuestem seinen “Geschichtshappen” (Öffnet in neuem Fenster)ins Postfach. Hier ordnet er normal erscheinende Dinge des Alltags kurz und knackig historisch ein. Zum Beispiel so:

“Im September war ich seit langem mal wieder in Zagreb und habe dort diesen schönen Spruch gesehen."Za umjetnost spremni". Frei übersetzt: Bereit für die Kunst. Worauf dieses Graffiti aber eigentlich anspielt, ist der in Kroatien sehr bekannte Spruch "Za dom spremni". Bereit für das Heimatland. Den kriegt man in dem Land öfter mal zu hören. Von großen Rockstars (Öffnet in neuem Fenster) bis zur Fußball-Nationalmannschaft (Öffnet in neuem Fenster). Das Problem dabei, das wahrscheinlich auch niemanden hier groß überraschen wird: Das war halt blöderweise der Kampfruf der faschistischen Ustascha-Bewegung im Kroatien von 1941 bis 1945. Sowas aber auch 🤷‍♂️”

Wenn ihr unsere Arbeit unterstützen wollt, dann tut das gern mit einem Beitrag ab 1,50 Euro / Ausgabe. Ansonsten bleibt uns lesend gewogen!

Seit achtsam miteinander!

“‘Oma’ gegen Recht zu sein, ist eine Haltung
– kein biologisches Merkmal”

Sibylle Straubel ist seit fast zwei Jahren bei “Omas gegen Rechts” in Leipzig aktiv. Die Gemeinschaft hilft ihr gegen das Gefühl der Ohnmacht. Während der Mahnwachen schlägt ihr aber auch Hass entgegen. Was sie dagegen tut und warum sie trotzdem weiter macht - das erzählt sie uns im Gespräch.

WRR: Sibylle, was sagen deine Enkelkinder dazu, dass du dich bei “Omas gegen Rechts” engagierst?

Sibylle Straubel: Ich habe noch gar keine Enkelkinder! Ich bin erst 58 und habe einen erwachsenen Sohn, der aber noch keine Kinder hat. ‘Oma’ zu sein, sehen wir bei in unserer Gruppe auch weniger als ein biologisches Merkmal, sondern als eine politische Haltung. Wir haben übrigens auch ‘Opas’ in der Gruppe.

WRR: Aber wie bist du dann auf die Gruppe aufmerksam geworden?

Sibylle: Politisch interessiert war ich schon immer, auch zu DDR-Zeiten, aber nie organisiert. Das änderte sich während Corona. Einige aus meiner Familie fingen an, das Virus nur als harmlose “Grippe” abzutun. Ich selbst habe Multiple Sklerose, gehöre also zur Risikogruppe. Ich hatte das Gefühl, dass mein Wunsch nach Schutz gar nicht ernst genommen wurde. Irgendwann ging das so weit, dass sie sagten, die Regierung würde uns die Freiheit wegnehmen und wir hätten in Deutschland keine Demokratie mehr. Und auch die Verschwörung, dass Corona eine Erfindung sei, die nur dazu diene, eine Neue Weltordnung zu schaffen, fiel häufig damals in unseren Gesprächen. Ich wusste nicht, wie ich dagegen argumentieren sollte und fühlte mich allein gelassen.

WRR: Verständlich. Und was hast du gemacht?

Sibylle: Ich bin ins Internet gegangen.

WRR: Nicht immer eine gute Idee.

Sibylle: In dem Fall schon. Nachts habe ich in Twitter Spaces Menschen zugehört, die sich über Fakten und Fakes in Bezug auf Covid-19 unterhalten haben. Das hat mir geholfen. Ich habe gemerkt, dass auch andere Menschen mit Leuten zu tun haben, die falsches Wissen über Corona glauben und verbreiten. Und ich hatte die Hoffnung, dass ich meinen Familienmitgliedern im nächsten Gespräch, Fakten die ich in den Spaces gehört hatte, entgegenhalten kann.

WRR: Und hat das funktioniert?

Sibylle: Leider nein. Heute sprechen wir nur noch über Alltägliches, politische Themen sparen wir seit der Corona-Pandemie aus. Dass es so weit gekommen ist, ist traurig. Aber es hat auch dazu geführt, dass ich mich noch stärker politisiert und informiert habe. Es war auch über Twitter (jetzt X – Anm. d. Red.), dass eine der ‘Omas’ auf mich zukam und mich zu einem Treffen hier in Leipzig mitgenommen hat.

WRR: Seit wann bist du jetzt richtig aktiv bei der Organisation?

Sibylle: Seit vergangenem Jahr gehe ich regelmäßig mit den ‘Omas’ auf die Straße und alle 14 Tage halten wir eine Mahnwache in der Leipziger Innenstadt.

WRR: Bei welchen Demos warst du dabei und was genau ist euer Anliegen?

Sibylle:  Ich war beispielsweise mit in Möckern als Teil einer Demonstration gegen zirka 50 Menschen, die dort jeden Montag gegen den Bau eines Flüchtlingsheims auf die Straße gingen. Einen ganzen Winter lang bis ins Frühjahr hinein haben wir hier gegen Anhänger:innen der Freien Sachsen und der AfD demonstriert. Irgendwann blieben die aber einfach weg.

Unser Ziel ist bei jeder Demo, Sichtbarkeit zu zeigen und durch unsere Anwesenheit für Masse zu sorgen. Wir fahren am Wochenende auch in kleinere Orte wie Wurzen, Gera oder Döbeln, um lokale Initiativen zu unterstützen – und die Einwohner:innen vielleicht zu ermutigen, eigene Ableger von “Omas gegen Rechts” zu gründen. In Döbeln und anderen Orten ist das auch passiert.

WRR: Wie reagieren die Menschen in diesen kleineren Orten auf eure Gruppe?

Sibylle: Die Reaktionen sind überwiegend positiv. In Zwönitz (Stadt im Erzgebirge – Anm. d. Red.) zum Beispiel, wo die Freien Sachsen zu einer Demo aufgerufen hatten, wurden wir von den Einheimischen herzlich empfangen. Sie haben Kuchen für uns gebacken und waren froh, dass wir gekommen sind, um sie zu unterstützen.

WRR:  Und wie ist das bei euren Mahnwachen? Hier herrscht sicher nicht nur freundliches Beisammensein mit den Passant:innen?

Sibylle: Nein, leider kommt es häufiger vor, dass wir beschimpft oder angefeindet werden. Beleidigungen wie “ungefickte Weiber” oder “Schlampen” sind nicht selten. Aber ich halte daran fest: Wir müssen weiterhin sichtbar bleiben. Es ist wichtig, für die Demokratie und gegen Rechts einzustehen. Die meisten Menschen sind auf unserer Seite, auch wenn die wenigen Lauten es anders erscheinen lassen.

WRR: Du wurdest in der ehemaligen DDR geboren. Die AfD zieht häufig DDR-Vergleiche. Auch der Westdeutsche Björn Höcke, Landesvorsitzender der Thüringer AfD, spricht von “Stasi-Methoden” oder von der Bundesrepublik als “DDR 2.0“ Wie geht’s dir damit? 

Sibylle: Das ärgert mich enorm. Wer von “Stasi-Methoden” redet, hat die Stasi nie erlebt. Die DDR mit dem zu vergleichen, was heute ist, ist schlichtweg absurd. Ich erinnere mich an Zeiten, als zwei Männer in Ledermänteln vor unserer Haustür standen, weil wir West-Besuch hatten. Oder als mich im Zug aus Budapest nach Deutschland eine Beamtin ansprach, weil ich mich mit Westdeutschen in Ungarn getroffen hatte. Das wusste sie offenbar und kam gezielt auf mich zu. Mit in meinem Abteil saßen DDR-Turniertänzerinnen. Die Beamtin forderte mich auf, auf die Zugtoilette zu gehen und verlangte dort, dass ich mich komplett nackt ausziehe. Das waren echte Stasi-Methoden. Wer heute von “Stasi” spricht, weiß gar nicht, wovon er redet.

WRR:  Was bedeutet es für dich, bei den “Omas gegen Rechts” dabei zu sein?

Sibylle: Für mich ist es wichtig, dass wir nicht nur gegen etwas sind. Wir stehen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die “Omas gegen Rechts” sind für mich eine Gemeinschaft, die Hoffnung gibt. Durch diese Arbeit habe ich das Gefühl, dass die Machtlosigkeit, die ich zuvor oft verspürt habe, verschwindet.

WRR: Was hilft dir, dich trotz der Herausforderungen weiterhin zu engagieren?

Sibylle: Es hilft mir, dass ich immer jemanden habe, mit dem ich sprechen kann. Diese Gemeinschaft bei den ‘Omas’ ist unglaublich stark. Wir reden viel miteinander, aber das ersetzt natürlich nicht die echte Veränderung, die in der Politik passieren muss. Trotzdem gibt uns unsere Arbeit das Gefühl, etwas bewirken zu können. Und das ist wichtig.

WRR: Was wünschst du dir für die Zukunft?

Sibylle: Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft wieder mehr zusammenkommen, dass wir aufhören, uns zu spalten. Dass die Menschen erkennen, dass sie sich nicht von Hass und Lügen leiten lassen dürfen. Die Arbeit der “Omas gegen Rechts” wird weitergehen, und ich hoffe, dass wir noch viele Menschen erreichen können, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten.

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