Das war Jahr 1 des Newsletters
Hi,
was für eine Woche.
In Deutschland ist die Ampel-Regierung, aller Wahrscheinlichkeit nach, Geschichte. Und während wir diese Zeilen schreiben, wissen wir nicht, ob sich - bis du das hier liest - nicht noch drei mal etwas ändert und die Eilmeldungen heiß laufen.
In den USA wird Donald Trump neuer Präsident, nachdem er zuletzt sprachlich eskaliert ist und sogar mit faschistischen Aussagen (Öffnet in neuem Fenster) Wahlkampf gemacht hat.
Besondere Sorgen bereitet uns, dass Deutschland den USA und ihren gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen oft nur mit wenig Verzögerung nachfolgt.
Und wie das aussehen könnte, das zeigt - ebenfalls diese Woche - gerade ein Blick nach Sachsen. Den wollen wir hier mal kurz vertiefen, weil er im Geräuschpegel der großen Umbrüche vielleicht untergegangen ist:
Dort wurden diese Woche acht Mitglieder im Alter von 21 bis 25 Jahren der sogenannten “Sächsischen Separatisten” festgenommen - eine mutmaßlich rechtsextremistische terroristische Vereinigung.
Laut der Generalbundesanwaltschaft handle es sich um eine aus “fünfzehn bis zwanzig Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt” sei.
Nicht nur verbinde die Mitglieder eine tiefe Ablehnung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands, wie es in einer aktuellen Pressemitteilung (Öffnet in neuem Fenster) der Generalbundesanwaltschaft heißt - nein, für die Vereinigung stehe zudem außer Zweifel, dass Deutschland vor einem “Kollaps” stehe und an einem, wenngleich zeitlich noch unbestimmten “Tag X”, der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch eintreten werde.
Deshalb plante die Gruppierung offenbar mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern zu erobern, “um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten”. Die Mitglieder hätten zudem geplant, unerwünschte Menschengruppen “durch ethnische Säuberungen” aus der Gegend zu entfernen.
Teil der Sächsischen Separatisten sind mutmaßlich zwei AfD-Parteimitglieder. Die Leipziger Volkszeitung und die Sächsische Zeitung (Öffnet in neuem Fenster) schreiben, dass einer von ihnen der AfD-Kommunalpolitiker Kurt Hättasch sei. Er sitze für die AfD in Grimma im Stadtrat, sei zudem Kreisvorstandsmitglied im AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig und Schatzmeister des AfD-Nachwuchses Junge Alternative in Sachsen.
Und wie reagiert die AfD? Sie distanziert sich und erklärt, dass die Handlungen der Personen nichts mit der Partei zu tun hätten. Das sieht die Journalistin Antonie Rietzschel anders, sie kommentiert (Öffnet in neuem Fenster): “Als seien paramilitärische Übungen für einen ‘Tag X’ Privatsache”. Dazu komme, dass in der AfD die Ideologie von Hättasch lange bekannt gewesen sei, es aber trotzdem keine Konsequenzen für ihn gegeben habe, er sogar hofiert wurde: “Dass Kurt Hättasch bei einer Sonnenwendfeier anwesend war, bei der einem SS-Standartenführer gehuldigt wurde, war öffentlich bekannt: Doch es störte niemanden. Im Gegenteil: Die AfD schlug ihn in Grimma als stellvertretenden Bürgermeister vor.”
So, das war’s der langen Vorrede. Um was geht es diese Woche?
Nicht um (extrem) rechte Sprache, da müssen wir dich leider enttäuschen: 🥲
Damit richten wir uns vor allem an unsere erstmaligen Newsletter-Leser:innen, die nach ihrer Kennenlern-Mails jetzt richtigen Content wollten - und der kommt auch, aber erst kommende Woche (versprochen!).
Wir wollen stattdessen heute was anders machen:
Wir feiern ein Jahr Newsletter!
Das ist unsere 52. Ausgabe - und es war erstaunlich viel Arbeit. Deswegen hoffen wir, du verzeihst uns, wenn dir die Gelegenheit nutzen, das Jahr Revue passieren zu lassen und uns auch ein paar Fragen für die Zukunft zu stellen.
Die Statistik ist sehr wahrscheinlich ein wenig verzerrt, denn das sind Themen, die wir vor allem zu Anfang beackert haben.
Damals haben noch hauptsächlich Freund:innen und Familie mitgelesen - und die öffnen ja bekanntlich jeden Artikel! 😉 Trotzdem sind sie gut recherchiert und wir freuen uns, wenn sie noch viel mehr Menschen lesen!
Aber auch unsere anderen Artikel lohnen sich natürlich, stöbert euch gern mal durch das Archiv (Öffnet in neuem Fenster).
Wir haben dieses Jahr aber nicht nur Erklärstücke geschrieben, sondern auch acht Interviews mit Expert:innen geführt. Drei davon möchten wir euch nochmal besonders ans Herz legen, weil sie sich mit Themen befassen, die auch uns weiterhin Kopfzerbrechen bereiten.
Wie rechts redet Sahra Wagenknechts BSW? (Öffnet in neuem Fenster)Ein Interview mit Sarah Wagner. Die Forscherin hat uns erklärt, worin sie die Gründe für Wagenknechts Erfolg sieht und inwiefern sie ihre Sprache zumindest als rechtspopulistisch bezeichen würde.
👉 Die Erfolge der Wagenknecht-Partei bereiten uns zunehmend Kopfzerbrechen, weil sie das Narrativ einer Partei des “gesunden Menschenverstands” stärken. Und somit allen Menschen, die sie nicht wählen und ihren teilweise kruden Forderungen nicht folgen, eben jenen Menschenverstand absprechen (übrigens ein Narrativ, das natürlich auch die AfD bedient).
Raus aus der Badewanne, Olaf! (Öffnet in neuem Fenster) Ein Interview mit dem Rhetoriktrainer Malte Krüger. Malte erklärt im Gespräch, wie “Gegenrede” für ihn aussehen kann und worin er die Grundvoraussetzungen dafür sieht. Seine Prämisse: ackern, üben, feilen, laut sein.
👉 Immer wieder wünscht ihr euch von uns, dass wir euch sagen, was man auf extrem rechte Narrative antwortet. Und diese Newsletter-Ausgabe war ein Versuch, diese “Lösung” zu präsentieren. Nur leider liegt sie in einem Übungsmarathon, der uns allen abverlangt, uns dauerhaft mit der Neuen Rechten zu beschäftigen und uns über sie zu informieren. Raus aus der Komfortzone also, raus aus der Badewanne!
Wie die Berichterstattung über die Klimakrise rechte Narrative fördert (Öffnet in neuem Fenster)- ein Intervew mit Klimajournalistin Sara Schurmann. Sara legt den Finger im Interview in eine offene Wunde - auch wirMedien tragen dazu bei, dass rechte und rechtsextreme Narrative reproduziert werden. Das Gute: Sara gibt direkt Anregungen, was man dagegen tun kann.
👉 Die Rolle der Medien beschäftigt uns als ehemalige (Maria) und aktuelle (Johannes) Journalist:innen im Zusammenhang mit der Neuen Rechten sehr. Es gibt für Redakteur:innen viele Fallstricke, die von Expert:innen an zahlreichen Stellen thematisiert werden. Noch immer gibt es aber Medienhäuser, die dieses Wissen nicht nutzen - und so dazu beitragen, Neurechte zu stärken.
Ein paar Gedanken und ein Ausblick auf Jahr 2
Der Newsletter hat mittlerweile über 2.600 Abonnent:innen. Das freut uns, weil es heißt, dass unsere Arbeit Menschen erreicht, unsere Texte gelesen werden.
Uns treiben allerdings immer wieder dieselben Fragen um:
Wie erreichen wir Menschen, die nicht in der gleichen Blase sind?
Wie können wir uns außerhalb des Newsletters gegen Rechts engagieren - und im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas bewirken?
Wir haben dafür zwei Antwortideen im Kopf, was wir 2025 angehen möchten - nagelt uns aber bitte nicht fest - und helft uns gern, wenn ihr könnt!
Wir möchten 2025 den Newsletter um einen Youtube-Kanal erweitern. Weder die Frequenz, noch die genauen Inhalte oder das Format sind gesetzt. Ob wir das neben unserem Broterwerb überhaupt zusätzlich leisten können, ist auch noch unklar. Aber es ist eine Idee, um mehr Multiplikator:innen für unsere Inhalte zu erreichen und wir haben Bock drauf!
Warum Youtube und nicht ein anderes Social Medium?
Youtube bietet die Möglichkeit, komplexere Inhalte zu erzählen, ohne schnell und dadurch oberflächlich sein zu müssen. Es ist aber trotzdem ein visuelles Medium, das uns helfen kann, unsere Texte auch für Menschen, die nicht gerne lange lesen, aufzubereiten und zugänglich zu machen.Wie wir in vielen unserer Newsletter aufgezeigt haben, arbeitet die Neue Rechte enorm professionell. Es handelt sich dabei nicht nur um eine gedankliche Strömung oder um eine Bewegung, sondern vor allem um ein großes Netzwerk. Eins ihrer Gimmicks sind Sharepoints, über die sie Werbematerialien, Profilbildgeneratoren, Memes, Musik, Flyer, Plakate und alles mögliche andere zur Verfügung stellen.
Unsere Idee ist, dass wir einen progressiven Sharepoint aufbauen. Auf dem demokratische Materialien gesammelt werden und die wir dann zum Teilen und Nutzen jeglicher Art bereit stellen.
Hier sind wir auf Mithilfe angewiesen. Weder haben wir das technische Know-how noch verfügen wir über diese weitreichenden Materialien. ❗️Wenn ihr also eine Person kennt oder selbst Hilfe bieten könnt, dann meldet euch bei uns unter wierechtereden@proton.me.
Aber nochmal: Das Skizzierte sind bislang nur grobe Ideen. Also schreibt uns bitte keine enttäuschten Mails, wenn wir sie doch nicht umsetzen oder die Umsetzung länger braucht als wir dachten 😅
Zuletzt: Trotz unserer mittlerweile 119 Untersützer:innen (VIELEN VIELEN DANK!!) ist der Newsletter ein Neben- und oft Spätabendprojekt zu unseren Vollzeitjobs. Bitte seht uns deshalb nach, wenn wir zuerst bei unseren Leisten bleiben: Den Newsletter jede Woche ordentlich in euer Postfach zu bekommen, wird deshalb weiter unsere Hauptaufgabe sein.
Wenn du Narrative hast, die wir auseinanderklamüsern sollen oder Expert:innen, von denen du dir ein Interview wünschst - dann schreib uns ebenfalls eine Mail!
Heute ist der 9. November 2024. Wehret den Anfängen!
Und bleibt achtsam miteinander ❤️
Johannes & Maria
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