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Der Traum von der Querfront

Hallo Leute,

die Correctiv-Recherche hat ordentlich etwas in Gang gebracht, oder?

Jetzt ist es am Rest der Bevölkerung zu zeigen, dass die über 100.000 Menschen die vergangene Woche bundesweit auf der Straße waren nicht nur aufgrund der medialen Aufmerksamkeit mobilisiert werden konnten, sondern langfristig für die Demokratie einstehen - auf der Straße und in den Wahlkabinen.

Wo ihr auch in denn nächsten Tagen demonstrieren könnt, haben wir euch unten verlinkt. ✊

Passt auf euch auf, fahrt vorsichtig und bleibt achtsam miteinander ⛄️

Worum geht’s diesmal?

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist da. Und viele fragen sich: Wer wählt die Partei?

Auch wir wollen uns diese Woche mit ihr beschäftigen, genauer: mit der Namensgeberin. Denn Wagenknecht ist schon lange, obwohl Galionsfigur der Linken, auch rechts angesehen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage (Öffnet in neuem Fenster) aus dem vergangenen Jahr. Darin wurden Sympathien abgefragt. Die Skala: -5 bis +5. Unter AfD-Wähler:innen erreichte Wagenknecht eine +2.

Knapp hinter Alice Weidel, der Parteivorsitzenden, die eine +3 erreichte.

Auch in der Führungsriege der AfD genoss Wagenknecht lange hohes Ansehen. Höcke nannte sie beispielsweise in einer Rede “beherzt”, “mutig” und “auf einem guten Weg”. Um wenige Sätze später das zu sagen (Öffnet in neuem Fenster):

“Ich würde es mir wünschen und ich glaube, ihr würdet es euch auch wünschen: Ich bitte Sie [Sahra Wagenknecht], kommen Sie zu uns. Mit uns können Sie die Politik machen, von der Sie in der Linken nur träumen.”

Wovon Höcke hier träumt, ist eine Querfront.

Was das ist und was sie mit Wagenknecht zu tun hat – darum geht es in dieser Ausgabe.

Wer spricht da?

Die Querfront-Idee ist nicht neu, sie stammt aus der Zeit der Weimarer Republik (Öffnet in neuem Fenster) und wird heute vom Rechtspopulismus aufgewärmt. Vorangetrieben unter anderem von Götz Kubitschek, der eine Querfront im Magazin “Sezession” herbeiträumt (Öffnet in neuem Fenster).

Dort schreibt er: “Um es gleich zu sagen: Aus der erträumten Querfront wurde an diesem Abend nichts, und das war abzusehen, schon bevor sich die beiden Gruppen sammelten.” Im Text beschreibt Kubitschek eine Demo in Leipzig gegen die Einmischung Deutschlands in den Krieg in der Ukraine. Doch darum soll es hier nicht gehen.

Stattdessen eine Einordnung zu Götz Kubitschek: Er ist rechter Ideologe und finanziert den Verein Ein Prozent e.V. und hat das Institut für Staatspolitik (IfS) mitgegründet. Das IfS gilt als Ideenschmiede der Neuen Rechte und Veranstalter rechter Kongresse.

Der Verein und das Institut stehen im Zentrum des Netzwerks der Neuen Rechte. So haben das die Journalisten Christian Fuchs und Paul Middelhoff in ihrem gleichnamigen Buch aufgeschrieben (Öffnet in neuem Fenster). Dazu haben sie auch eine Karte veröffentlicht, das viele von ihnen recherchierte Verbindungen in diesem Netzwerk aufzeigt. Verein und Institut sind vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsexstremistische Bestrebungen eingestuft. (Öffnet in neuem Fenster)

Und Götz Kubitschek leitet auch den Verlag Antaios, vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft. Dort werden regelmäßig die Werke rechtsextremer Protagonist:innen, wie Björn Höcke oder Angehörige der Identitären Bewegung veröffentlicht. Im Verfassungsschutzbericht heißt es: “Im Verlagsprogramm fanden sich […] Publikationen, in denen die auf Verschwörungstheorien basierende Idee des ‘Großen Austauschs’, beziehungsweise das Ideologiemerkmal des Ethnopluralismus, thematisiert wurden.”

Haus- und Hofpublikation von Antaios ist - und nun kommen wir zur Quelle des oben stehenden Zitats zurück - die Sezession. Darin schreibt Kubitschek regelmäßig selbst und bezeichnet sie als rechtsintellektuell (Öffnet in neuem Fenster): “Vieles, was an der AfD und an anderen Widerstandsprojekten grundsätzlich, kompromißlos, nicht verhandelbar und angriffslustig wirkt und ist, wurde in unserer Zeitschrift vorausgedacht, ausformuliert und in die Debatte erst eingespeist.”

So auch die Idee der Querfront. Zu ihr finden sich einige weitere Verweise im Archiv.

Das Narrativ dahinter

Eine Querfront ist ein Zusammenschluss über politische und ideologische Lagergrenzen hinaus. Sie versucht linke und rechte Positionen, also quer zur Links-Rechts-Dichotomie (Öffnet in neuem Fenster), zu vereinen. Dazu schreibt der Sozialwissenschaftler und ehemalige Chefredakteur der Frankfurter Rundschau Wolf­gang Storz, dass Anhänger:innen der Idee eine “Beschäftigung mit und Sorge um nationale Identität und Souveränität und eine tiefe Skepsis bis Ablehnung demokratisch-liberaler Gesellschaftsentwürfe” vereine.

👉 Es geht also um gemeinsame Feindbilder.

Storz erklärt: “Der ebenfalls identitätsstiftende ‘Feind’ sind ‘die da oben’, also herrschende nationale und internationale Eliten, die sich, so die Sichtweise, nur ihren egoistischen Eigeninteressen verpflichtet sehen und gegen ‘Volks-Interessen’ handeln.” Dazu gehörten Medien, Bürokratien, Parlamente.

Großer Fürsprecher der Querfront ist auch Jürgen Elsässer. Er war sich in einer Rede sogar nicht zu schade, Marx zu versatzstücken: “Proletarier und Patrioten aller Länder, vereinigt euch.” Auch in seinem rechtsextremen Compact-Magazin pusht er die Idee. 2022 hob er Wagenknecht sogar auf das Cover. Dort stand (Öffnet in neuem Fenster): “Die beste Kanzlerin. Eine Kandidatin für Links und Rechts.”

Warum die Querfront für Rechte verlockend ist, wird im Beitext deutlich. Da steht, dass Wagenknecht derzeit Deutschlands zweitbeliebteste Politikerin sei und mit einer eigenen Partei bis zu 30 Prozent abräumen könnte. Und weiter: “Zusammen mit der AfD würde das zu einer Querfront-Mehrheit reichen.”

👉 Es geht auch um machtstrategisches Kalkül.

Dass viele Rechte Sahra Wagenknecht als Bestbesetzung für ein Links-Rechts-Bündnis halten, ist kein Zufall. Die Taz berichtete (Öffnet in neuem Fenster) über einen offenen Brief dreier Linkenpolitikerinnen. Sie hatten einen Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion gefordert. Unter anderem für ihre “Glorifizierung der nationalistischen Demonstration in Prag, wo es das offene Bündnis von extremer Rechter, Impfgegnern und Kommunistischer Partei gab”. Einer Querfront sozusagen.  

Eine Studie (Öffnet in neuem Fenster) aus dem Jahr 2022 zeigt zudem, dass es große Überschneidungen mit potenziellen Wagenknecht- und bestehenden AfD-Wähler:innen gibt. Wer sich nicht durch die wissenschaftliche Literatur arbeiten möchte, kann das Gespräch einer der Autor:innen, Sarah Wagner, mit Publizistin Katharina Nocun hören (Öffnet in neuem Fenster). Dort erzählt Wagner, dass es in Deutschland grundsätzlich ein Vakuum für eine Partei mit linken wirtschaftlichen und gesellschaftspolitisch konservativen Positionen gebe. Wie das Bündnis Sahra Wagenknecht.

Die Partei würde Wagner zufolge vor allem bei Menschen aus den neuen Bundesländern ankommen und bei Menschen, die kulturell rechts eingestellt seien. Bezogen auf die Landtagswahlen in diesem Jahr sagt die Politologin, dass das BSW der AfD viele Stimmen abnehmen könnte. “Ich glaube, es gibt großes Mobilisierungspotenzial bei AfD-Wähler:innen, die noch keine Stammwähler:innen geworden sind.” Das zeigen derzeit auch erste Umfragen (Öffnet in neuem Fenster), die das BSW einschließen - hier kommen AfD und BSW bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl zusammen auf 32 Prozent.

👉 Der Querfront-Gedanke ist also auch Schutz vor einer starken Konkurrenz. Will Wagenknecht nicht mit der AfD gemeinsam regieren, verliert die AfD unschlüssige Wähler:innen an die BSW.

Nun hat Wagenknecht tatsächlich eine eigene Partei gegründet und eine Kooperation mit der AfD ausgeschlossen. Sie wolle eine Alternative zur selbsternannten Alternative (Öffnet in neuem Fenster) sein. In der Bundespressekonferenz (Öffnet in neuem Fenster) zu ihrem Bündnis sagte sie im Oktober: “Selbstverständlich werden wir keine gemeinsame Sache mit der AfD machen.”

Seitdem ist der Ton ihr gegenüber aus dem rechten Lager rauer geworden. Im Shop des Compact-Magazins gibt es beispielsweise die unautorisierte Biografie Wagenknechts zu kaufen, Die Rote Diva. In einem Gespräch mit dem Autor zeigt sich Elsässer enttäuscht über die “schroffen Abgrenzungen” Wagenknechts.

Das Video heißt entsprechend Aufstieg und Fall der Sahra W (Öffnet in neuem Fenster). Diese Stimmung findet ihr Echo in den Kommentaren darunter. Viele Aussagen klingen so und ähnlich: “Es gab eine Zeit, da war  Wagenknecht für mich die glaubwürdigste und intelligenteste Politikerin. Das ist vorbei.”

Die Querfront wird von Rechts nicht nur aus Gründen des Machterhalts wegen verfolgt. Es geht auch, wie bei vielen rechten Narrativen und Projekten, um eine Verharmlosung und Normalisierung der Ideologie. Eine öffentliche Zusammenarbeit mit linken Akteur:innen würde das erreichen, weil sie den Ursprung rechter Positionen verschleiern und zeigen würde, dass diese in anderen Lager ebenso gedacht werden.

👉 Es geht um Anschlussfähigkeit.

Mit der Beschwörung einer Querfront versucht sich die AfD, aus ihrer Isolierung am Ende des Spektrums zu befreien – in die sie sich in den vergangenen Jahren mit personeller und thematischer Radikalisierung hineinmanövriert hat. Klar: absichtlich. Das Ziel war lange, sich fernab des Establishments zu positionieren. Jetzt will die AfD aber handlungsfähig, ja regierungsfähig, werden.

Aus aktuellem Anlass wollen wir diese Woche Zusammen gegen Rechts (Öffnet in neuem Fenster) vorstellen. Eine Initiative von Campact e.V..

Auf der frisch aufgesetzten Webseite findet ihr aktuelle angemeldete Demos für das kommende Wochenende am 20. und 21. Januar - in einer zoombaren Deutschlandkarte.

Als kleinen Bonus gibt es noch eine Anleitung, wie ihr eine Demo in vier Schritten anmelden könnt.

Warum jetzt? Die Antwort Campacts, die wir so unterschreiben, lautet so:

“Die AfD hat ihr abscheuliches Gesicht gezeigt: Die Partei will alle Menschen vertreiben, die nicht zu ihrem rassistischen Gedankengut passen. […] Wir können die Rechte nur aufhalten, wenn wir uns als Gesellschaft zusammen gegen ihre menschenverachtende Ideologie stellen. Deshalb zeigen wir am Wochenende überall in Deutschland klare Kante gegen Rechts.”

Übrigens: Werdet gern Mitglied, wenn ihr unsere Arbeit unterstützen wollt!

Ab 1€ / Ausgabe.

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