Weil sie so sind!
Ellou zeigt diverse Kinder – ein Herzensprojekt für Designerin Anica Korte
Die Meerjungfrau ist Schwarz, auf dem Dino reitet ein Mädchen und der Junge auf dem Puzzle hat eine Beinprothese: So weit, so normal. Oder auch nicht. Weil die Hamburger Kommunikationsdesignerin Anica Korte solche Designs nicht im Laden entdeckte, entwarf sie selbst Postkarten, Poster, Malbücher und Puzzles, die nicht nur gesunde, schlanke, weiße Kinder zeigen. Sondern Kinder, wie sie eben so sind. Große, kleine, dicke, dünne, mit unterschiedlichen Hautfarben, mit und ohne körperliche Einschränkungen. Ein Gespräch über Visionen.
Deine Idee zu Ellou ist aus persönlichen Erfahrungen heraus entstanden, richtig?
Genau. Es ist ja so, dass ich zwei Schwarze Kinder habe, und als meine Tochter 2017 Geburtstag feiern wollte, war es tatsächlich so, dass ich keine Einladungskarten gefunden habe, auf denen auch Kinder abgebildet sind, die nicht weiß sind. Als Designerin, die ein bisschen illustrieren kann, kam ich irgendwann an den Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich mache es selbst. Ich habe im Handel einfach zu wenig gefunden, und ich hatte auch keine Zeit, in allen Läden zu stöbern. Ich habe dann erste Illustrationen gemacht, habe recht schnell gutes Feedback bekommen und fragten nach. So ergab es sich, dass ich weitergemacht habe. Wir hatten damals eine Gruppe in Hamburg, die Afrokids, in der sehr viele Eltern genau dasselbe Bedürfnis hatten. So ist die Idee entstanden und ich habe Ellou gegründet. Die ersten Motive waren Astronaut*innen, Meerjungmenschen, Weihnachtsmotive. Das ist so nach und nach ein bisschen gewachsen.
Fotos: privat
War Dir das Problem auch schon vor der Geburt Deiner Kinder aufgefallen?
Mein Mann ist ja Schwarz, er stammt aus Nigeria, und als wir anfingen, über diese Themen zu sprechen, als ich schwanger mit meiner Tochter, unserem ersten Kind, war, haben wir diese Themen vertieft. Wir haben viel über Rassismus gesprochen, der ja gerade im deutschsprachigen Raum sehr präsent ist. Wir hatten uns damals in London kennengelernt, und damals war das nicht so. Ich hatte vielleicht auch nicht so den Focus drauf, aber allein die Kinderbücher waren schon viel diverser. Als ich schwanger war, schaute ich nach Büchern, in denen sich meine Tochter vielleicht einmal wiederfinden könnte. Und da war nicht viel. Ich habe auch kaum Spielzeug gefunden, das ein schwarzes Kind repräsentiert. Ich musste mir viel zusammensuchen und teils aus England schicken lassen.
Als ich selbst anfing, die Karten zu machen, war der Focus noch größer und es ist mir noch mehr aufgefallen, dass es hier ein Need gibt von Menschen, die nicht weiß sind oder die generell aus Kindermedien ausgeklammert werden wie zum Beispiel behinderte oder einfach dicke Menschen. Dicke werden häufig als faule Pizzaesser dargestellt. Hier findet eine Marginalisierung statt.
Wie ist Dein Mann mit dem Rassismus umgegangen?
Also es ist natürlich so, dass es ein Unterschied ist zu London. Er hat viele rassistische Erfahrungen machen müssen, ihm wurden Türen vor der Nase zugehalten, ihm wurde vor die Füße gespuckt, das N-Wort ist gefallen. Vieles war sehr krass, vieles auch subtil. Wir stehen an der Ampel, eine Frau auf der anderen Straßenseite sieht ihn und hält ihre Handtasche nochmals fester. Ich persönlich wurde nicht angefeindet.
War es eine Überlegung zurück nach London zu gehen?
Ja, da hat man schonmal drüber nachgedacht. Aber der Arbeitsmarkt in Hamburg war einfacher in unseren Bereichen. Ich als frische ausgebildete Kommunikationsdesignerin hatte hier bessere Möglichkeiten. In London verdient man als Junior Designer wenig oder nichts. Und ich konnte nicht umsonst arbeiten, das ging halt nicht. Deswegen haben wir uns für Hamburg entschieden, weil ich hier vorher schon gewohnt hatte. Er war auch offen. Ich kam Ende 2009, er ist dann 2011 nachgekommen.
Wie kam es von der Idee zur Gründung von Ellou?
Das war einfach, weil ich so viel positives Feedback und richtige Anfragen bekam. Ich wollte dann keine Dinosaurierkarten für Jungs und Prinzessinnenkarten für Mädchen, sondern habe genderneutral gestaltet: einen tanzenden Jungen, ein Mädchen, das auf einem Dinosaurierrücken sitzt. Ich habe bei einer Druckerei 200 Karten drucken lassen und Mirjam Schröter von Diversity Shop kennengelernt, in deren Shop ich meine Karten anbieten durfte. Sie war die erste, die bei mir bestellt hat. So entwickelte sich das, und weitere Shops kamen hinzu.
Und die Produktpalette wurde größer.
Ja genau. Es fing an mit Postkarten. Dann kamen Poster und Stundenpläne, also alles, was schnell druckbar ist. Im vergangenen Jahr wollte ich mehr. Womit beschäftigen sich Kinder? Mit Spielsachen und Kreativprodukten. Aus meinen beliebtesten Motiven habe ich dann ein Malbuch gestaltet, bald darauf ein Puzzle, darauf bin ich auch ganz stolz drauf, das ist echt richtig schön geworden. Das Freundschaftspuzzle zeigt sieben unterschiedliche Kinder, die sich nahe sind, die sich umarmen. Da spielte auch Corona ein bisschen mit rein, denn was brauchen Kinder? Nähe. Das Puzzle konnten wir über Crowdfunding finanzieren.
Du hast für das Puzzle ein Crowdfunding gemacht oder für das Puzzle?
Für das Puzzle. Das Crowdfunding braucht ein bisschen Vorlauf.
Was kostet denn eine Puzzle-Produktion?
Einiges. Mit der Crowdfunding-Summe von knapp 4500 Euro kamen wir nicht hin, denn die Papierpreise stiegen und wir sind damit dann leider nicht hingekommen. Es kamen zum Beispiel noch Lagerkosten hinzu. Ich reinvestiere alles.
Wie viel Zeit investierst Du denn in Ellou neben Deinem eigentlichen Job?
Das variiert. Freitags ist mein Ellou-Tag. Da wende ich bestimmt fünf, sechs Stunden für Ellou auf, ich mache viel am Wochenende oder mal zwischendurch. Die Kooperation mit dem Kinderstark-Magazin, für das ich Gefühlskarten gestalte, mache ich am Wochenende. Es ist nicht so viel, wie ich es gerne hätte. Man muss halt mit der Zeit haushalten, die man hat.
Hast Du deshalb keinen Online-Shop?
Ja. Ich muss halt Wege finden, es zeitlich möglich zu machen. Ich möchte eigentlich einen Online-Shop, denn ich mache ja auch beruflich Designs für online-Shops und würde mein Wissen gerne für mein Business anwenden. Da bin ich gerade am Schauen, welche Möglichkeiten ich habe.
Bist Du zufrieden mit der Entwicklung von Ellou?
Ja, doch. Da ich das Projekt quasi nur nebenbei mache, habe ich schon viel erreicht. Ich habe eine tolle Community aufgebaut, gerade auch über Instagram. Man selbst sieht ja oft gar nicht, was man alles geschafft hat. Wir hatten zum Beispiel gerade eine Kooperation mit Ergo Bag. Manchmal muss ich den Moment reflektieren und mir wirklich sagen: Hey, das hast Du geschafft, das war eine tolle Sache.
Kam Ergobag auf Dich zu?
Ich hatte für meinen Sohn zur Einschulung ein eigenes Klettie-Set mit meinen Superheld*innen-Motiven auf deren Website gestaltet. Die habe ich dann auf Instagram gepostet und wurde dann oft gefragt, wo man die kaufen kann. Meine Vertrieblerin hatte einen Kontakt zu Ergobag. Die hatten uns aber auch schon auf dem Zettel.
Weißt Du, wie viele Designs und Motive es mittlerweile gibt?
Jein. Es sind etwa 40 Motive zum Teil in abgewandelter Form.
Wie sieht Du die Entwicklung des Spielzeug- und Hörbuchmarkts gerade seit der Gründung von Ellou?
Es tut sich viel. Genug noch lange nicht. Was häufig auffällt, und hier versuche ich mehr zu machen: Dass häufig nur eine Dimension von Diversität betrachtet wird. Vielfalt ist ja mehr als eine unterschiedliche Hautfarbe, sondern auch um unterschiedliche Körperformen, mit und ohne Behinderung. Also darum, einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden. Manche Verlage beleuchten Vielfalt noch einseitig, aber es gibt auch viele Projekte und Verlage, die das richtig gut machen wie zum Beispiel das Kinderstark-Magazin. Als die auf mich zukamen, habe ich sofort ja gesagt.
Warum heißt Ellou Ellou?
Ellou heißt Ellou, weil das Teile der Namen meiner Kinder sind. Ich fand das passend, weil das Projekt ja wegen ihnen entstanden ist. Es spiegelt unsere persönliche Note wider und ist ein Herzensprojekt unserer Familie. Hier geht keine Illustration raus, die meine Kinder nicht abgesegnet hätten oder für die sie nicht Inspiration waren, und deshalb fand ich den Namen so passend.
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