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Go for Gorilla

espero-Gründer Tim Weinel schützt mit nachhaltiger Kleidung bedrohte Tierarten

Die Goldkröte, der Chinesische Flussdelfin, der Tasmanische Beutelwolf, die Amerikanische Wandertaube, der Bali-Tiger. Was haben sie gemeinsam? Nun: Sie sind ausgestorben. Im vergangenen Jahr wurde der Elfenbeinspecht für ausgerottet erklärt, und diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. „Jeden Tag sterben etwa 150 Tier- und Pflanzenarten aus“, sagt Tim Weinel. „Das ist doch Wahnsinn.“ Der 34-Jährige hat deshalb vor zwei Jahren begonnen ein Statement zu setzen: espero – sein eigenes Klamottenlabel.

Pro Teil spendet der Gießener 25 Prozent vom Verkaufspreis an Organisationen in Afrika und Asien, die bedrohte Tiere schützen. Konkret: Löwen, Nashörner, Elefanten, Berggorillas. Von den Berggorillas zum Beispiel leben heute noch etwa 1000, alle in freier Natur. Die Primaten gehören zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Tierarten der Welt.

Zu esperos Partnern zählen der Virunga National Park in Ostafrika, der Drakenstein Lion Park in Südafrika und Kindred Spirit Elephant Sanctuary in Thailand. Jede Organisation bekommt bei espero ihre eigene Kollektion. Seit kurzem sind auch zwei deutsche Partner von espero: Pro Vieh und der Gnadenhof Land der Tiere.

Tim Weinel, im Berufsleben Geschäftsführer eines Crowdinvest-Unternehmens, verdient mit seiner Geschäftsidee espero: so gut wie nichts. Im vergangenen Monat habe er erstmals einen kleinen Gewinn erzielt von etwa 200 Euro erzielt. Nicht wichtig, sagt der 34-Jährige. Es gehe ihm um den Schutz der Tiere. Rund 4000 Euro hat er seit der Gründung bereits an seine Partner überwiesen. Zwei Wünsche hat er, verriet er im Interview.

Foto: privat

Ich habe gerade einen ganz interessanten Satz gelesen, der vielleicht auch auf Dich passen könnte. Und zwar sagte jemand, dass jeder, der sich im Bereich Nachhaltigkeit engagiert, ein Weltverbesserer-Gen in sich trägt. Wie ist das bei Dir?

Ja, genau so! Ich würde das voll und ganz so unterschreiben. Man bewegt sich im Nachhaltigkeits-Bereich auch oft in einer Bubble. Man lernt viele Menschen kennen, die tolle Ideen haben und etwas bewegen wollen. Das zieht sich auch ein wenig durch meine bisherige Laufbahn, denn ich bin parallel Geschäftsführer eines Unternehmens, das nachhaltige Vermögensanlagen anbietet.

Du bist parallel Geschäftsführer bei Ecozins und hast espero aufgezogen, Deinen online-Shop für nachhaltige Kleidung, mit deren Verkauf Du Tierschutzorganisationen unterstützt. Was ist espero für Dich – ein gleichwertiges Unternehmen, ein Hobby?

Also Hobby trifft es nicht ganz. Der Umfang von espero ist mittlerweile enorm gestiegen. Ich arbeite dafür vor und nach meinem normalen Job sowie am Wochenende. Der ursprüngliche Gedanke war nicht, Geld damit zu verdienen, sondern jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, gleichzeitig nachhaltige Kleidung zu kaufen und Tiere zu schützen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass diese Idee so gut einschlägt und espero so schnell wächst in den ersten zwei Jahren. Der Umfang ist jetzt schon relativ groß. Was aber supercool ist, ist, dass wir uns mittlerweile selbst finanzieren können und schwarze Zahlen schreiben. Das heißt für mich, das Konzept funktioniert und ich habe eine schöne Wahl geschaffen für Menschen, die gleichzeitig Kleidung kaufen und Tiere schützen wollen.

Das heißt, Du hast erst einmal Dein eigenes Geld hineingesteckt.

Ja genau. Das war mein Baby, ich wollte einfach etwas machen, auf die Beine stellen, um bedrohte Tierarten zu schützen. Ich hatte erst den Gedanken, ganz klassisch eine eigene Tierschutzorganisation zu gründen, habe dann aber relativ schnell festgestellt, dass es keinen Sinn macht, weil es schon sehr viele tolle Organisationen gibt, die tolle Arbeit leisten. Deshalb wollte ich die bestehenden Organisationen stärker ins Rampenlicht zu rücken.

Warum war es Dir wichtig, in dieses Feld mit einzusteigen?

Das war schon immer mein Wunsch.

Aber warum?

Oh, ich weiß gar nicht genau. Oder doch. Ich bin mit Tieren aufgewachsen, wir hatten immer auch Pflegetiere zu Hause, Babykätzchen zum Beispiel. Das Exotischste waren mal Waschbärbabies, die wir zusammen mit dem Fachbereich Veterinärmedizin der Universität Gießen aufgepäppelt und dann an eine Wildtierauffangstation gegeben haben. Tierschutz zieht sich durch mein ganzes Leben. Es gab nicht diesen einen Moment, der mir gesagt hat, jetzt mache ich was mit Tieren, sondern es war etwas, das sich im Lauf der Jahre entwickelt hat. Ich habe immer, seit ich mein eigenes Geld verdiene, monatlich versucht verschiedene Artenschutzorganisationen zu unterstützen.

Foto: privat

Aber gab es einen Schlüsselmoment, in Folge dessen Du Dich zur Gründung von espero entschieden hast?

Das war eigentlich der Moment, in dem mir klar wurde, dass jeden einzelnen Tag 150 Tier- und Pflanzenarten aussterben. 150 Arten. Jeden. Einzelnen. Tag. Das sind Zahlen, die man sich gar nicht vorstellen kann. Darunter sind natürlich viele Klein- und Kleinstlebensarten, die keine große Medienresonanz hervorrufen, so wie wenn eine Elefanten- oder Nashorn-Art ausstirbt. Dennoch sind sie im Ökosystem der Erde wichtig. Das war der Zeitpunkt, wo ich gesagt habe: Warum macht keiner was, das muss viel mehr in den Focus gerückt werden.

Warum die Verbindung mit Kleidung?

Kleidung ist etwas, womit sich jeder ausdrücken kann. Kleidung ist ein Statement, zeigt unsere Werte. Deshalb habe ich mich für Kleidung entschieden. Wir bilden bei den Designs immer etwas von der Organisation oder der bedrohten Tierart ab, die wir mit dem Kauf des Kleidungsstücks schützen. Ich würde mich aber auch über Nachahmer in anderen Bereichen freuen.

Die erste Herausforderung war, einen Hersteller zu finden, der fair, vegan und nachhaltig produziert. Dieser Hersteller ist für uns die belgische Firma Stanley / Stella, mit der wir uns auf eine Basis-Kollektion verständigt haben – T-Shirts, Hoodies und Sweatshirts. Vom Stil her gefällt es mir sehr gut…

… was ja auch völlig legitim ist…

… und es ist etwas, das unsere Zielgruppe ganz gut bedient.

Wer ist denn Deine Zielgruppe?

Bei der Zielgruppe lag ich tatsächlich am Anfang falsch! Ich hatte an die Fridays for Future-Generation gedacht, habe dann aber relativ schnell festgestellt, dass sich die Kunden durch alle Altersgruppen ziehen von 18 bis 60. Der Hauptgrund, weshalb diese Kunden bei espero kaufen, ist nicht die Kleidung – das spielt natürlich auch eine Rolle. Sondern der Hauptgrund ist das Konzept des Tierschutzes. Deshalb wollen wir künftig auch klassischere Sachen auf den Markt geben, schlichte Polo-Shirts zum Beispiel.

Ich denke, das Konzept ist sehr gut, aber es müssen auch Menschen sein, die bereit sind höhere Preise für nachhaltige Produkte zu bezahlen – sei es bei Kleidung oder auch Lebensmitteln. Das ist in Deutschland nicht unbedingt gegeben.

Ja, das ist so. Die Leute müssen sich aber einfach bewusst sein, dass faire, hochwertige Kleidung nicht zu einem Dumpingpreis abgegeben werden kann, vor allem, wenn damit noch eine Tierschutzorganisation unterstützt werden soll. Man muss ja auch wirtschaftlich denken. Es bringt nichts, das Unternehmen nach ein, zwei Jahren einzustellen, weil man nicht wirtschaftlich arbeiten konnte. Auch hier muss der Nachhaltigkeitsgedanke greifen.

Ihr macht es andersherum und lasst erst produzieren, wenn der Kunde geordert hat.

Ja genau, das ist für mich auch Nachhaltigkeit. Wir haben mit Stanley / Stella einen großen Partner für die Produktion, der viele Rohlinge auf Lager hat, noch ohne Stick und Print. Kommt eine Bestellung rein, lassen wir den Rohling erst veredeln. Ich will keine Ware auf Lager halten, von der ich nicht weiß, ob sie überhaupt verkauft wird. Das muss den Kunden einfach bewusst sein, dass wir keine Next-Day-Zustellung gewährleisten können.

Das wird so akzeptiert?

Das Feedback ist tatsächlich, dass das ok ist. Wir sind hier auch transparent, dass es länger dauert.

Aber auch Deine Rohware wird in Asien produziert.

Ja. Das finden wir aber auch wichtig und richtig, weil es am Ende des Tages auch darum geht, asiatische Länder und deren Einwohner*innen zu unterstützen. Denn sie haben ja die Infrastruktur, nachhaltig zu produzieren. Wir unterstützen hier Partner, die fair und nachhaltig sind.

Und Du überprüfst das mittels Zertifizierungen?

Ja genau. Alle unsere Teile haben eine Fair Ware-Zertifizierung, die als eine der strengsten in der Branche gilt.

Das gilt für die Tierschutzorganisationen auch?

Das war tatsächlich ein Thema, das ich anfangs auch im zeitlichen Umfang massiv unterschätzt habe. Wir hatten einen Kriterienkatalog, was wir uns wünschen, und haben wirklich kritisch die Strukturen untersucht, weil es für mich natürlich schwierig war, die Organisationen über Sumatra bis zum Kongo abzufliegen – und das dann auch langfristig zu überprüfen. Dieser Prozess hat sich über ein halbes Jahr hingezogen. Wir verlangen sehr viel Transparenz und Offenheit der Organisationen, führen Interviews, berichten im Blog auf der Homepage und im Newsletter von deren Arbeit.

Hast Du schon einmal eine Zusammenarbeit mit einer Organisation beendet?

Bisher nicht! Eher erweitert. Im vergangenen Jahr haben wir zwei Organisationen hinzugenommen, darunter zwei aus Deutschland – Pro Vieh, die Kampagnen rund um das Tierwohl fahren – und die Organisation Land der Tiere, das Tieren einen schönen Lebensabend ermöglicht. Weil diese Kollektionen etwas aus dem Raster fallen, weil es nicht um den Schutz bedrohter Tiere geht, sondern um den Tierschutz in Deutschland, haben wir sie im Shop als exklusiv gekennzeichnet. Das haben unsere Käufer angeregt.

Foto: markjordahl, pexels

Kamen die Organisationen auf Dich zu?

Die deutschen Organisationen habe ich angesprochen, aber Project Wings aus Sumatra hat uns angesprochen, ob sie dabei sein können.

Das ist ja eigentlich ganz cool!

Das ist supercool!

Wählen die Kunden die Ware nach der Organisation aus?

Nein, eher nach Gefallen der Kleidung. Das ist aber eher ein Bauchgefühl, das haben wir noch nicht qualitativ erhoben.

Es steht dem Kunden aber nicht frei, die Organisation selbst zu wählen?

Nein, den Ansatz haben wir am Anfang auch überlegt, aber uns dann dagegen entschieden, weil wir es wichtig fanden, dass man unter jedem einzelnen Artikel im Shop die Projekte darstellen kann. Jede Organisation sollte ihre eigene Kollektion bekommen.

Kollektion heißt, Du nimmst die Teile irgendwann aus dem Shop?

Wir werden die Teile von Zeit zu Zeit erneuern, aber jede Kollektion bleibt einer Artenschutzorganisation zugeordnet.

Wie viel bleibt für espero übrig?

Ich habe als Gründungskosten 2000 bis 3000 Euro investiert. Wir sind relativ langsam gestartet, ich gebe kein Riesenbudget für Werbung aus, weil ich die Kosten geringhalten möchte, um den Spendenanteil für den Tierschutz hoch halten zu können. espero verbreitet sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Trotzdem haben wir natürlich fortlaufende Kosten. Im vergangenen Monat hatten wir einen kleinen Überschuss von 100 bis 200 Euro.

Bei den Artenschutzprojekten liegen wir im Moment bei einem durchschnittlichen Spendenwert von sieben Euro pro Teil.

Mein Ziel ist, dass espero wirklich irgendwann ein nachhaltiges Unternehmen werden kann, dass espero als nachhaltiger Unternehmer arbeiten kann und ich Leute beschäftigen kann. Gerechnet habe ich damit am Anfang an.

Du hast schon öfter von wir gesprochen. Wer ist denn wir?

Oh, das ist eine Angewohnheit, eigentlich mache ich die Arbeit allein. Wir sind aber aktuell tatsächlich eine Praktikantin und ich.

Welche Erfahrungen als Geschäftsführer bei ecozins helfen Dir bei espero?

Der gesamte Bereich Unternehmensstrukturierung, Markenaufbau, digitale Geschäftsmodelle – das hat mir sehr geholfen. Bei ecozins geht es um Crowdinvesting.

Wie viel Zeit investierst Du in espero?

Bei ecozins bin ich ganz normal als Geschäftsführer angestellt mit einer gut 40-Stunden-Woche, für espero arbeite ich vor der Arbeit vielleicht ein bis zwei Stunden, danach auch und am Wochenende auch noch einmal mehrere Stunden.

Was lässt Dich das machen, was ist Deine Motivation?

Zum einen ist es wirklich das Bewusstsein, dass wir etwas tun müssen gegen das Artensterben. Ich bekomme viel positives Feedback von Kunden. Und das reicht mir als Motivation!

Was würdest du brauchen?

Am meisten brauche ich mehr Reichweite. Auch eine Finanzierung über einen Partner, der das noch aktiver vorantreiben kann, wäre schön. Das sind meine zwei All-Time-Baustellen.

Gibt es eine Organisation, die Dir besonders am Herzen liegt?

Die Kollektion Kaboko bzw. der Mihonga- Nationalpark. Das sind die dramatischsten Tiere, die wir schützen, die Berggorillas im Nationalpark. Wir statten die Ranger zu deren Schutz aus. Die Zahl der noch lebenden Tiere liegt bei 1000 und das ist gravierend wenig.

Jetzt ist nur noch eine Frage offen: Woher kommt der Name espero?

Der Name kommt aus der fiktiven Weltsprache Esperando und steht für Hoffnung. Es war mir wichtig, einen sinnvollen Namen zu wählen. Weltsprache deshalb, weil wir uns ja mit einem globalen Problem beschäftigen. Wichtig war mir esperando. Ich habe dann überlegt, was unsere Mission ausmacht, und das ist die Hoffnung.

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