Wer ist verantwortlich für sauberes Wasser?
Eine kurze Einführung in die strafrechtliche Haftung (nicht nur) von Amtsträger:innen
In meinem Beitrag vom 16. Januar 2024 habe ich mögliche Probleme im Zusammenhang mit nicht funktionierender Wasserver- bzw. Abwasserentsorgung skizziert und das BBK und RKI um mehr Informationen für die Selbsthilfe der Bürgerinnen und Bürger in Krisen und Katastrophen gebeten (Öffnet in neuem Fenster). Doch wie ich auch angedeutet habe, gibt es daneben weitere Verantwortliche.
Die Verantwortung für sauberes Wasser folgt aus dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes und den Wassergesetzen der Bundesländer. So ist nach § 56 Abs. 1 WHG (Öffnet in neuem Fenster) die Abwasserbeseitigung Sache der Bundesländer. Die Wassergesetze der Bundesländer weisen die Verantwortung für die Abwasserbeseitigung in der Regel den Gemeinden zu, wie z.B. § 44 Abs. 1 Landeswassergesetz Schleswig-Holstein (Öffnet in neuem Fenster). Eine Gemeinde braucht jedoch mindestens eine menschliche Person, die für sie “als Organ” handelt (siehe § 7 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein (Öffnet in neuem Fenster)), hier die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister als sog. Amtsträger. Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist unter Umständen auch zuständige untere Katastrophenschutzbehörde (siehe §§ 4 (Öffnet in neuem Fenster), 3 Abs. 2 und 3 (Öffnet in neuem Fenster) LKatSG Schleswig-Holstein).
Jede Person ist daneben verpflichtet, bei möglichen Einwirkungen auf ein Gewässer die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften zu vermeiden (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WHG (Öffnet in neuem Fenster)). “Jede Person” umfasst dich, mich und auch den sog. Amtsträger.
Nach § 324 Abs. 1 Strafgesetzbuch (Öffnet in neuem Fenster) (StGB, “Gewässerverunreinigung”) macht sich jede Person strafbar, die unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert. Die strafbare Gewässerverunreinigung ist auch durch Unterlassen (§ 13 StGB (Öffnet in neuem Fenster)) denkbar.
In Krisen und Katastrophen gilt nichts anderes: Gewässer dürfen nicht wie in meinem Szenario beschrieben (Öffnet in neuem Fenster) verschmutzt werden. Wer das tut oder durch Unterlassen geschehen lässt, riskiert strafrechtliche Folgen.
Interessant ist das Thema deshalb, weil im Krisen- und Katastrophenfall (mindestens) zwei unterschiedliche Rechtsmaterien - Wasserrecht und Katastrophenschutzrecht - zusammentreffen und die Aufgaben der Katastrophenschutzbehörde(n) sowie die mögliche Haftung der zuständigen Amtsträger:innen erweitern können.
Fallbeispiel
Anfang der 1990er kam es zur Verurteilung des Bürgermeisters einer hessischen Gemeinde wegen vorsätzlicher Gewässerverunreinigung durch Unterlassen (Öffnet in neuem Fenster) (§§ 324 Abs. 1 (Öffnet in neuem Fenster), 13 Abs. 1 StGB (Öffnet in neuem Fenster)). Er hatte im Rahmen der o.g. Verantwortung der Gemeinde für die Abwasserbeseitigung die Pflicht, rechtswidrige, von ortsansässigen Grundstückseigentümern ausgehende Gewässerverunreinigungen abzuwenden. Die Abwendung hatte er jedoch unterlassen. Deshalb, so die Gerichte, war der Bürgermeister für dadurch verursachte Gewässerverunreinigungen selbst strafrechtlich haftbar.
Hintergrund der Unterlassungsstrafbarkeit ist die sog. Garantenstellung des Bürgermeisters. Diese rührt aus der o.g. Pflicht der Gemeinde zur Abwasserbeseitigung her, deren Erfüllung dem Bürgermeister als Organ oblag:
Der Gemeinde kommt im Rahmen der Abwasserbeseitigung eine besondere Pflicht zu: Sie hat das in § 324 StGB (Öffnet in neuem Fenster) strafbewehrten Rechtsgut der Gewässerreinheit zu schützen. Dass die Einleitung von Abwässern in ein Gewässer zu dessen Verunreinigung bzw. zu nachteiliger Veränderung seiner Eigenschaften führen kann, liegt auf der Hand. Ein verunreinigtes Gewässer beeinträchtigt, wie an meinem Szenario erkennbar (Öffnet in neuem Fenster), das Wohl der Allgemeinheit. Abwasser ist deshalb so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 55 Abs. 1 S. 1 WHG (Öffnet in neuem Fenster)).
Die dem Bürgermeister danach obliegende Garantenpflicht umfasste nicht nur das Gebot, gegen Grundstückseigentümer:innen vorzugehen, von denen er wusste, dass sie Abwasser in das Gewässer einleiteten. Vielmehr war er, soweit er die verursachenden Grundstückseigentümer:innen nicht kannte, auch dazu verpflichtet, sie zu ermitteln.
Der Bürgermeister, so die Gerichte, hatte es auch vorsätzlich unterlassen, die ihm aus seiner Garantenstellung erwachsenen Handlungspflichten zu erfüllen. Ihm war nachweislich bekannt, dass bestimmte Grundstückseigentümer:innen Abwasser zuführten und dadurch das Gewässer, in das es gelangte, erheblich verschmutzten. Ausserdem kannte er seine Verpflichtung, die Verursachenden zu ermitteln und gegen sie vorzugehen, um sie zum Einbau von Kleinkläranlagen zu veranlassen und damit der von ihnen ausgehenden Gewässerverunreinigung ein Ende zu setzen.
Alle sind verantwortlich für sauberes Wasser, aber…
Wie oben beschrieben, trifft die strafrechtliche Haftung für Gewässerverunreinigung nicht nur Amtsträgerinnen und Amtsträger. Sie kann jede Person treffen, die Gewässer aktiv oder passiv verunreinigt.
Das Wissen hilft allerdings Bürgerinnen und Bürgern in einer Krise oder Katastrophe nicht wirklich weiter, wenn die Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht funktionieren. Es kann nicht drauf vertraut werden, dass Gewässer sauber genug sind, um das Wasser z.B. zu trinken. (Öffnet in neuem Fenster)
Hier sehe ich die Gemeinden v.a. durch die Bürgermeisterin bzw. den Bürgermeister in der Pflicht, die bzw. der zugleich zuständige Katastrophenschutzbehörde sein kann. Auf den formalen Katastrophenbegriff (Öffnet in neuem Fenster) kommt es nicht an. Das bedeutet, die wasserrechtlichen Pflichten gelten unabhängig von der Feststellung des Katastrophenfalls (Öffnet in neuem Fenster). Es ist sicherzustellen, dass auch in Krisen und Katastrophen Abwasserentsorgung ohne Gewässerverunreinigung vonstatten gehen kann. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, kann dies für Amtsträger:innen wie im o.g. Fallbeispiel strafrechtliche Konsequenzen haben.
Wie die Abwasserentsorgung in Krisen und Katastrophen umgesetzt wird, ist natürlich eine andere Frage…