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WeinLetter #100: Die Gert-Aldinger-Story, Teil 1

Liebe Weinfreund:in,

Du liest den WeinLetter #100. Heute gibt’s: den 100. Newsletter. Den großen Jubiläums-Newsletter! Freude. Demut. Grübeln, langes Grübeln. Was für ein Thema ist würdig genug zur Feier des “alten Sacks” WeinLetter? Was Normales machen? Zum Beispiel: Silvaner, die nicht aus Franken kommen. Hm. Super Thema, aber nicht zum runden Geburtstag. Oder mal wieder richtig zupacken: Analyse warum der VDP es gerade versemmelt? Zu negativ. Also habe ich mich für eine Idee entschieden, die WeinLetter-Autor Franz Untersteller und ich schon lange hatten: ein Besuch bei Gert Aldinger. Es ist eine Würdigung des Mannes, der Württemberg wieder auf die Spitzen-Weinkarte brachte. Es war ein intensives Gespräch mit Gert Aldinger über die extreme Krisenlage der Weinbranche, warum es demnächst 20 Prozent weniger Weinberge geben wird und es die Genossenschaften so nicht packen werden - und wie sein Weingut Innovation als permanenten Motor eingebaut hat. Zwei zentrale Sätze für mich: “Wir müssen den Rückgang managen. “ Und: “Du musst die Jungen ranlassen.”

Viel Spaß also mit dem ersten Teil des großen Gert-Aldinger-Interviews - Teil 2 kommt im nächten WeinLetter - und einer Würdigung des Weinguts durch Franz Untersteller. Und jetzt empfehlt (und shared) diesen WeinLetter bitte. Unterstützt den WeinLetter gerne auch finanziell und werdet aktives Mitglied! (Öffnet in neuem Fenster) Aber vor allem:

Trinkt friedlich!

Euer Thilo

“Die Branche ist viel zu träge. Ich vergleiche sie mit der deutschen Automobilbranche”: Gert Aldinger, Jahrgang 1956, vor dem Wappen des Weinguts in Fellbach, ist einer der besten Winzer Deutschlands. Vor sieben Jahren hat er den Betrieb offiziell an seine Söhne Matthias und Hansjörg übergeben FOTO: KLAUS GAMBER

Gert Aldinger: “Wir müssen den Rückgang managen!”

Interview Franz Untersteller und Thilo Knott

WeinLetter: Herr Aldinger, der Weinkonsum geht in Deutschland Jahr für Jahr zurück, sogar große VDP-Weingüter geben auf, die Rotwein-Überproduktion wird zu Industrie-Alkohol verklappt. Was ist da los?

Gert Aldinger: Zunächst muss man sagen: Deutschland war nie ein Weintrinkerland. Traditionell wurde in den Anbaugebieten Wein getrunken. Dann noch in den Hansestädten. Und vielleicht noch in Kirchengebieten. Das war’s. Wein war auch nie Teil der Esskultur wie in Frankreich und Italien. Das verändert sich auch in diesen Ländern sehr schnell – aber immerhin hatten sie eine Tradition.

Gerade im Bordeaux-Anbaugebiet roden sie Tausende Hektar Rebfläche, um die Überproduktion entgegenzuwirken. Was befürchten Sie für Deutschland?

Gert Aldinger: Ich sehe zunächst einmal für Württemberg die Lage so: Wir werden absehbar 20 Prozent der Rebflächen verlieren.

20 Prozent?

Gert Aldinger: Das wird zu 100 Prozent so kommen. Die Steillagen entlang des Neckars werden als erstes aufgegeben. Das kann niemand mehr bearbeiten, das ist völlig unrentabel geworden. Zumal hier zumeist Trollinger angebaut wird. Also eine Rebsorte von minderer Qualität, die heute auch keine wirtschaftliche Basis für einen Betrieb mehr abbilden kann.

Die Weinbergsteillagen werden als großes Kulturgut auch touristisch angepriesen. Ist das nicht mehr zu retten?

Gert Aldinger: In der Form nicht mehr. Wir müssen das jetzt managen. Wenn wir hier nichts tun, dann erleben wir eine komplette Verbuschung. Dann war’s das auch komplett mit dem Kulturgut. Die Büsche sprengen all die schönen Mauern weg. Dann bekommst du eine Dornenkultur.

Was ist zu tun?

Gert Aldinger: Ich würde hier roden und in großem Stil Solarpanele aufbauen. Du tust was für den Naturschutz, weil auch die Eidechse einen Unterschlupf findet und die Mauern erhalten bleiben.

Und das reicht?

Gert Aldinger: Nein. Es bedarf auch einer politischen Anstrengung. Meine Vision ist: Die EU müsste den Winzern 10 Jahre Brache zugestehen – und nicht nur sechs Jahre. Du kannst dann deine 30 Ar Weinberg roden und eine Biowiese kultivieren. So könnten sich die Böden optimal erholen. Und in zehn Jahren könntest du dann wieder sagen: Jetzt pflanze ich wieder Rebstöcke und mache eine andere Fläche frei. Diese Ökowiesen tun der ganzen Natur gut.

“Du musst die Jungen ranlassen”: Gert Aldinger (hinten) hat 2018 den Betrieb offiziell an seine Söhne Hansjörg, Jahrgang 1981 (links) und Matthias, Jahrgang 1981, übergeben. Doch schon seit 2007 sind sie im Betrieb und haben damals schon etwa den Keller übernommen FOTO: KLAUS GAMBER

Herr Aldinger, ist die Situation in der Weinbranche wirklich so schlimm?

Gert Aldinger: Ja, es betrifft vielleicht nicht in dem Maße die Top-Weingüter wie uns. Aber in Württemberg sind ja die Genossenschaften komplett abgestürzt. Hier in Württemberg machen Genossenschaften 72 bis 75 Prozent der Weinproduktion aus. Baden hat übrigens dasselbe Problem. Die Winzer der Genossenschaften hatten immer ihre 10.000 Euro pro Hektar, jetzt bekommen sie vielleicht noch 6.500 Euro. Da lohnt es sich wieder Frühkartoffeln anzupflanzen, weil hier die Erlöse deutlich höher sind. Das ist für mich das Sinnbild für den Niedergang. Früher wurden die Frühkartoffeln durch Rebstöcke ersetzt – jetzt geht es wieder rein in die Kartoffeln.

Was ist falsch gelaufen?

Gert Aldinger: Die Branche ist viel zu träge. Ich vergleiche sie mit der deutschen Automobilbranche. Die hat lange Zeit auch nicht erkannt, dass sie auf Innovationen und ökologische Betriebssysteme setzen muss. Ähnlich wie die Autobranche haben wir in den 80er Jahren ein saugutes Geld mit Trollinger verdient. Jetzt bauen wir nur noch fünf Prozent Trollinger an. Und wir schließen gerade die Umstellung auf Bio-Produktion ab. Du musst mit der Zeit gehen! Das haben viele Betriebe hier, nahezu alle Genossenschaften versäumt. Jetzt erzähle ich Ihnen mal, was ich eigentlich von Bio hielt.

Nichts?

Gert Aldinger: Ja, nichts. Ich habe mich lange gewehrt. Ich habe meinen Jungs gesagt…

…Matthias und Hansjörg, die anfang der 2010er Jahre den Betrieb übernommen haben…

Gert Aldinger: …ihr werdet euch zu Tode spritzen! Weil man nur mit Kontaktmitteln arbeiten darf, die es nach jedem Regen wieder weggespült hat. Und den Boden blast ihr auch noch mit Kupfer voll!

Und?

Gert Aldinger: Jetzt sage ich: Bio ist zielführend. Die Trauben sind sehr gesund. Es ist zwar kostenintensiver, weil wir mehr spritzen. Aber du schonst die Natur. Dass wir durch Bio rund 15 Prozent des Ertrags verlieren, passt in Zeiten von Überproduktion doch sehr gut. Denn das wird die Herausforderung sein: Wir müssen den Rückgang managen.

Was ist noch zu tun?

Gert Aldinger: Du musst die Jungen ranlassen. Von da kommt am wahrscheinlichsten Innovation. Wer führt denn die Genossenschaften? In den Vorständen und Aufsichtsräten sitzen vor allem die alten Wengerter. Die bleiben auf ihren Stühlen sitzen, bis sie 2,50 Meter tiefer gelassen werden. Das ist das größte Problem. Sie hatten als Winzer vielleicht mal eine sehr gute Ausbildung – zu ihrer Zeit. Seitdem haben sie sich nicht mehr groß verändert.

Hat Ihr Vater Sie einfach so rangelassen?

Gert Aldinger: Aber wie! Er hat mir den Keller schon bald nach meiner Ausbildung in der Weinbauschule übergeben. Hintenrum hat er immer gesagt: Der Junge macht das schon gut. Aber bei mir hat er immer dagegengehalten.

Heute lachen Sie darüber.

Gert Aldinger: Im Nachhinein. Als ich als Erstes in der Region nur einen Rebbogen geschnitten habe, ist mein Vater in den Weinberg gestapft und hat wieder zwei Ruten geschnitten. „Mach ich so“, raunzte er mich an. Wenn ich neue Rebsorten ausprobieren wollte – am Anfang zum Beispiel Merlot, Sauvignon Blanc, Cabernet Sauvignon oder Cabernet Franc – dann habe ich gewartet, bis mein Vater im Urlaub war, und habe dann schnell ein Stück gerodet und neue Rebstöcke gepflanzt. Klar war das ein Kampf der Generationen.

Lest im nächsten WeinLetter den zweiten Teil des Interviews mit Gert Aldinger - und Matthias Aldinger!

  • Wie die Aldingers von 200.000 Literflaschen im Jahr runterkamen

  • Warum der VDP die Basis nicht verlieren darf

  • Wie Gert Aldinger und seine Söhne Matthias und Hansjörg den Generationenwechsel hinbekommen haben

  • Und was Matthias Aldinger für den High-End-Markt vor hat

Brut Nature, Trollinger Rosé vom Untertürkheimer Gips, Lemberger vom Fellbacher Lämmler: Diese Bandbreite ist das Beste, was Württemberg hervorbringt FOTO: THILO KNOTT

Weingut Aldinger in Fellbach: Das ist Champions League. Eine Würdigung

von Franz Untersteller

Nach Jahren des Mittelmaßes und Abstiegsängste durfte der VFB Stuttgart im Herbst vergangenen Jahres endlich wieder einmal in der europäischen Champions League spielen. Luftlinie gerade einmal zwei Kilometer vom Neckarstadion entfernt – an den Namen MHP-Arena kann ich mich nicht gewöhnen -, spielen andere mit ihren erstklassigen Weiß- und Rotweinen sowie herausragenden Winzersekten seit vielen Jahren kontinuierlich auf Champions-League-Niveau.

Das Weingut Aldinger im Ortskern von Fellbach, vor den Toren der schwäbischen Metropole gelegen, gehört seit vielen Jahren zu den Top-Weingütern im Südwesten. Dabei ist es mir ein Leichtes zu behaupten, dass es selbst den Vergleich mit Spitzenbetrieben auf internationalem Niveau nicht zu scheuen braucht. Zu verdanken ist diese Entwicklung vor allem Gert Aldinger, der ab 1992 mit großer Fachkenntnis und einer ausgeprägten Leidenschaft für herausgehobene Qualitätsweine den Familienbetrieb im Remstal, einem Seitental des Neckars, zu einer Pilgerstätte für Freundinnen und Freunde exzellenter Weiß- und Rotweine gemacht hat.

2018 reichte der „König vom Kappelberg“ das Zepter des VDP-Vorzeigebetriebs offiziell an seine Söhne Hansjörg und Matthias Aldinger und damit an die 16. Weinbaugeneration weiter. Bis heute unterstützt er beide aber mit Rat und Tat. Entlang der Devise „Im Einklang mit der Natur“ hat er seinen Söhnen die Lust am perfekten Weinmachen mitgegeben.

Rund 35 Hektar Rebfläche bewirtschaften die Aldinger-Brüder heute in dem 1492 von einem gewissen Bentz der Aldinger von Aldingen gegründeten Weinbaubetrieb. Jahr für Jahr glänzen sie von neuem mit überragendem Chardonnay, Sauvignon Blanc und Riesling bei den Weißweinen sowie Lembergern, Spätburgundern sowie noch Rest-Trollingern bei den Rotweinen. Was lange als Nationalgetränk der Schwaben angesehen war, macht heute gerade noch 5 Prozent der Aldinger-Rebfläche aus.

Mit großer Regelmäßigkeit gehören unter Weinliebhabern seit vielen Jahren die Weiß- und Rotweine aus dem Hause Aldinger zum Besten, was das württembergische Anbaugebiet links und rechts vom Neckar samt seiner Seitentäler zu bieten hat.

Wichtigste Lage des traditionsreichsten Fellbacher Weinbaubetriebs ist der aus einem ehemaligen Gipssteinbruch hervorgegangene und gut 9 Hektar große „Untertürkheimer Gips“, die sich seit 1973 komplett im Familienbesitz befindet. Heute steht die Lage „Gips“ für ausgesprochen trockene, mineralische und eigenständische Weine. Beispielsweise reifen hier Große Gewächse wie der Gips-Riesling „Marienglas.

Um zu verstehen, wie hochwertig und vielschichtig das Weingut aufgestellt ist, stelle ich hier zwei Weine vor und einen Sekt. Dürfte man ihn Champagner nennen, würde man ihn Champagner nennen.

Der Maybach unter Württembergs Trollingern

Der Wein: Trollinger Untertürkheimer Gips Rosé Erstes Gewächs 2022, Spontanvergärung bei 15-20°C; Ausbau 15 Monate im Barrique; 13% Vol.; Restzucker 1,3g/L; Säure 6,1g/L; Lagerfähigkeit 6-12 Jahre; Preis 0,75L/100 Euro. FOTO: THILO KNOTT

Aus der Großen Lage Gips stammt auch der Maybach unter Württembergs Trollingerweinen, der „Untertürkheimer Gips Trollinger VDP Erste Lage trocken Rosé“. Um daraus aber einen Rosé zu machen, war es erforderlich ihn herabzustufen – von einem Großen Gewächs auf eine erste Lage. Die Idee dahinter ist, aus dieser aus der Zeit gefallenen Rebsorte für schwäbische Viertelesschlotzer einen absolut außergewöhnlichen Wein zu machen. Der von alten Reben stammende Trollinger Rosé wird direkt nach der Lese gepresst und spontan vergoren. Ausgebaut wie ein großer Burgunder-Chardonnay wird er anschließend in neuem Barrique zur Reife gebracht und schließlich in dunklen Flaschen abgefüllt. Lediglich 500 Flaschen gibt es, was den außergewöhnlichen Preis von 100 Euro erklärt.

In der Nase zeigt dieser außergewöhnliche Wein einen rauchigen Charakter, gefolgt von weißem Pfirsich und ein wenig Grapefruit. Am Gaumen besticht er durch eine leicht salzige Mineralität und sehr angenehme Säure und erinnert auch hier an Pfirsich und Grapefruit. Ich bin mir sicher: Es ist ein Trollinger, wie es keinen Zweiten in ganz Württemberg gibt!

Neben dem Flaggschiff „Untertürkheimer Gips“ mit direktem Blick auf den VfB-Fußballtempel Neckarstadion haben Aldingers ihre Rebflächen in weiteren hervorragenden Wein-Lagen, die hier nur auszugsweise wiedergegeben werden können: der Fellbacher Goldberg, der Uhlbacher Götzenberg, der Fellbacher Lämmler – Heimat des nachfolgend vorgestellten gleichnamigen Lembergers, Stettener Mönchberg und die für ihre bunten Mergel und Schilfsandsteinböden in Württemberg bekannte Lage „Stettener Pulvermächer“. Beide letztgenannten sind Bodenformationen, die beste Voraussetzungen für Aldingers fruchtige und zugleich feingliedrige Rieslinge bieten.

Aldingers „Lämmler“ ist ein Lemberger in Perfektion

Der Wein: Lämmler Fellbach Lemberger VDP Grosses Gewächs 2022; 13,5% Vol.; Restzucker 2,9g/l; Säure 7 g/l; Lagerfähigkeit 10-15 Jahre; Preis: 0,75l, 45 Euro. FOTO: THILO KNOTT

Hinter Lemberger und Blaufränkisch verbirgt sich die gleiche Rebsorte. Hierzulande ist ihr Anteil mit 1,7 Prozent der Rebfläche sehr gering, was vor allem daran liegen dürfte, dass Lemberger wegen seiner klimatischen Ansprüche und seiner guten Kalkverträglichkeit fast ausschließlich im Südwesten und hier wiederum schwerpunktmäßig entlang des Neckars und in dessen Seitentälern zu finden ist. Wie dominant das württembergische Anbaugebiet beim Lemberger ist, zeigt sich daran, dass von den bundesweit 1.917 Hektar im Jahr 2023 über 1.757 Hektar hier beheimatet waren.

Große Verbreitung findet die Traube - dann aber unter dem Etikett Blaufränkisch - vor allem im österreichischen Burgenland, am Neusiedlersee sowie im ungarischen Sopron und Villány. Wegen ihres frühen Austriebs gelten die Reben als besonders anfällig für Spätfrost. Ihre dickschaligen Beeren sind zum Leidwesen hiesiger Weinbaubetriebe überaus anfällig für Mehltau.

Lemberger zeichnen sich durch eine dunkle Farbe aus. Sie sind gerbstoffreich, haben aber zugleich eine feine Säure und duften nach Waldbeeren, Zwetschgen und Kirschen. Am Gaumen zeigen viele Lemberger neben roten Beeren auch den Geschmack von Pilzen und Lakritz.

Ein prominenter Platz in der vordersten Reihe unter Württembergs Lembergern gebührt seit vielen Jahren Aldinger‘s „Lämmler“. In der Nase bietet der Wein einen Streifzug durch dunkle, vollaromatische Beerenfrüchte. Man riecht intensiv Aromen von Cassis, reifen Brombeeren und ein wenig Zartbitterschockolade. Am Gaumen zeigen sich eingewoben in eine perfekte Tanninstruktur wiederum intensive Fruchtaromen reifer Kirschen, schwarzer Johannisbeere und Schlehe. Genuss pur zeigt sich auch in einem überaus langen Abgang.

Nach der Traubenlese erfolgt zunächst eine lange Maischegärung in französischen Holzgärständern mit 60% ganzen Trauben. Anschließend wird der Lämmler dann knapp anderthalb Jahre lang in Barriquefässern – davon 40% neue Fässer – ausgebaut. Das Ergebnis ist schlicht eine Wucht! 

Der „Brut Nature“: Württembergs Antwort auf „Krug“- Champagner?

Der Sekt: Aldinger Brut Nature VDP.Sekt.Prestige Winzersekt 2018, traditionelle Flaschengärung; Restzucker 3,4g/L; Säure 9,1g/L, 12% Vol.; Preis: 0,75L/60 Euro. FOTO: THILO KNOTT

In Anlehnung an die Champagner der weltbekannten Reimser Edelmarke sprechen manche Zeitgenossen bei Aldingers „Brut Nature“ Sekt gar vom württembergischen „Krug“. Ob man bei der Bewertung so hoch einsteigen muss, sei dahingestellt, aber zweifelsohne gehört er zum Besten, was es an deutschen Winzersekten gibt und muss deshalb den Vergleich mit Top-Champagnern aus dem Nachbarland tatsächlich nicht scheuen.

Seine Trauben stammen von den kargen Böden der erwähnten Einzellage Untertürkheimer Gips. Die Cuvée des Jahrgangs 2018 beruht auf 58 Prozent Chardonnay, 21 Prozent Pinot Noir und 21 Prozent Pinot Meunier. Nach der Vergärung der getrennt gelesenen bzw. gepressten Trauben erfolgte ein zehnmonatiger Ausbau in gebrauchten Barriquefässern. Lediglich 2.300 Flaschen des Grundweins wurden dann im Juni 2019 zur zweiten Gärung in Flaschen gefüllt. Guter Sekt braucht seine Zeit, weshalb er - in der Zwischenzeit handgerüttelt - erst 2024 nach einem fünfjährigen Hefelager degorgiert wurde. Im Glas präsentiert sich der Brut Nature mit einer außergewöhnlich feine Perlage und einer strahlenden Frische. Am Gaumen erinnert er an feinste Kernobst-Aromen und zeigt sich mineralisch und zugleich schön cremig. Geduldige können diesen besonderen Sekt bis zu 20 Jahren lagern.

Zwei Stunden nahm sich Gert Aldinger (mitte) Zeit, um mit WeinLetter-Autor und Ex-Umweltminister Franz Untersteller (rechts) und dem WeinLetter-Herausgeber über die Lage der Weinbranche und sein Lebenswerk zu sprechen. Und da das Gespräch in der Probierstube stattfand, probierten wir auch: Top-Sekt “Brut Nature”, einmal Chardonnay “Hanweiler Maien”, einmal Chardonnay “Untertürkheimer Gips”, zum Schluss Lemberger Großes Gewächs vom Fellbacher Lämmler. Die Chardonnays sind als “Erstes Gewächs” gekennzeichnet. Der “Gips” ist ein absoluter Top-Chardonnay. Ist Aldinger nicht ein VDP-Betrieb? “Der VDP erlaubt in Württemberg kein Großes Gewächs bei Chardonnay.” Man sieht Gert Aldinger an, dass er dafür kein sonderlich großes Verständnis mehr entwickeln wird. Und dass er auch zu weinpolitischen Fragen kein Blatt vor den Mund nimmt, steht im WeinLetter #46: Begräbt die EU den deutschen Wein? (Öffnet in neuem Fenster) FOTO: WEINLETTER

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